Pressestimmen

Syrien-Konferenz in Wien "Das Blutvergießen wird weitergehen"

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(Foto: picture alliance / dpa)

In Syrien tobt der Bürgerkrieg. Bislang fehlt der internationalen Staatengemeinschaft eine gemeinsame Strategie im Umgang mit der humanen Katastrophe. In Wien kommen nun erstmals die USA, Russland und Europa mit den arabischen Nachbarn des Bürgerkriegslandes zusammen, um über eine Lösung des Konflikts zu beraten. Darunter auch erbitterte Feinde: Sowohl das sunnitische Königshaus Saudi-Arabien als auch der schiitische Gottesstaat Iran nehmen an der Konferenz teil. Zeitgleich verkünden die USA die Versendung von Bodentruppen nach Syrien.

Die Neue Westfälische aus Bielefeld stuft die Erfolgsaussichten der Gespräche in Wien als sehr gering ein: "Staatenlenker wie Assad gehören im 21. Jahrhundert vor das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal, niemals an die Spitze einer Übergangsregierung. Und doch wird es wohl so kommen. Ob man in Wien einen gangbaren 'Weg aus der Hölle' (US-Außenminister John Kerry) findet, ob die vielen Milizen in Syrien gestoppt und in einer Regierung der nationalen Einheit aufgehen sollen, ob die Flüchtlingswelle gen Europa verlangsamt werden kann, erscheint darum mehr als zweifelhaft. Das Blutvergießen wird weitergehen."

Die Fuldaer Zeitung fragt sich angesichts der verworrenen Lage im Bürgerkriegsland, ob eine diplomatische Lösung überhaupt möglich ist: "Schon in der Teilnehmerliste offenbart sich das Dilemma: In Wien saß keine der syrischen Kriegsparteien mit am Tisch, sondern nur ein Teil der Weltgemeinschaft, von dem wiederum ein kleiner Teil Einfluss auf die Konfliktparteien in Syrien hat. Es sei der Beginn eines diplomatischen Prozesses, hieß es. Doch ist eine diplomatische Lösung überhaupt möglich? Es gibt angesichts vieler unterschiedlicher Interessen derzeit nicht mal einen kleinsten gemeinsamen Nenner, an einem Strang zu ziehen, Druck auszuüben und die Kriegsparteien zu einem Waffenstillstand zu zwingen. Für die Weltgemeinschaft ein Armutszeugnis, zumal wir alle die Folgen des Konflikts durch den Flüchtlingsmarsch nach Europa hautnah spüren."

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist ein wenig optimistischer und sieht in der Kooperation der USA mit dem Iran eine Chance im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat: "Washington hat (…) seit dem Atomabkommen mit Iran im Juli und seit dem militärischen Eingreifen Russlands in Syrien seine Syrienpolitik korrigiert: Es geht gezielt auf Iran zu, will kleine Einheiten auf dem Boden gegen den 'Islamischen Staat' einsetzen und nimmt eine Verschlechterung der Beziehungen zur Türkei in Kauf. Im Kampf gegen den IS hat sich Iran als zuverlässiger Partner erwiesen, anders als die Türkei oder Saudi-Arabien. Die Fronten zwischen den beiden Lagern zu Syrien, die sich fast fünf Jahre blockiert hatten, lösen sich etwas auf. Beschleunigt die Wiener Konferenz diesen Prozess, kann aus Hoffnung sogar Optimismus werden."

Zum Einsatz von US-Elitesoldaten in Syrien meint die  Süddeutsche Zeitung: "Zwei, drei Dutzend US-Soldaten werden den Krieg in Syrien nicht beenden. Die Entscheidung von Präsident Barack Obama, eine kleine Truppe in den Norden des Landes zu schicken, um dort kurdische Guerilla im Kampf gegen die Terrormiliz IS zu unterstützen, ist eine politische Botschaft: Amerika will nicht mehr nur Zuschauer in dem Konflikt sein, ... sondern auch militärischer Akteur. Ob irgendjemand davon beeindruckt sein wird, ist zweifelhaft... Die Realität ist: Seit Russland in Syrien die Rebellen bombardiert, kann Amerika diese nicht mehr mit einer größeren Zahl von Bodentruppen unterstützen. Das Risiko eines Zwischenfalls mit unabsehbaren Folgen ist zu groß. Das weiß Russland, das weiß Syriens Diktator Assad. Obama hat nun bewiesen, dass er es auch weiß."

Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.

Quelle: ntv.de

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