Obamas Alleingang "Wenn einer nichts mehr zu verlieren hat"
21.11.2014, 20:30 Uhr
Barack Obama reformiert quasi im Alleingang das Einwanderungsrecht der USA. Per Dekret schützt er Millionen illegale Einwanderer vor der Abschiebung. Die Republikaner beben vor Wut - es droht eine neue Verfassungskrise. Die Presse diskutiert.
Der Reutlinger General-Anzeiger befürwortet Obamas Vorstoß auf ganzer Linie: "Obamas Verhalten ist aber nicht nur wahltaktisch klug, sondern auch unter humanitärem Gesichtspunkt richtig. Er verteilt keine Almosen. Er gibt den Menschen, die sich schon länger gesetzeskonform in den USA aufhalten und oft im Niedriglohn-Sektor ausgebeutet werden, ein Mindestmaß an Sicherheit. Und er sorgt dafür, dass Familien nicht auseinandergerissen werden. Damit beweist Obama, dass er ein verantwortungsvoller Präsident ist und eben keine 'Lame Duck'."
Auch die Märkische Oderzeitung begrüßt die Reform des US-Einwanderungsrechts: "Wenn einer nichts mehr zu verlieren hat, tut er manchmal erst das Richtige. Barack Obamas Neufassung der Einwanderungsregeln gehört wohl in diese Kategorie. Seine Zustimmungswerte liegen am Boden, die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses ist weg - da überrascht der US-Präsident mit einem Alleingang, indem er per Dekret Millionen illegalen Einwanderern mit einem Schlag einen sicheren Aufenthaltsstatus verschafft und deren Leben aus der Grauzone holt." Doch auch wenn der Schritt in der Sache gerechtfertigt und zudem längst überfällig sei, gibt die Zeitung zu bedenken: Obama wird mit seinem Vorpreschen "einen neuen Verfassungskonflikt heraufbeschwören und die zarten Hoffnungen auf eine Mäßigung des innenpolitischen Klimas zunichtemachen."
"Barack Obamas Alleingang beim Thema Einwanderung gefährdet die Zusammenarbeit mit dem neu gewählten Kongress", kommentiert auch die Badische Zeitung Obamas Vorgehen. Außerdem habe der US-Präsident sich durch seine bisherige Strategie angreifbar gemacht. Dass er dennoch handelt, sei "nicht nur mutig, sondern auch gut". Inhaltlich sei die Kritik der Opposition nicht ernst zu nehmen: "Das Geschrei vom Verfassungsbruch entbehrt jeder Grundlage, nicht einmal konservative Juristen wollen das bestätigen."
Die Welt lobt die Reform an sich, übt jedoch Kritik an der Methode: "Mehr als elf Millionen illegale Einwanderer leben derzeit in den USA. Ein Problem, das zu groß ist, um es zu ignorieren. Präsident Barack Obama hat deshalb einen Abschiebestopp für etwa fünf Millionen Illegale verkündet. Hauptziel ist es, Familien nicht auseinanderzureißen, wenn Eltern von Abschiebung bedroht sind, deren Kinder einen legalen Aufenthaltsstatus haben. Solche Amnestien sind eine heikle Angelegenheit in Rechtsstaaten, weil sie Gesetzen zuwiderlaufen. Obama ist es jedoch gelungen, in der Substanz eine angemessene Balance zu finden. Problematischer als der Inhalt ist die Methode, die Obama gewählt hat, um sein Versprechen gegenüber den Hispanics, einer Kern-Wählergruppe seiner Partei, zu erfüllen. Der Präsident handelt per Dekret und er überdehnt damit seine Machtbefugnisse."
Ganz anders klingt dies beim Kölner Stadt-Anzeiger: "Noch nie zuvor hat ein Präsident den Mut gehabt, so viele Menschen mit einem Federstrich aus dem Schatten ans Licht zu holen. Auch hat noch nie zuvor ein Präsident Ähnliches in einem politischen Klima unternommen, das durch und durch vergiftet ist." Es sei müßig, daran zu erinnern, dass Obama vor anderthalb Jahren noch verkündet habe, mit den Republikanern kooperieren zu wollen: "Das war - im Nachhinein gesehen - ein Ausweis von Naivität. Denn wie geht Zusammenarbeit mit einer Partei, die sich verweigert? Obama mag auch lange Zeit unterschätzt haben, wie beharrlich die von der radikal-populistischen Tea Party unterwanderten Republikaner an ihrem Obstruktionskurs festhalten würden. Nun ist das vorbei - und für die illegalen Einwanderer ist es eine gute Nachricht, dass sich diese Erkenntnis im Weißen Haus durchgesetzt hat. Es war höchste Zeit zu handeln - und Obama hat gehandelt."
Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.
Quelle: ntv.de