Pressestimmen

Winterkorn bleibt VW-Vorstandschef "Und jetzt business as usual?"

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Der Machtkampf bei VW ist erst einmal beigelegt. Martin Winterkorn bleibt Vorstandschef. Patriarch Ferdinand Piëch kann seinen Willen vorerst nicht durchsetzen und muss sich mit der Entscheidung arrangieren. Winterkorns Image ist beschädigt, Piëchs Nimbus verblasst. Geschadet hat die Debatte vor allem dem Unternehmen. Die Presse kann keinen klaren Sieger der Auseinandersetzung ausmachen.

Der Streit bei VW habe "Soap-Qualitäten" gehabt, schreibt die Welt. "Auch die unerwartete Bestätigung von Martin Winterkorn als Vorstandschef und die in Aussicht gestellte Vertragsverlängerung hätte aus der Feder eines guten Drehbuchautors stammen können." Sogar einen "Cliffhanger" gebe es, "denn das Drama um die Macht bei Deutschlands größtem Autobauer ist nicht beendet." Dabei gehe es bei dem Streit der Konzernspitzen um mehr als nur "Eitelkeiten", denn VW sei "das wichtigste Unternehmen der wichtigsten Branche dieses Landes". Die Frage danach, wie VW weiterhin erfolgreich bleibt, betreffe nicht nur Winterkorn und Piëch, sondern sei "für Millionen Menschen existenziell".

Die Heilbronner Stimme sieht den Imageschaden vor allem auf Seiten Ferdinand Piëchs. "Nach diesem Fiasko sollte eigentlich Ferdinand Piëch seinen Hut nehmen - oder gar abgelöst werden. Er hat als Vorsitzender des Aufsichtsgremiums versagt", kommentiert das Blatt. Dem Patriarch sei es nicht gelungen, sich und seinen Argumenten eine Mehrheit zu verschaffen. Anders als bei der Absetzung von Winterkorns Vorgänger Pischetsrieder, sehe es nicht danach aus, dass Piëch seinen Willen doch noch bekommen wird. "Mit seiner unnötigen Attacke hat er dem Unternehmen geschadet, obwohl es zur Bewältigung von einigen Problemen Ruhe bräuchte." Die Unruhe, die er in die Belegschaft gebracht hätte, würde "anhalten, solange er noch auf seinem Stuhl sitzt. Wenn ihm Volkswagen also wirklich wichtig ist, sollte er gehen."

Piëchs "krachende Niederlage", erkennt auch die Mittelbayerische Zeitung aus Regensburg an. Trotzdem sei es "übertrieben" von einem Sieg Winterkorns zu sprechen. Sein Verbleib als Vorstandschef sei nichts weiter als ein "Etappensieg", der "sein Überleben an der Spitze vorerst gesichert". Auch Winterkorn habe Macht eingebüßt, das sei nicht mehr aufzuhalten "seit den giftigen Worten seines Chefaufsehers".

Auf die Auswirkungen für Winterkorns Führungsstil konzentriert sich die Berliner Zeitung. Das Blatt fragt sich, ob nach dem, was "als Machtkampf bei VW tituliert wurde", wieder zur normal Tagesordnung übergegangen werden kann. "Und jetzt business as usual? Soll Winterkorn nun wirklich versuchen, die Fehler auszubügeln, die im US-Geschäft mit einer völlig falschen Modellpolitik gemacht wurden?" Das sei eher nicht anzunehmen. Winterkorn sei trotz seiner Vertragsverlängerung "eine lahme Ente". Jeder Pförtner bei VW sei sich dessen bewusst. "So ein Chef kann keinen grundlegenden Umbau mehr angehen", stellt die Zeitung fest.

Der Tagsspiegel - das Konkurrenzblatt aus der Hauptstadt - urteilt, Piëch hätte VW einen "doppelten Dienst erwiesen". Einerseits, weil der Lack der alten Eliten nun angekratzt sei. "Seine Machtfülle wird kleiner werden und Winterkorns Management angreifbar sein. Jüngere Männer, etwa der künftige VW-Markenchef Diess oder Lkw-Vorstand Renschler, werden das Unternehmen künftig stärker prägen." Andererseits habe der Streit den Finger in die Wunde des Konzerns gelegt und seine Schwachstellen offengelegt. "Schwächen wie die schlappe Produktivität von VW, der Rückstand auf dem US-Markt, das fehlende Billig-Auto oder die Zentralisierung wichtiger Prozesse und Entscheidungen, sind nun für alle sichtbar." Es sehe so aus, als hätte Piëch mit seiner Kritik an Winterkorn versucht, seinen Job als Aufsichtsrat des Unternehmens zu tun. "Sympathisch muss einem der Autokrat deshalb nicht sein."

Obwohl die VW-Führung durch den Streit destabilisiert sei, ergeben sich jetzt neue Chancen, erklärt der Kölner Stadtanzeiger. "Die Chance, dass sich aus dem aktuellen Vakuum heraus nämlich in dem Unternehmen endlich die Führungsstrukturen entwickeln, die dem global agierenden Konzern mit seinen zwölf Marken entsprechen." Als Konsequenz sollten die VW-Marken "weniger hierarchisch, weniger auf einzelne Personen zugeschnitten, sondern erheblich dezentraler werden."

Zusammengestellt von Katja Belousova

Quelle: ntv.de

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