Frage aus dem Arbeitsrecht Darf ich E-Mails nach dem Urlaub ungelesen löschen?
10.08.2022, 10:26 Uhr (aktualisiert) Artikel anhören
Nach dem Urlaub würde manch einer am liebsten direkt alle beruflichen Mails ungesehen löschen. Erlaubt ist das allerdings nicht.
(Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn)
Sie haben 1499 ungelesene E-Mails: Wer nach dem Urlaub mit dieser Nachricht im beruflichen Postfach konfrontiert wird, denkt womöglich über radikale Maßnahmen nach. Alles löschen! Aber darf man das?
Es gehört mit zu den Gründen, warum es vielen Beschäftigten nach dem Urlaub vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz graut: Zum Teil liegen Hunderte oder gar Tausende ungelesene E-Mail-Nachrichten im Postfach, die es zu bearbeiten gilt. Dürfen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Leben einfach machen und Teile davon ungesehen löschen?
Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln, hat eine klare Antwort: "E-Mails sind betriebliche Kommunikation, die darf nicht einfach so gelöscht werden." Beschäftigte kommen also nicht umhin, die eingegangenen Nachrichten tatsächlich zu sichten.
Löschen ankündigen: Möglich, aber nur mit Zustimmung
Schließlich kann es immer auch um Aufträge oder wichtige Kundeninformationen gehen. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, verstößt gegen arbeitsvertragliche Pflichten und muss laut Oberthür im schlimmsten Fall mit arbeitsrechtlichen Sanktionen rechnen, etwa mit einer Abmahnung oder gar einer Kündigung.
Und wie sieht es aus, wenn Beschäftigte in ihrer Abwesenheitsnotiz darauf hinweisen, dass Mails, die während der Abwesenheit eingehen, bei Rückkehr ungesehen gelöscht werden? Eine solche Ankündigung gegenüber dem Empfänger sei möglich, sagt Oberthür. "Aber nur mit Zustimmung des Arbeitgebers." Andernfalls droht ebenfalls Ärger.
Grundsätzlich gilt: Wer ein überquellendes Postfach vermeiden will, klärt am einfachsten vor einer längeren Abwesenheit, wer während des Urlaubs die eingehenden E-Mails bearbeiten kann.
Wann der Chef Zugriff hat
Grundsätzlich ist es dem Arbeitgeber dann erlaubt, auf E-Mails mit dienstlichem Bezug während der Abwesenheit seines Mitarbeiters zuzugreifen und sie zu bearbeiten, wenn er grundsätzlich private E-Mails im Büro verboten hat.
Etwas anderes gilt, wenn der Chef private E-Mails in der Firma erlaubt hat - also private und berufliche Nachrichten ins Postfach einlaufen. Dann dürfen der Arbeitgeber und Kollegen in der Regel nicht einfach auf das Postfach zugreifen. Bei Verstößen gegen das Persönlichkeitsrecht oder gegen Datenschutzregelungen drohen dem Arbeitgeber Bußgelder. "Auch Schadenersatzforderungen des Arbeitnehmers sind bei Verstößen unter Umständen möglich.
Zur Person: Nathalie Oberthür ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 09. August 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, awi/dpa