Pressestimmen

EU berät über Sanktionen "Schizophrener Umgang mit Libyen"

Während die Gewaltexzesse in Libyen mit unverminderter Brutalität weitergehen, diskutieren die EU-Länder über mögliche Sanktionen. Besonders der erst jetzt erfolgte dringende Ruf nach einem Waffenembargo offenbart für die Presse das widersprüchliche Verhalten der EU gegenüber dem nordafrikanischen Staat.

In Bengasi demonstrieren Tausende Gaddafigegner.

In Bengasi demonstrieren Tausende Gaddafigegner.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

"Die Europäische Union 'berät' darüber, Konten von Mitgliedern der libyschen Führung zu sperren (während die 'Finanzoase' Schweiz dies längst getan hat)." Die Frankfurter Rundschau kann es kaum fassen, dass erst jetzt von einem Waffenembargo die Rede sei: "Bis gestern hätten sich Gaddafis Schergen ihr Schießzeug theoretisch in Europa kaufen können. 'Jetzt wird gehandelt', sagt Guido Westerwelle, und in diesem Fall sind ihm die Daumen zu drücken. Seine erfreulich deutlichen Worte sind ein Anfang. Mal sehen, was an Taten folgen kann. Ganz machtlos kann der Außenminister des größten EU-Landes und derzeitigen Mitglieds im UN-Sicherheitsrat nicht sein. Hoffentlich."

Auch die Westfälischen Nachrichten kritisieren die Rüstungspolitik der EU: "Dass die EU - und weit oben auf der Liste steht Deutschland - offenbar wieder ganz legal Waffenexporte an den Wüsten-Despoten genehmigt hat, nun aber in Berlin lauthals nach Waffenembargos gerufen wird und die EU mit empörter Attitüde Sanktionen verhängt, entlarvt die ganze Schizophrenie im Umgang mit Libyen. Auch wenn Gaddafi sich offiziell vom internationalen Terrorismus losgesagt hat, war immer klar, dass man seinen Schergen besser keine Waffen an die Hand geben sollte."

Während Gaddafi in Libyen zum Gegenschlag ausgeholt hat, nimmt die diplomatische Maschinerie langsam Fahrt auf, kann aber nach Meinung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zweierlei nicht verbergen: "Den meisten Staaten geht es - legitimerweise - in erster Linie darum, ihre Staatsbürger heil aus dem nordafrikanischen Land herauszuholen; dazu wollen sie die Rettungsmaßnahmen koordinieren." Außerdem sei es möglich, "dass die Schnelle Einsatztruppe der Nato nun zu ihrem ersten richtigen Einsatz kommt." Allerdings müssten die Entscheidungen schnell gefällt werden, denn "je wütender das Regime um sich schlägt, desto misslicher wird die Lage auch für Ausländer. Vielleicht gelingt es ja auch der EU, ihre Mittel zu mobilisieren. Dass der Nato-Generalsekretär die EU-Verteidigungsminister dazu ermuntern musste, spricht Bände."

Die Ostsee-Zeitung hält nichts davon, militärisch zu intervenieren, da die Fronten zwischen Regimegegnern und Gaddafitreuen zu unübersichtlich seien. Daher wäre ein Militäreinsatz "ein Spiel mit dem Feuer. Der Westen liefe nicht nur Gefahr, die libysche Revolution zu delegitimieren. Er wäre wohl oder übel verantwortlich für das Schicksal des Landes nach Gaddafis Sturz. Doch weder haben Nato und UNO einen Plan für die Zeit danach noch können sie es sich leisten, Fehler wie in Afghanistan oder im Irak zu wiederholen. In beiden Fällen haben jahrelange Bürgerkriege die Alliierten überfordert und die Bevölkerungen der mittelasiatischen Staaten ausgezehrt. In Libyen könnte ein ähnliches Szenario drohen."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki

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