Pressestimmen

Schuldenstreit mit Griechenland "Es gibt keine gute Lösung mehr"

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Im Euro-Schuldenstreit mit Griechenland gibt es trotz eindringlicher Mahnungen von allen Seiten keine Aussicht auf eine Lösung: Auch die Gespräche der Euro-Finanzminister gehen ohne Einigung zu Ende. Griechenland verhandelt seit Monaten mit seinen internationalen Geldgebern über die Bedingungen für die Auszahlung ausstehender Finanzhilfen von 7,2 Milliarden Euro. Streit gibt es vor allem über von den Gläubigern geforderte Einschnitte bei den Renten und die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Bis das griechische Hilfsprogramm Ende Juni ausläuft, bleiben nur noch wenige Tage. Dann droht Griechenland der Staatsbankrott. Die Sitzung der Eurogruppe in Luxemburg war das letzte planmäßige Treffen der Finanzminister der Währungsunion vor dem Ende des Hilfsprogramms. Lässt sich der Schuldenstreit jetzt überhaupt noch lösen? Welche Alternativen gäbe es? Und was ist falsch gelaufen? Die Presse diskutiert.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat offenbar wenig Vertrauen in die Staatsführung Griechenlands: "Der Satz 'Scheitert der Euro, dann scheitert Europa' ist in Athen als Garantie dafür interpretiert worden, dass Merkel es keinesfalls zum Grexit kommen lassen werde. Ob aber die griechische Regierung, die selbst eine drastische Sprache bevorzugt, die leisen Signale des Weglassens versteht? Die Kanzlerin hätte deutlich sagen müssen, dass die vereinbarten Bedingungen für die ausstehende Hilfe unverhandelbar sind. Doch wollte sie sich auch so festlegen? Diese Auslassung bewahrt der deutschen Regierungschefin Spielraum für die Eins-vor-zwölf-Verhandlungen. Erfahrene Europapolitiker wüssten das zu deuten und zu nutzen. Die Geisterfahrer in Athen aber könnten so lange auf dem Gaspedal bleiben, bis nur noch der Kofferraum aus der Wand herausragt."

"Es geht nicht darum, Griechenland fallen zu lassen", schreibt der Tagesspiegel. Denn am Ende müssten die Europäer Griechenland im Fall eines Grexits erst recht unterstützen, "um die dann drohenden wirtschaftlichen Verwerfungen auszugleichen". Und so stellt sich die Zeitung aus Berlin die Frage, ob es nicht "ehrlicher" sei, "Entwicklungshilfe für Griechenland zu leisten, als die Regeln für den Euro permanent politisch so zurechtzubiegen, damit das Land weiter der Währungsunion angehören kann". Die Antwort: "Es gibt für Griechenland und seine EU-Partner keine gute Lösung mehr. Vielleicht ist der Grexit doch nicht die schlechteste."

Für die Wetzlarer Neue Zeitung steht fest: "Ein Schuldenerlass ist notwendig, weil der Schuldenberg wie Blei auf einem Neustart in Athen liegt". Das Blatt aus Hessen vertritt die Ansicht, dass alle Beteiligten ein Interesse daran haben müssten, dass Griechenland wieder auf die Beine kommt. Und dennoch wäre "ein Grexit die automatische Folge, wenn man eine Kettenreaktion in Europa verhindern" wolle: "Iren, Spanier oder Portugiesen könnten ja dieselbe Sonderbehandlung verlangen. Das würde zu weit größeren Verwerfungen in Europa führen, als wenn ein Land der EU seine Währung austauscht".

Die Berliner Zeitung schlägt vor: "Statt auf weiteren Einschnitten zu beharren, könnten EU, EZB und IWF Griechenland beim Aufbau effektiv arbeitender Behörden und eines menschenfreundlichen Steuersystems helfen." Die internationalen Gläubiger sollten nach Ansicht des Kommentators darauf bestehen, "dass die Zeit, die Athen durch weitere Umschuldungen erhält, konsequent auf das Erreichen dieser Ziele verwandt wird. Und dass zumindest ein Teil des Geldes, das man bewilligt, auch dort ankommt, wo es benötigt wird, nämlich bei den Menschen". Nur unter diesen Voraussetzungen könnte Griechenland zu Beschäftigung, Wachstum und Wohlstand zurückkehren und irgendwann sogar seine Schulden abtragen.

Das Handelsblatt aus Düsseldorf sucht nach den Ursachen des Dilemmas - und stellt sich die Frage, was alle Beteiligten am Ende aus dem Drama lernen. Die Antwort: "Alle Fragen weisen zwangslogisch auf die rechtliche Verfassung dieses Europas, auf ein Vertragswerk, das keine ausreichenden Sanktionen bei Fehlverhalten einschließt, erst recht keinen Ausschluss von Delinquenten, und das mit keiner Insolvenzordnung für Staaten verbunden ist. Bei Unternehmen und Privatpersonen, die sich in Schulden verlieren, ist die Bewältigung der Irrfahrt klar geregelt. Eine entsprechende Regelung für Misswirtschafts-Staaten fehlt. Zum Versagen der politischen Klasse gehört, dass dieser Fehler schon vor fünf Jahren, zu Beginn der Griechenland-Krise, erkannt wurde. Merkel gehörte 2010 zu den Wortführern".

Zusammengestellt von Susanne Niedorf

Quelle: ntv.de

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