Klage Bayerns gegen VW "Söder bringt Niedersachsen in Bredouille"
02.08.2016, 20:03 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Bayerns Finanzminister Söder will die Verluste des landeseigenen Pensionsfonds mit einer Schadenersatzklage gegen den VW-Konzern ausgleichen. Durch diesen Schritt hat die deutsche Presse jetzt besonders die niedersächsische Landesregierung im Fokus.
Der Diesel-Skandal zieht einen ungeheuren Rattenschwanz nach sich. Jetzt mischt sich Bayerns Finanzminister Söder mit einer Schadenersatzklage gegen den VW-Konzern ein. Dadurch steht plötzlich die niedersächsische Landesregierung im Fokus - doch die schweigt bisher. Die deutsche Presse befürwortet Söders Vorgehen, auch wenn die geforderte Summe nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" fordert die niedersächsische Landesregierung dazu auf, Söders Beispiel mit einer Schadensersatzklage zu folgen. Niedersachsen sei zweitgrößter Aktionär von VW; Ministerpräsident Weil und sein Finanzminister säßen im Aufsichtsrat. "Was aber macht das Land aus seiner privilegierten Position in der größten Krise der Unternehmensgeschichte? So gut wie nichts. ... Der bodenständige Weil sollte es hassen, wie er vom Management und der Familie an der Nase herumgeführt wird. Sie wissen, dass sie ihn an der Leine haben: Denn Weils erzwungener Langmut hat damit zu tun, dass Niedersachsen an nichts mehr Interesse hat als an einer ruhigen und stetigen Geschäftsentwicklung bei Volkswagen." Gerade deshalb "sollte das Land sich wie ein normaler Aktionär verhalten - und seine Rechte mit allen Mitteln einfordern".
Auch die Mediengruppe "Straubinger Tagesblatt"/"Landshuter Zeitung" weist daraufhin, dass die Landesregierung jetzt im Zugzwang steht. "Mit seiner Klage gegen VW bringt Söder die rot-grüne niedersächsische Landesregierung in die Bredouille. Denn Niedersachsen ist der zweitgrößte Einzelaktionär bei VW und hat bisher Fragen nach einer Schadenersatzklage gegen den im Lande ansässigen Konzern abgewiegelt. Wenn Bayerns Finanzminister argumentiert, dass er 'rechtlich in der Verpflichtung' sei, Schaden von dem staatlichen Fonds abzuwenden, dann muss sich die Landesregierung in Hannover auf neue kritische Fragen nach dem Umgang mit dem Staatsvermögen einstellen."
Nach Meinung der "Berliner Zeitung" kommt dank Söder aber vor allem der eigentliche Sachverhalt, nämlich die Verstrickung von Politik und Industrie, ans Licht. "Der SPD und den Grünen eins auszuwischen, ist das eine. Doch Söder lenkt zugleich die Aufmerksamkeit auf eine zentrale Frage des VW-Skandals: auf die Verstrickung der Politik mit dem Volkswagen-Konzern im Besonderen und der Autoindustrie im Allgemeinen. Gut so. Längst ist offensichtlich, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU - zurückhaltend formuliert - mit Wohlwollen gegenüber VW die Aufklärung des Skandals angegangen ist. Klar ist auch, was dahinter steckt: Insbesondere Dobrindt und viele Bundes- und Landespolitiker haben Angst vor den Verwerfungen, die eine gründliche Aufarbeitung der Tricksereien und Betrügereien von Volkswagen sowie mutmaßlich anderer deutscher Autobauer nach sich ziehen könnten."
Doch bei Söders Forderung handele es sich lediglich um einen Symbolakt, meint die "Nürnberger Zeitung". "Die geforderten 700.000 Euro machen den für die bayerischen Staatsdiener angelegten Pensionsfonds nur unwesentlich ärmer oder reicher. Aber es geht nicht um die Höhe der Forderung, die ein Vorstandsmitglied als dürftiges Jahressalär ablehnen würde, sondern um die Symbolwirkung. Wenn ein ganzes Bundesland den Weg zum Kadi antritt, dann werden es sich die Staatsjuristen schon gut überlegt haben, könnte sich manch ein geschundener VW-Aktionär denken."
Die "Rheinpfalz" unterstützt das Vorgehen Bayerns und räumt mutmaßliche Hintergedanken aus dem Weg. "Man muss kein Mitleid haben, dass es für VW so knüppeldick kommt: Der Abgasskandal basiert auf vorsätzlichen Software-Manipulationen, in die womöglich höchste Konzernkreise eingeweiht waren. Dies nennt man Betrug - an Kunden, der Öffentlichkeit, der Umwelt. Dass Bayern Schadenersatz will, so wie es der norwegische Staatsfonds per Klage vorgemacht hat, ist rechtlich nachvollziehbar. Dass man zugleich dem Audi-Konkurrenten BMW einen Vorteil verschaffen will, ist nur eine Verschwörungstheorie. Denn die VW-Tochter Audi in Ingolstadt ist ja auch ein Unternehmen, auf das man in Bayern stolz ist - und das man so schwächen würde."
Zusammengestellt von Stefanie Rosenthal
Quelle: ntv.de