Pressestimmen

Ausmusterung des G36 Gewehrs "Ein Schuss aus der Hüfte"

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Die Tage des G36 bei der Bundeswehr sind gezählt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sieht für die Waffe "keine Zukunft" mehr und reagiert auf die Mängel des Sturmgewehrs. Hersteller Heckler & Koch droht mit Klage, von der Leyens Amtsvorgänger Thomas de Maizière sieht sich in der Bredouille und die Presse erkennt in der Entscheidung der Ministerin ein klares, politisches Kalkül.

Von der Leyens Entscheidung gegen das G36 sei "gewissermaßen ein Schuss aus der Hüfte", verbildlicht die Mittelbayerische Zeitung aus Regensburg. Ohne die genauen Ergebnisse ihrer Arbeitsgruppe abzuwarten, mustere sie das Gewehr eigenmächtig aus. Sie tue dies wohl auch, "um nicht weiter von der Affäre belastet zu werden. Sie will nicht, dass an ihrem Ruf als entschlossene Reformerin des verkrusteten Wehrressorts gekratzt wird - und sich schon gar nicht ihre weitere Karriere zerschießen lassen".

"Die Soldaten im Einsatz brauchen eine Waffe, auf die sie sich jederzeit und unter allen Umständen verlassen können", verlangt der Mannheimer Morgen. Dadurch, dass Ursula von der Leyen das G36 aussortiert, zeige sich die Ministerin "der Öffentlichkeit als konsequent handelnde Macherin". Anders als ihre Vorgänger würde sie Probleme nicht verdrängen und schönreden. Den "Schwarzen Peter" würde sie dabei ihrem Vorgänger und Parteifreund Thomas de Maizière zuschieben. "Manches aber lässt von der Leyen offen und offenbart damit auch ein Stück weit ihre eigene Konzeptlosigkeit: Welche Alternativen zum G 36 gibt es überhaupt? Und wie schnell stehen diese zur Verfügung?"

De Maizière als Sündenbock hinzustellen würde "von der Leyen ins Konzept passen", bestätigen die Westfälischen Nachrichten aus Münster. Die Ministerin sei in der Defensive und müsse aufpassen, dass "die 'Lach- und Sachgeschichten' über das G36 nicht an ihr haften bleiben". Den Vorgänger für die aktuellen Rüstungsprobleme der Bundeswehr verantwortlich zu machen, könnte sie "aus der Affäre ziehen", so das Blatt weiter. "Das ist zwar nicht die feine Art, aber der beste Weg, um ohne Ansehensverlust davonzukommen."

Die Nürnberger Nachrichten sehen Ursula von der Leyen dort angekommen, wo schon ihre Amtsvorgänger ins Straucheln kamen: "im Sumpf der verpfuschten Rüstungsprojekte". Die Zeitung erhofft sich nicht nur Antworten von einem Untersuchungsausschuss, sondern stellt Ursula von der Leyen vor die Frage, ob sie ihrer "Sorgfaltspflicht gegenüber den Soldaten" nachgekommen sei. "Männer und Frauen in das umkämpfte und heiße Afghanistan mit einem Gewehr zu schicken, von dem bekannt ist, dass es bei hohen Temperaturen nicht trifft, ist grob fahrlässig", lautet das Urteil der Zeitung.

Der Berliner Zeitung zufolge verdeckt das Hin und Her um die G36 das tatsächliche Problem: Den Ausrüstungszustand der Bundeswehr. "Vor lauter Problemen wirkt ein etwas schief schießendes Gewehr schnell wie kabarettfähiger Kleinkram. Tatsächlich ist es einer der zentralen Ausrüstungsgegenstände der Soldaten." Thomas de Maizière sei mitverantwortlich für diese Situation und müsse nun um sein Ansehen bangen. "Angela Merkel wird ungern auf ihren Vertrauten de Maizière verzichten. Aber er wird seine Zögerlichkeit gut erklären müssen."

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung versucht das Problem in einem größeren Zusammenhang zu sehen. "Vor zwanzig Jahren, als das G36 in der Truppe eingeführt wurde, hat sich freilich noch keine(r) so recht vorstellen können und schon gar nicht wollen, dass deutsche Soldaten einmal ausgedehnte Feuergefechte in den Wüsten Afghanistans führen müssten." Damit bezieht sich die Zeitung auf das Gutachten, laut dem die Trefferquote des G36 bei hohen Temperaturen bei zum Teil nur sieben Prozent liegt. Neue Einsatzgebiete erfordern folglich neue Waffen. Die Lehre daraus, so die Zeitung weiter, sollte darin bestehen zukünftig "über die sich ändernden Einsatzszenarien und die Folgen für die Ausrüstung nachzudenken, als das übliche Wer-wusste-was-wann zu spielen."

Zusammengestellt von Katja Belousova

Quelle: ntv.de

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