Fachkräftemangel Firmen sorgen für Nachwuchs
03.09.2007, 08:33 UhrEs ist noch gar nicht so lange her, da galt ein Ingenieurs-Studium als sicherer Weg in die Arbeitslosigkeit. Das war vor dem konjunkturellen Aufschwung. Inzwischen suchen Unternehmen händeringend nach Fachkräften: Vor allem Ingenieure, aber auch Informatiker und Maschinenbauer sind heiß begehrt.
"Wir könnten aus dem Stand 50 bis 100 Ingenieure einstellen", sagt Joachim Ohse, Personalleiter des Autozulieferers Benteler in Paderborn. Gleichzeitig suchten noch Ende Juli bundesweit 236.000 junge Menschen einen Ausbildungsplatz - bei 123.000 offenen Stellen. Angesichts fehlender Fachkräfte denkt manches Unternehmen um. Die Zusammenarbeit mit Schulen, mit auch Hauptschulen, soll Betrieben den Nachwuchs sichern.
Gefahr erkannt
"Schulpartnerschaften sind die stärkste Waffe, die wir gegen Jugendarbeitslosigkeit haben", sagt Herbert Sommer, Sonderbeauftragter für Berufsausbildung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen und ehemaliger IHK-Präsident. Der Mangel an Facharbeitern sei vielen Unternehmern bewusst. "Das ist genau der Punkt, den diese Unternehmen alle schon erkannt haben." Daher arbeitet beispielsweise Benteler, ein Unternehmen mit bundesweit rund 650 Auszubildenden, mit Schulen und der Universität Paderborn zusammen. Dem Ingenieursmangel soll ein "Kombinationsstudiengang" abhelfen - ein Studium zum Maschinenbau-, Elektro- oder Wirtschaftsingenieur verbunden mit einer Ausbildung zum Industriemechaniker oder Elektroniker.
Der andere Weg läuft über die Kooperation mit einer Hauptschule. In einer speziellen Klasse können 15 Schüler, die sich selbst dafür entschieden haben, verstärkt Mathe, Naturwissenschaften und Englisch pauken - fünf Schüler werden mit einer Lehrstelle bei Benteler belohnt. Die anderen erhöhen zumindest ihre Chancen auf dem Ausbildungsmarkt: Insgesamt fanden zwei Drittel der Schüler einen Ausbildungsplatz.
Der Knick kommt
Benteler setzt stark auf die eigene Ausbildung. "Derart gut ausgebildete Leute werden wir auf dem Arbeitsmarkt nicht finden", sagt Ohse selbstbewusst. Außerdem sei dem Unternehmen klar, dass die Zahl der Schulabgänger von Haupt- und Realschulen in den kommenden Jahren um bis zu ein Viertel sinken werde. "Wir müssen daran denken: der Knick kommt." Dann werde Benteler als begehrter Ausbildungsbetrieb gut aufgestellt sein. Dennoch: "Viele wissen nicht über den Standort Bescheid", sagt Sprecherin Gudrun Girnus. So wüsste die jugendliche Zielgruppe auch nicht, dass Benteler zu den 50 größten Industrieunternehmen in Deutschland zählt.
Auch bei anderen Unternehmen macht frühzeitige Förderung Schule. Die Paderborner Firma Hella Leuchten-Systeme GmbH, ein Automobilzulieferer mit 1000 Beschäftigten und 34 Auszubildenden, kooperiert seit 2006 mit einer Hauptschule. In der betreffenden Klasse habe die Hälfte der Schüler einen Ausbildungsplatz gefunden, in anderen Klassen seien es gerade einmal zehn Prozent, sagt Hella-Ausbildungsleiter Georg Schulte.
Lieber München als Westfalen
Geschäftsführer Hubertus Köhne bezeichnet es als "relativ schwer", Ingenieure aus anderen Region nach Ostwestfalen zu bewegen. Hella müsse sich daher auf heimische Schulen und Universitäten konzentrieren. Standortnachteile der Provinz beim Buhlen um Fachkräfte befürchtet auch Eckard Heidloff, Vorstandschef des Paderborner Geldautomaten- und Kassensystemhersteller Wincor Nixdorf. "Wenn der Arbeitsmarkt schlecht ist, kommt ein Münchner mal nach Paderborn", sagt er. Wincor Nixdorf hat 159 Auszubildende, wegen des starken Wachstums sieht Ausbildungsleiter Kurt Reichert aber "Spielraum nach oben für weitere Ausbildungsverhältnisse." Das Unternehmen arbeitet daher mit Real- und Hauptschulen sowie Fachhochschulen und der Universität Paderborn zusammen. Dennoch fehlen vor allem Fachinformatiker. Heidloff fordert von Lehrern mehr Nähe zur Wirtschaft ein. "Manchmal kommt es mir so vor, als ob es verschiedene Welten sind."
In Ostwestfalen haben Jugendliche gute Chancen: Die Zahl der Ausbildungsplätze stieg laut Sommer in den vergangenen zehn Jahren um fast 40 Prozent. Bis Ende September soll die Zahl der unversorgten Lehrstellenbewerber auf unter 1600 sinken - bei ebenfalls 1600 gemeldeten offenen Stellen. "Es sieht deutlich besser aus", betont Sommer, besser jedenfalls als bundesweit.
Quelle: ntv.de