Pressestimmen

Treffen mit Helmut Kohl "Für Orban sind die Bilder unbezahlbar"

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(Foto: picture alliance / dpa)

Das Treffen zwischen Altkanzler Kohl und dem ungarischen Premier Viktor Orban ist eigentlich ein Treffen zweier alter Freunde - und schlägt dennoch hohe Wellen. Eine gemeinsame Erklärung soll die Wogen glätten - allerdings werten die meisten Zeitungen den Besuch Orbans als falsches Signal. Auch wenn Merkel selbst das Treffen als "nützlich" bezeichnet, sehen die Kommentatoren die Kanzlerin von ihrem ehemaligen Förderer Kohl brüskiert.

Die Westfälischen Nachrichten aus Münster kritisieren, das Treffen zwischen Helmut Kohl und dem ungarischen Premier nutze vor allem Einem: "Für Viktor Orban sind die Bilder mit Helmut Kohl unbezahlbar." Für seinen nationalistischen Kurs in Ungarn habe Orban nun die Weihen eines überzeugten Europäers erheischen können. Das sende auch ein Signal an die Öffentlichkeit: "Der Kanzler der Einheit stellt Orban für seinen Anti-Europa-Kurs auch noch einen Persilschein aus." Das schade auch dem Ansehen Kohls, so die Zeitung: "Er hat sich und seinen Überzeugungen einen Bärendienst erwiesen. Wer will jetzt noch hinhören, was er zu Europa zu sagen hätte."

Der Trierische Volksfreund geht sogar noch weiter und sieht in dem Treffen einen Verrat an der Kanzlerin: "Helmut Kohl fällt ihr in den Rücken", schreibt das Blatt. Mit seiner Warnung vor Alleingängen meine der Altkanzler Angela Merkel, die sowohl bei der Euro-Rettung als auch in der Flüchtlingsfrage vor allem gegen Orban Führungskraft bewiesen habe. Eine einheitliche Haltung habe es in Europa nicht gebeben, kritisiert das Blatt aus Trier: "Schon gar nicht eine einheitlich humane".

Gelassener geht die Volksstimme mit Kohls Einladung an den ungarischen Premier um. "Warum die ganze Aufregung um das Beisammensein in Oggersheim?", fragt die Magdeburger Zeitung und verweist auf die Haltung Merkels: "Die Kanzlerin bezeichnet das Treffen von Kohl mit Orban als nützlich, die Gesprächspartner sehen sich nicht im Widerspruch zu Merkel". Man dürfe nicht vergessen, schreibt die Zeitung, dass Orban als größter Merkel-Kritiker gern gesehener Gast bei konservativen Größen in Deutschland sei. Allerdings sei auch Kohl nicht verborgen geblieben, dass Merkel angreifbar geworden sei: "Mit seiner Einladung hat er das Seinige dazu getan".

"Geht es nicht eine Nummer kleiner?" fragt auch das Straubinger Tagblatt angesichts des Treffens zwischen Orban und seinem Förderer aus Kanzlerzeiten, Helmut Kohl. "Gestern haben sich ein amtierender Regierungschef und ein früherer Regierungschef getroffen, die sich seit einem Vierteljahrhundert kennen". Die Zusammenkunft sei im Vorfeld zum "Fanal von Oggersheim" gemacht worden, so das Blatt.

Die Münchner Abendzeitung sieht das Problem ebenfalls in der medialen Berichtserstattung über derartige Treffen: "Das Bohei reiht sich ein in eine Skandalisierung von persönlichen Treffen, die nicht selten jedes Maß verliert - wie bei Seehofers Liebesgrüßen in Moskau." Die Medien hätten im Vorfeld suggeriert, so die Zeitung, bei dem Treffen ginge es um mehr: "Einen Frontalangriff auf Merkels Politik! Kohls letztes Gefecht!" Derartiges Geschrei und eine Analysenschwemme verliehen solchen Begegnungen eine übertriebene Bedeutung, "die ihnen nüchtern betrachtet nicht zusteht." Der politische Diskurs werde infantilisiert, kommentiert das Blatt aus München.

Zusammengestellt von Judith Günther

Quelle: ntv.de

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