Pressestimmen

Griechenland in der Krise "Alexis Tsipras hat sein Volk betrogen"

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Nach dem Scheitern der Verhandlungen schieben sich die Eurogruppe und Griechenland gegenseitig den Schwarzen Peter zu. EU-Kommissionspräsident Juncker fühlt sich von Athen "verraten". Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras habe mit der Ankündigung ein Referendum abzuhalten, die Gespräche zum Platzen gebracht. Die internationale Presse ordnet das Aus unterschiedlich ein. Die meisten Zeitungen sehen die Schuld aber bei Tsipras. Es überwiegt Fassungslosigkeit über das Krisenmanagement in Athen.

Die liberale Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny aus Prag hält den griechischen Ministerpräsidenten mit seiner Politik für gescheitert: "Alexis Tsipras hat sein Volk betrogen. Zu Beginn des Jahres war er mit dem Versprechen angetreten, Griechenland in der Eurozone zu halten und die Gläubiger zu Änderungen der Zahlungsbedingungen zu bewegen. Doch seine weitreichenden Sozialprogramme sind mit den Forderungen der Gläubiger nicht unter einen Hut zu bringen." Tsipras sei bis zum bitteren Ende geblieben anstatt zurückzutreten und hatte sogar noch die Dreistigkeit, ein völlig überflüssiges Referendum auszurufen. "Vielleicht verstehen die Griechen nun endlich, dass Tsipras die Fähigkeiten für den Job als Regierungschef abgehen."

Die britische Times bläst ins gleiche Horn und prophezeit Griechenland "trostlose Aussichten." Griechenland sei ein stolzes und unabhängiges Land, das durch eine ideologisch gesteuerte und "völlig wertlose Regierung" in knapp sechs Monaten zu Boden gewirtschaftet worden sei. Die Eurozonen-Länder könnten jetzt nur noch zusehen, "wie Syriza die griechische Bevölkerung weiter verarmen lässt. Da es unmöglich ist, die Drachme wiedereinzuführen, dürfte ein negatives Votum bei der Volksabstimmung Griechenland zu einer Art Montenegro werden lassen: Kein Mitglied der EU oder der Eurozone, doch ohne eigene Währung und mit dem Euro als Zahlungsmittel."

Auch für die konservative französische Zeitung Le Figaro steht fest: Griechenland hätte es schaffen können, wenn die Regierung nur gewollt hätte. Das würden die Beispiele der anderen Euro-Krisenländer zeigen: "Mit Ausnahme Griechenlands haben sich alle, Irland, Portugal, und Spanien, im Eiltempo reformiert, um den Euro zu behalten. Die Anstrengungen waren erfolgreich. In Spanien ist die Arbeitslosigkeit zwar noch hoch, doch die Wirtschaft wächst wieder, Ausländer investieren und der Export nimmt jeden Monat ein wenig zu." Ohne die notwendigen Reformen könne es auch Griechenland nicht schaffen, doch Regierungschef Tsipras glaube nicht daran. Er "schlägt seinem Volk einen großen Sprung ins Unbekannte vor."

Die russische Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta sieht die Schuld hingegen klar bei der Eurogruppe: "Die Länder der Eurozone haben einen so starken Druck auf Griechenland aufgebaut, dass die Regierung in Athen praktisch in die Ecke gedrängt wurde." Die Eurokrise habe nun ihren Höhepunkt erreicht: "Die griechische Krise hat sich zu einem politischen Erdbeben mit unabsehbaren Folgen ausgeweitet. Das Gericht des Volkes soll nun bei einem Referendum am 5. Juli über die Forderungen der EU, der EZB und des IWF entscheiden. Damit bestimmt Griechenland sein Schicksal." Nach Ansicht der Zeitung wisse die Eurogruppe  nicht, wie sie die Griechen-Krise jetzt lösen solle: "In den wichtigsten Hauptstädten der Eurozone gibt es fieberhafte Sitzungen, aber keiner weiß bisher, was zu tun ist: abwarten, die Tür zuschlagen oder doch auf die griechischen Stimmungen eingehen?"

Die römische Tageszeitung La Repubblica schlägt sich auf keine Seite und bewertet das Scheitern der Verhandlungen so: "Die Entscheidung der Regierung Tsipras, ein Referendum zu den Reformvorschlägen der Eurogruppe einzuberufen, könnte schlimme Konsequenzen sowohl für Griechenland als auch für die EU haben. Die Situation ist schnell allen aus den Händen entglitten." Die italienische Zeitung kann sich den Abbruch der Verhandlungen nur mit einer Vertrauenskrise erklären: "So lange und komplexe Verhandlungen bricht man nicht in letzter Minute einfach so ab - es sei denn, man ist absolut überzeugt, der Gegenseite nicht mehr vertrauen zu können."

Zusammengestellt von Jasmin Gebele

Quelle: ntv.de

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