Pressestimmen

Koalitions-Gipfel im Kanzleramt "Am Ende wird es zu wenig sein"

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Drei Monate nach dem letzten Koalitionstreffen widmen sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt alten Konflikten. Im Fokus der Gespräche stehen Stromtrassen, Mindestlohn und Mietpreise. Die erzielten Vereinbarungen stoßen bei den deutschen Tageszeitungen auf massives Unverständnis.

"Es ist ein mühsamer, ernüchternder Abstieg von all den Zwischenstopps in den Hauptstädten und Krisen-Zentren dieser Welt", kommentieren die Nürnberger Nachrichten. So sehr Kanzlerin Angela Merkel mit ihrer Pendel-Diplomatie außenpolitisch auch punkten könne, so die Zeitung weiter, so schwer tue sich dieselbe Kanzlerin mit den Niederungen der Innenpolitik: "Außen hui, innen pfui: Merkel schwebt, getragen von ihrem Umfragen-Hoch, lieber präsidentiell über den Streitthemen jener Großen Koalition, deren Chefin sie doch eigentlich ist. Doch da scheint sie der weitgehende Stillstand kaum zu stören - wohl auch deshalb, weil nicht wenige Bürger den Verzicht auf Regierungshandeln inzwischen einer zu hektischen Reformpolitik vorziehen."

Auch der Kölner Stadt-Anzeiger vergleicht den diplomatischen Krisen-Einsatz der Kanzlerin mit ihrem innenpolitischen Handeln: "Man wünschte sich jene Bereitschaft, ungewöhnliche Wege zu verfolgen und Risiken einzugehen, die Angela Merkel in der Ukraine-Krise zeigt, auch in ihrer Innenpolitik. Doch da haben sich Union und SPD auf eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners verständigt. Es ist (bis auf die Energiewende) eine Politik, die nicht über die Frist der Wahlperiode hinausschaut. Das ist angesichts der Stürme, die jenseits dieser in vieler Hinsicht seligen Insel der Deutschen wüten, womöglich nachvollziehbar. Aber es wird am Ende zu wenig sein, um die Zukunft ähnlich erfreulich zu gestalten, wie der gegenwärtige Zustand zumindest jenen erscheint, denen es gut dabei geht."

Die Frankfurter Rundschau zeigt sich angesichts der  Koalitionsvereinbarungen ebenfalls enttäuscht: "Die Chefs der großen Koalition haben also am Dienstagabend stundenlang zusammengesessen, um - tja, was eigentlich zu beschließen? Entscheidungen zu dem einzigen Thema von einiger Relevanz, dem Ausbau der Stromtrassen, haben die großen Vorsitzenden Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer auf den Sommer verschoben." Nun bestätige sich, so das Blatt, was schon zu Beginn "dieser Mammutkoalition" zu befürchten gewesen sei: "Sie regiert weit unter ihren Möglichkeiten und den Notwendigkeiten. Sie nutzt ihre mächtige Mehrheit und die glänzenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht, um das Land an entscheidenden Punkten voranzubringen. Ihre Fantasielosigkeit und der Mangel an jeglicher programmatischen Vision lähmen dazu die gesellschaftliche Debatte."

"Von drei zentralen Aufgaben eine gelöst und die anderen zwei verschoben", bilanziert die Ludwigsburger Kreiszeitung. Dies reiche im wahren Leben nur für ein "mangelhaft". Nicht so bei den schwarz-roten Partei- und Regierungsspitzen: "Dort benotet man sich vorzugsweise selbst. Prompt war SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dann auch voll des Lobes über die Ergebnisse der jüngsten gemeinsamen Nachtsitzung. Die Koalition mache weiter Tempo, resümierte der Sozialdemokrat allen Ernstes. So viel Dreistigkeit hat auch in der Politik eher Seltenheitswert."

Viele wichtige Themen habe die GroKo unangetastet gelassen, moniert das Handelsblatt: "Nichts deutet nach den Beschlüssen des Koalitionstreffens darauf hin, dass Union und SPD, wie angekündigt, endlich gemeinsam loslegen. Die Überprüfung der Bürokratie beim Mindestlohn - verschoben. Der Streit um den Ausbau der Stromtrassen?- vertagt. Erste Ergebnisse zum Bund-Länderfinanzausgleich - bis zum Sommer verlegt. Die Große Koalition scheint vor allem nach dem Motto "nur keine Hektik" zu arbeiten. Dabei gäbe es große Themen, die von Bundesregierung angepackt werden könnten. Eine durchgreifende Steuerreform, die Bildung einer Allianz für ein transatlantisches Freihandelsabkommen, ein umfassendes Demografiekonzept, ein Einwanderungsgesetz oder die Abschaffung des Solidaritätszuschlags."

Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.

Quelle: ntv.de

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