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Frage aus dem Arbeitsrecht Erkältet: Kann der Arbeitgeber mich nach Hause schicken?

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Wer erkältet ist, bleibt besser zu Hause. Ob man sich krankschreiben lässt oder nicht, ist dennoch nicht die Entscheidung des Arbeitgebers.

Wer erkältet ist, bleibt besser zu Hause. Ob man sich krankschreiben lässt oder nicht, ist dennoch nicht die Entscheidung des Arbeitgebers.

(Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Herbstzeit ist Erkältungszeit. Was gilt, wenn im Büro die Nase läuft? Darf der Chef dann verlangen, dass man zu Hause bleibt oder zum Arzt geht? Was Arbeitnehmer darüber hinaus bei einer Krankmeldung grundsätzlich beachten müssen, lesen Sie hier.

Das bisschen Schnupfen, die Arbeit wartet, Homeoffice ist nicht möglich - und der Corona-Test ist negativ: Nicht jeder bleibt wegen einer leichten Erkältung zu Hause. Ob das die Kolleginnen und Kollegen klug finden, ist eine andere Sache. Doch kann der Arbeitgeber eigentlich verlangen, dass man sich dann krankschreiben lässt?

Nein. Auch wenn man - schon allein um andere nicht anzustecken - besser nicht erkältet in die Werkhalle geht oder sich hinter die Kasse setzt, gilt: Der Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass man sich bei einer einfachen Erkältung krankschreiben lässt. Letztendlich entscheide immer der eigene Arzt, ob man arbeitsunfähig ist, sagt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg. Dass man überhaupt zum Arzt geht, könne der Arbeitgeber aber ebenfalls nicht verlangen.

Doch es gibt andere Möglichkeiten: "Will der Arbeitgeber vermeiden, dass sich Erkältungen im Betrieb verbreiten, kann er Beschäftigte auf eigene Kosten bitten, zu Hause zu bleiben", so Markowski. Der Lohn müsse in diesem Fall aber vom Arbeitgeber weiterbezahlt werden. "Er hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beschäftigten dafür Urlaub nehmen oder Zeitguthaben aufbrauchen."

Grundsätzliches zur Krankmeldung im Job

Wann muss der Arbeitnehmer sich krankmelden?

Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer "unverzüglich" mitteilen - das regelt das Gesetz. "Das Gebot der Höflichkeit führt dazu, dass man das schon frühzeitig tun sollte, damit der Arbeitgeber planen kann", sagt Markowski. "Aber spätestens vor dem üblichen Dienstantritt muss ich dem Arbeitgeber mitteilen, dass ich arbeitsunfähig bin."

Muss der Arbeitgeber wissen, was ich habe?

Nein. Es gilt grundsätzlich, zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit zu unterscheiden: "Wenn ich wegen meiner Krankheit meinen Job nicht mehr machen kann, bin ich arbeitsunfähig", erklärt Markowski. Welche Krankheit der Arbeitnehmer hat, muss der Arbeitgeber aber nicht wissen.

Auf welchem Weg muss sich der Arbeitnehmer arbeitsunfähig melden?

Das kann jeder Betrieb regeln, wie er will. Die erste Info des Arbeitnehmers ist aber oft formlos. Bei einem der größten deutschen Arbeitgeber, der Deutschen Bahn, sieht man das auch so, wie eine Sprecherin erklärt: In der Regel melden sich kranke Arbeitnehmer dort direkt bei ihrer Führungskraft. Das könne per Mail, Anruf oder SMS erfolgen, je nachdem, welche die üblichen Kommunikationswege im Team sind und was für den Mitarbeiter möglich ist. Anders ist es bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt: Die muss dem Arbeitgeber im Original vorliegen.

Wann muss die ärztliche Bescheinigung beim Arbeitgeber sein?

Arbeitgeber erhalten seit Januar 2023 die Daten zur Arbeitsunfähigkeit ihrer Angestellten von den Krankenkassen nur noch elektronisch. Das Ganze heißt eAU-Verfahren - "e" für "elektronisch", "AU" für "Arbeitsunfähigkeit". Bis Ende 2022 müssen auch alle Praxen, die die Patientendaten an die Kasse geben, auf das Verfahren umgestellt haben. Für Versicherte ergeben sich dadurch Änderungen.

Bislang sind Arbeitnehmer dazu verpflichtet, ihrem Arbeitgeber spätestens ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine AU-Bescheinigung ihres Arztes vorzulegen. Umgangssprachlich ist auch oft vom gelben Schein oder einer Krankschreibung die Rede. Eine Ausführung müssen sie zudem an die Krankenkasse weiterreichen.

