"Meilenstein für Verbraucherschutz" EU will Provisionen streichen
20.10.2011, 17:24 UhrEin Finanzberater, der mehrere Firmen vertritt, ist nicht unbedingt unabhängig. Solange Provisionen fließen, können sich Kunden nicht sicher sein, dass wirklich nur ihr Wohl im Vordergrund steht. Die EU-Kommission will dem Provisionswesen jetzt ein Ende bereiten.

Von irgendwem müssen die Berater bezahlt werden: wenn nicht von den Firmen, die sie vertreten, dann von den Kunden.
(Foto: Benjamin Klack, pixelio.de)
Privatanleger sollen nach dem Willen der EU-Kommission besser vor den Risiken komplizierter Finanzprodukte geschützt werden: Damit sie nicht zu Anlagen gedrängt werden, die ihren Bedürfnissen nicht entsprechen, sollen Finanzberater keine Provisionen mehr bekommen dürfen, sondern Anlagen gegen Honorar vermitteln. Verbraucherschützer in Deutschland begrüßten den Vorschlag als "Meilenstein für Verbraucherschutz".
Konkret bedeuten die Vorschläge von Binnenmarktkommissar Michel Barnier, dass ein Finanzberater oder Portfoliomanager keine Provision von dem Anbieter eines Finanzprodukts bekommen darf, wenn er dies an seine Kunden verkauft. Damit will die Brüsseler Behörde sicherstellen, dass Finanzberater Verbrauchern bestimmte Finanzprodukte nicht deshalb verkaufen, weil sie selber daran verdienen. Unabhängige Berater müssten sich nach den Interessen und dem Profil ihrer Kunden richten.
"Die Krise hat uns unerbittlich vor Augen geführt, wie komplex und undurchsichtig bestimmte Aktivitäten und Produkte geworden sind", erklärte Barnier. "Das muss sich ändern." Die Vorschläge des Franzosen sind ein weiterer Schritt im Bemühen der EU, als Lehre aus der Finanzkrise Handelsplätze besser zu kontrollieren, Verbraucher zu schützen und Finanzprodukte zu überwachen.
Lob von Verbraucherschützern
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) lobte die Vorschläge als "Meilenstein für mehr Verbraucherschutz im Finanzmarkt". Da bei Finanzanlagen Beratung und Verkauf "nicht sauber getrennt sind, gibt es einen Interessenkonflikt, dessen Folge häufig Falsch- und Fehlberatungen sind", erklärte der vzbv. Der Kommissionsvorschlag biete allerdings für die Banken ein "Schlupfloch". Deshalb müsse das Provisionsverbot "für alle Finanzberater gelten, egal ob sie selbstständig oder für Kreditinstitute arbeiten".
Aus dem Europaparlament, das die Vorschläge nun berät und mit den EU-Staaten darüber entscheiden wird, kamen gemischte Reaktionen. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold warnte, das Provisionsverbot sei "lediglich ein Anreiz für Vermittler von Anlageprodukten, das Wort "unabhängig" von ihrer Visitenkarte zu streichen, um weiter Provisionen verdienen zu können".
Der SPD-Parlamentarier Udo Bullmann sagte, generell müsse über die Kompetenz der Berater und deren Wissen über die von ihnen verkauften Produkte diskutiert werden. Markus Ferber von der CSU begrüßte Barniers Vorschlag als "überlegenswerten Weg", weil die Kunden derzeit "nicht optimal" beraten würden. "Wenn Provisionen verboten werden, bedeute das im Gegenzug aber auch, dass der Kunde für die Beratung eine Rechnung kriegt."
Mehr Möglichkeiten für Regulierer
Neben einem besseren Anlegerschutz sieht die Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mifid) zudem vor, die Aufsichtsbefugnisse der Regulierungsbehörden auszuweiten und Verfahrensregeln für alle Handelstätigkeiten vorzugeben. Künftig soll etwa auch der computergesteuerte Hochfrequenzhandel besser kontrolliert werden.
Solche modernen Handelsformen haben nach Ansicht der EU-Kommission "zu einer gewaltigen Beschleunigung des Handels geführt und bergen potenzielle systemische Risiken". Beim Hochfrequenzhandel werden innerhalb von Sekunden automatisch unzählige Aktien ge- oder verkauft, wenn bestimmte Börsenentwicklungen eintreffen. Dadurch können gefährliche Abwärtstrends verstärkt werden.
Quelle: ntv.de, AFP