Juncker an EU-Kommissionsspitze "Der Mann hat Mut"
22.10.2014, 20:28 Uhr
Wochenlang wurde um die Zusammensetzung der neuen EU-Kommission gerungen, nun ist der Streit beendet: Das Europaparlament gibt dem Team unter Führung von Jean-Claude Juncker mit breiter Mehrheit grünes Licht. Der designierte Kommissionspräsident und seine 27 Kommissare können damit wie geplant am 1. November die Arbeit aufnehmen. Für die Kommentatoren der deutschen Zeitungen ist dies eine gute Entscheidung - und ein letzter Hoffnungsschimmer für Europa.

Die Zitterpartie ist zu Ende: Das Europaparlament hat die neue EU-Kommission von Jean-Claude Juncker bestätigt.
(Foto: REUTERS)
Das Darmstädter Echo schreibt: "EU-Kommissionspräsident Juncker will den Bürgern den Glauben an Europa zurückgeben. Das ist bitter nötig - und der Luxemburger hat zweifellos das Zeug dazu. Wichtiger Baustein ist das von ihm angekündigte Investitionsprogramm für mehr Arbeitsplätze, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit von 300 Milliarden Euro. Bis Weihnachten soll klar sein, woher das Geld - öffentliche Investitionen und private Mittel - genau kommen soll. Juncker hat die notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der Krise in seiner Bewerbungsrede mit der 'Reparatur eines brennenden Flugzeugs während des Flugs' verglichen. Da wünscht man ihm und allen in der EU, dass es keine Bruchlandung gibt".
Guter Hoffnung ist auch der Trierische Volksfreund: "Die Krise samt der Politik zu ihrer Bewältigung, die sie nach Ansicht vieler noch verschärft hat, haben Europas Einigungswerk so umstritten werden lassen wie nie zuvor. Aus wohlwollendem Desinteresse ist vielerorts hasserfüllte Ablehnung geworden. (...) Insofern führt der Luxemburger Juncker bei allen Chancen, die das neue Verfahren mit sich bringt, von nun an auch die EU-Kommission der letzten Chance. Es ist gut, dass sich nun ein Kandidat des Parlaments und damit der Bürger auf den Weg macht, sie zu ergreifen".
Die Frankfurter Rundschau zollt dem neuen EU-Kommissionschef bereits vor seinem Amtsantritt Respekt: "Der Mann hat Mut. Nach bleiernen Jahren unter José Manuel Barroso will der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Europa aufrütteln. Schon zu Weihnachten will er ein Investitionspaket von 300 Milliarden Euro präsentieren. Das ist ehrgeizig - und riskant: Noch ist die Finanzierung offen. Vorgänger Barroso war eher ein Technokrat, Juncker will ein politischer Präsident sein. Was daraus folgt, erfuhr am Mittwoch Handelskommissarin Cecilia Malmström. Die Befürworterin von Schiedsgerichten verlor in den Freihandelsgesprächen mit den USA flugs die Zuständigkeit für den Investorenschutz. Er kann auch knallhart sein, der nette Juncker".
Auf den Führungsstil des 59-Jährigen geht auch der Kölner Stadt-Anzeiger ein: "Barroso war zögerlich, Juncker drückt aufs Tempo. (...) Schon zu Weihnachten will er ein Investitionspaket über 300 Milliarden Euro präsentieren. Das ist ehrgeizig. Und riskant, denn noch ist die Finanzierung offen. Aber Juncker will was bewegen. Das ehrt ihn. Barroso war eher ein Technokrat, Juncker will ein politischer Präsident der EU-Kommission sein. Was das bedeutet, musste (…) Handelskommissarin Cecilia Malmström erfahren. Der Befürworterin von Schiedsgerichten wurde in den Freihandelsgesprächen mit den USA flugs die Zuständigkeit über Investorenschutz entzogen. Barroso war konsensorientiert, Juncker ist konfliktstark. Sein Versprechen lautet: Europa wieder in Bewegung setzen. Stillstand gab es auch lange genug".
Weniger euphorisch meldet sich die Märkische Oderzeitung aus Frankfurt an der Oder zu Wort: "Den großen Wurf freilich wird auch Juncker nicht aus der Tasche zaubern können, und er sollte diesbezüglichen Erwartungen an ein großartiges Investitionsprogramm entgegentreten. Es ist ja nicht Liquidität, die in Europa angesichts der Null-Zins-Politik der EZB fehlt, sondern das Vertrauen in verlässliche und effiziente Strukturen. Auf solche hinzuwirken, den Wandel voranzutreiben und zu moderieren, wird von Brüssel viel Kraft verlangen".
Dass der künftige EU-Kommissionspräsident bessere Voraussetzungen mitbringt, als der scheidende, José Manuel Barroso, glaubt die Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung: "Zu den wirklich großen Herausforderungen gehören (…) nicht nur die Probleme, die von außen an die Gemeinschaft herangetragen werden, sondern auch die Eigensinnigkeiten und Rivalitäten im Inneren. Dafür ist Juncker zweifellos ein guter Mann. Man kann nur hoffen, dass dies auch für seine nunmehr bestätigte Mannschaft gilt".
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de