Die Verpflichtung zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform ist zum 1. Januar 2023 weggefallen. Das gilt zumindest für alle, die gesetzlich versichert sind.

Beim eAU-Verfahren übermitteln Praxen noch am Tag des Arztbesuches die Bescheinigung elektronisch an die Krankenkasse, die die Daten künftig auch dem Arbeitgeber elektronisch zur Verfügung stellt. Was sich nicht ändert: Gesetzlich Krankenversicherte müssen weiterhin rechtzeitig zum Arzt gehen und die Erstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ermöglichen.

Was gilt für privat Krankenversicherte?

Für privat versicherte Beschäftigte ist derzeit keine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgesehen. In diesen Fällen müssen die Beschäftigten weiterhin die Krankmeldung in Papierform selbst vorlegen. Gleiches gilt für Privatärzte oder AU-Bescheinigungen aus dem Ausland.

Was passiert, wenn die Bescheinigung zu spät kommt?

Liegt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht rechtzeitig vor, darf der Arbeitgeber in diesem Zeitraum die Fortzahlung des Lohns verweigern. Wer zu krank ist, um zur Post zu gehen, sollte daher einen Boten schicken - etwa einen Freund oder Verwandten, der im Streitfall auch Zeuge sein kann. Denn es liegt "komplett im Risikobereich des Arbeitnehmers, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtzeitig beim Arbeitgeber ist", sagt Fachanwalt Markowski.

Wie muss ich mich verhalten, wenn ich krankgeschrieben bin?

Der Arbeitnehmer darf alles tun, was seine Genesung nicht verzögert und seiner Krankheit angemessen ist. "Wenn jemand einkaufen geht, muss das nicht heißen, dass er sich genesungswidrig verhält oder gar nicht arbeitsunfähig war", sagt Peter Mayer, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin. Das komme immer auf den konkreten Einzelfall an. "Wenn ich als Kraftfahrer tätig bin und den Arm gebrochen habe, kann ich meine Arbeitsleistung nicht erbringen, aber natürlich kann ich einkaufen gehen."

Sollte der Arbeitnehmer wieder zur Arbeit kommen, wenn er sich gut fühlt, aber noch krankgeschrieben ist?

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dokumentiert nur die vom Arzt erwartete maximale Dauer der Erkrankung. Wenn sich der Arbeitnehmer schon vorher fit fühlt, kann er auch zur Arbeit gehen. Laut Deutscher Bahn gibt es dabei aber Einschränkungen: Sollte der Arbeitgeber objektive Zweifel an der Arbeitsfähigkeit haben, könne und müsse er - insbesondere bei Tätigkeiten im sicherheitsrelevanten Bereich - eine betriebsärztliche Untersuchung anordnen, bevor der Arbeitnehmer zurück an den Arbeitsplatz kommen kann.

Kann Arbeitsunfähigkeit zur Kündigung führen?

Ja. "Arbeitsunfähigkeit ist ein klassischer Kündigungsgrund", sagt Arbeitsrechtler Peter Meyer. Es sei ein weitverbreiteter Irrtum, dass dem Arbeitnehmer nicht während und wegen einer Krankheit gekündigt werden könne. Aber die Anforderungen sind hoch. Für den Arbeitgeber darf es nicht mehr zumutbar sein, den Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. Diese sogenannte Zumutbarkeitsgrenze sehen Gerichte aber in der Regel erst überschritten, wenn der Arbeitnehmer drei Jahre in Folge mehr als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig war.

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Gilt das auch dann, wenn eine schwere Krankheit überstanden ist?

Nein. "Eine Kündigung ist nie eine Bestrafung für die Vergangenheit, sondern sie soll dazu führen, dass der Arbeitgeber vor unzumutbaren Belastungen in der Zukunft geschützt wird", sagt Markowski. Das gilt auch bei Krankheit, wie eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aus dem März 2017 (Az.: 2 Sa 158/16) zeigt. Die Kündigung einer Anlagenfahrerin war demnach nicht rechtmäßig - obwohl sie in vier Jahren 400 Tage gefehlt hatte. Dafür gab es aber ganz unterschiedliche Gründe, vom eingeklemmten Nerv bis zu psychischen Problemen. Für das Gericht war damit nicht absehbar, dass die Arbeitnehmerin in Zukunft krankheitsanfällig ist.

Quelle: ntv.de, awi/dpa

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