Ratgeber

Baugeld für lau Countdown zum zinsfreien Baudarlehen

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Ein Häuschen im Grünen - ganz ohne Zinsen zu berappen?

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein Haus oder eine Wohnung finanzieren, ohne Zinsen auf den Kredit zu zahlen? Bis vor Kurzem war das eine Utopie. Doch die aktuelle Zinspolitik der Europäischen Zentralbank tut alles dafür, dass eben jenes Szenario Realität wird.

Vergangene Woche war die Sensation zum Greifen nah: Die erste Direktbank wies am 19. August auf ihrer Webseite nur noch 0,03 Prozent Zinsen für ein Baudarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung aus und lag damit nur noch um Haaresbreite über der Nulllinie. Kurz danach hob die Bank die Zinsen zwar wieder leicht an und zerstörte die Hoffnung auf das erste kostenneutrale Baudarlehen der deutschen Geschichte. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Spätestens nach der nächsten EZB-Zinsentscheidung werden Null-Prozent-Finanzierungen fast schon an der Tagesordnung sein. Zwar nicht am nächsten Tag, aber nach einigen Wochen.

Doch auch wer heute schon finanziert, kann sich über traumhafte Konditionen freuen. Die besagten kaum messbaren Zinsen von 0,03 Prozent etwa gab es vergangene Woche auch bei den Vermittlern. Ganz ohne Bearbeitungsgebühr oder versteckte Kosten. Was das für Sie bedeutet? Prüfen Sie es selbst mit dem Hypotheken-Vergleich der FMH-Finanzberatung.

Wer von den Angeboten profitiert

Zugegeben: Von den aktuell extrem günstigen Offerten profitieren erst einmal nur wohlhabende und gutverdienende Immobilienkäufer. Um in den Genuss eines fast kostenneutralen Darlehens zu kommen, mussten Kunden ein Mindestdarlehen von 400.000 Euro aufnehmen und durften maximal die Hälfte des Kaufpreises finanzieren. Außerdem musste das Darlehen während der Zinsbindungsfrist komplett getilgt sein, was bereits beim Mindestkredit eine monatliche Rate von 3333 Euro zur Folge hatte.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Wir von der FMH-Finanzberatung gehen davon aus, dass in der näheren Zukunft eine Nullprozent-Finanzierung keine Ausnahme mehr darstellen wird. Somit könnten bald auch Normalverdiener solche Kredite angeboten bekommen oder zumindest Offerten erhalten, die dem sehr nahe kommen.

Sollte die EZB wie erwartet die Strafzinsen auf bei ihr geparkte Kundengelder erhöhen - auf minus 0,5 oder 0,6 Prozent -, dann steigt der Druck auf die Banken, mit eben jenen Geldern zu arbeiten - und sei es, indem sie Darlehen zu Minizinsen vergeben.

Die Kalkulation der Banken

Damit die Bank in diesem schwierigen Umfeld doch noch eine Marge erzielt, muss der Zinssatz eines Darlehens etwa 0,5 bis 0,7 Prozentpunkte über der Rendite eines Pfandbriefes liegen. Aktuell rentiert der zehnjährige Pfandbrief mit minus 0,15 Prozent. Ein mit Pfandbriefen unterlegtes Immobiliendarlehen muss daher bei 60 Prozent Beleihung nur etwa 0,45 Prozent Zinsen einbringen, damit die Bank auf ihre Kosten kommt. Bei einer höheren Beleihung ist nochmals ein kleiner Zinsaufschlag notwendig. Alles in allem aber können Banken ohne Schmerzen 0,5 Prozent für zehn Jahre fest verlangen und damit sowohl Geld verdienen als auch die Kunden glücklich machen.

Und es ginge sogar noch günstiger, denn Sparkassen und Geschäftsbanken haben laut Bundesbankstatistik unvorstellbare zwei Billionen Euro in Zinsgeschäften bei den Banken liegen. Sehr oft zu null Prozent Zinsen. Würden sie diese Anlagegelder teilweise für die Baudarlehensvergabe einsetzen, könnten Nullzinsfinanzierungen bald schon fast zum Standard werden - erst recht angesichts der drohenden Strafzinserhöhung der EZB. Und wenn - was leider zu erwarten ist - auch die vielen Krisen weiter schwelen, vom Regierungsdrama in Italien über den Brexit bis hin zum Handels- beziehungsweise Währungskrieg zwischen China und USA, dann wird die Nachfrage nach Bundesanleihen weiter steigen und ihre Rendite wieder sinken.

Sollte die Große Koalition zudem das Haushaltsprinzip der schwarzen Null aufgeben und wieder mehr Staatsschulden in Kauf nehmen, könne sich der Effekt der Minusrendite länger halten - mit direkten Auswirkungen auf die Bauzinsen: Da Pfandbriefe der Entwicklung der Bundesanleihe mit einem Abstand von etwa 0,5 Prozentpunkten folgen, würden auch sie sich weiter verbilligen. Eine Finanzierung mit nur 10 Prozent Eigenkapitaleinsatz wäre dann für 0,25 bis 0,35 Prozent Zinsen bei zehn Jahren Zinsbindung möglich. Bis 60 Prozent Beleihung wären 0 Prozent dann schon fast selbstverständlich.

Die Talfahrt geht weiter

Angesichts dieser Entwicklung steht natürlich auch die Frage im Raum, ob Kunden über kurz oder lang Geld mit einer Finanzierung verdienen könnten, weil Kredite zu Minuszinsen zu haben sind. Theoretisch ist das sogar schon in den nächsten Wochen und Monaten denkbar. Wir von der FMH gehen aber nicht davon aus, dass es so schnell gehen wird.

Denn genauso, wie Banken derzeit die niedrigen Einstandssätze nicht direkt an die Kunden weitergeben, werden sie auch mögliche Minuszinsen nicht so schnell durchreichen. Dafür sprechen auch die sehr hohen Immobilienpreise, die zum Teil deutlich über dem errechneten tatsächlichen Immobilienwert liegen. Damit eine Bank in einer solchen Konstellation einen Kredit vergibt, muss sie gerade bei hohen Beleihungswerten auch weiterhin einen kräftigen Zinsaufschlag verlangen.

Vor diesem Hintergrund gilt auch weiterhin der Ratschlag, dass jeder, der aktuell kaufen will und kann, möglichst zeitnah zuschlagen sollte. Nicht ratsam ist es hingegen, wegen möglicher weiterer Zinssenkungen den Immobilienkauf zu verschieben.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Quelle: ntv.de

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