Ratgeber

Ein etwas anderer Hausbau Das Comeback der DDR-Platte

Es sieht aus wie auf einer normalen Baustelle, aber es ist keine. Denn der "Neubau" ist ein recyceltes Haus. Das Baumaterial stammt aus DDR-Zeiten, genauer aus Stahlbetonelementen demontierter Plattenbausiedlungen.

Ehepaar Kahrs aus Berlin hat sich auf ein Bauabenteuer der besonderen Art eingelassen. Ihr Haus ist das mittlerweile dritte Pilotvorhaben eines Forschungsprojektes der TU Berlin. "Überzeugt hat uns erstens, dass man ein schon vorhandenes Material wiederverwertet. Das war ein ganz gewichtiges Argument", erzählt Bauherr Horst Kahrs. Mit dem Baustil war das Ehepaar ebenfalls einverstanden. Zudem hat das Projekt einen nicht ganz unangenehmen Nebeneffekt. "Es ist von den Rohbaukosten deutlich billiger", freut sich Kars. "Ohne dieses Baumaterial hätten wir uns dieses Haus wahrscheinlich nicht leisten können."

Abriss und Aufbau

Was auf der Baustelle der Bauherren sorgsam aufgebaut und verdübelt wurde hat man ein paar Kilometer weiter in der Plattenbausiedlung Berlin-Hellersdorf abgebaut. Bis 2010 sollen im Osten mehr als 300.000 Plattenwohnungen abgerissen werden. Der Hintergrund: Es gibt keine Mieter mehr. Die demontierten Platten wurden bislang geschreddert.

Das ist viel zu schade und ökologisch eine Verschwendung, finden Bauingenieur Klaus Asam von der TU Berlin und Architekt Herv Biele. In einem vom Bund geförderten Forschungsprojekt haben sie die Wiederverwertbarkeit der Platte als Baumaterial ausgelotet. Der Beton ist viel besser als der Ruf der Platte. "Der Ausgangspunkt waren unsere Untersuchungen bei Sanierungen von Plattenbauten. Wir haben festgestellt, dass bei Teildemontagen die Platten sehr gute Qualität aufweisen", erklärt Klaus Asam vom Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken. Schnell war ein Konzept geschrieben, wie man statt Recyclingschotter zu produzieren die einzelnen Bauteile nochmals verwenden kann.

In der Prüfhalle und im Labor werden Festigkeit und Belastung der so genannten WBS-70er Deckenplatte getestet. Nur einwandfreie Qualität bekommt ein zweites Leben. Bei einem ersten Testhaus wurden dann die planerischen Möglichkeiten erprobt.

Kurze Bauzeit durch Trockenbau

Inzwischen stehen drei Pilothäuser, die Architekt Herv Biele vom Architekturbüro Conclus entworfen hat. Für das Recycling-Haus sprechen gleich mehrere Vorteile. "Es verkürzt die Bauzeit, weil das Haus quasi in einer Trockenbauweise entsteht, es ist ökologisch sinnvoll und der Bauherr spart Kosten", zählt Biele auf. Die Einsparungen liegen nach Schätzungen zwischen 20 und 25 Prozent.

Die Familie Kahrs ist jedenfalls mit dem bisherigen Ergebnis sehr zufrieden. "Ich bin richtig begeistert davon, wie es gelungen ist, mit diesen klaren Wänden und den großen Fenstern ein so kompaktes und schnörkelloses Haus zu bauen", findet Kahrs.

Noch ist das Bauen mit recycelten Platten in der Erprobungsphase. Probleme bereitet noch die Logistik, denn es fehlen Lagermöglichkeiten, um langfristig planen zu können. "Momentan läuft die Logistik "just in time". "Wir haben ein Spendergebäude, was uns die Wohnungsunternehmen oder das Abbruchunternehmen zur Verfügung stellen", so Asam. Mit den Schneideplänen geht es zur Abrissbaustelle. Die verwendbaren Betonplatten werden ausgewählt, nach den Bedürfnissen zugeschnitten und zur Remontagebaustelle transportiert.

900 bis 1000 Euro pro Quadratmeter werden in der Pilotphase für die Recycling-Bauweise veranschlagt. Das Niedrigenergiehaus der Kahrs schlägt mit etwa 180.000 Euro Baukosten zu Buche.

Quelle: ntv.de

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