Ratgeber

Kahlschlag beim Gründungszuschuss Förderung bald Glückssache

170.000 Arbeitslose haben im letzten Jahr den Schritt in die Selbständigkeit gewagt, der Großteil von ihnen mit staatlicher Unterstützung. 80.000 zusätzliche Arbeitsplätze sind auf diese Weise entstanden. Man könnte den Gründungszuschuss also als Erfolgsmodell bezeichnen. Dennoch wird er in seiner bisherigen Form abgeschafft. Die Förderung hängt zukünftig von der Willkür des Arbeitsamt-Beraters ab - und von dessen Budget.

In Zukunft müssen Gründungswillige ihren Berater erst überzeugen. Doch auch das wird nichts helfen, wenn das Budget keine Förderung erlaubt.

In Zukunft müssen Gründungswillige ihren Berater erst überzeugen. Doch auch das wird nichts helfen, wenn das Budget keine Förderung erlaubt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Eine Stunde dauerte die Aussprache letzten Freitag im Bundestag, dann wurde der  Gründungszuschuss in seiner jetzigen Form beerdigt. Die Mehrheit aus CDU, CSU und FDP winkte das "Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt" durch. Am gleichen Tag verabschiedeten die Abgeordneten dann auch noch das Steuervereinfachungsgesetz. Doch während die Meldung, dass die Einkommensteuererklärung weiterhin jährlich abgegeben werden muss, die Schlagzeilen dominierte, waren die Änderung beim Gründungszuschuss in der Öffentlichkeit kaum ein Thema.

Dabei betrifft die Neuregelung gar nicht mal so Wenige: 145.000 Menschen haben sich allein im letzten Jahr aus der Arbeitslosigkeit heraus selbständig gemacht und dafür den staatlichen Zuschuss kassiert. Darauf haben sie sie einen Rechtsanspruch – noch. Während im Moment jeder, der Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat,  für eine Gründung den Zuschuss beantragen kann, ist die Förderung in Zukunft ermessensabhängig. Die Berater in den Arbeitsämtern können – und müssen - dann selbst entscheiden, ob ein Arbeitsloser förderwürdig ist oder nicht. Dabei bleibt ihnen nicht allzu viel Spielraum, denn das Budget der Bundesagentur für Arbeit wird von derzeit 1,8 Milliarden Euro auf 400 Millionen Euro im Jahr zusammengestrichen – ein regelrechter Kahlschlag.

Verschärfte Regeln

Dafür sinkt auch die Zahl derer, die überhaupt Zuschuss beantragen können. Noch ist das jeder,  der wenigstens einen Tag arbeitslos war und noch mindestens 90 Tage lang Arbeitslosengeld I bekommen würde. Nach der Neuregelung muss der Restanspruch auf ALG I  noch mindestens 150 Tage währen. Damit bleiben nach der Kündigung noch höchstens sieben Monate, um zu gründen. (Wer über 55 Jahre alt ist, hat insgesamt 18 Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld und somit mehr Zeit für die Gründung.) Auch die Leistungsdauer wird gekürzt: Im Moment währt die erste Phase des Gründungszuschusses neun Monate. So lange bekommen die Neugründer das bisherige ALG I weitergezahlt, zuzüglich einer Pauschale von 300 Euro für die soziale Absicherung. An der Höhe des Zuschusses ändert sich nichts - dafür wird er nur noch sechs Monate lang gewährt.      

Existenzgründer dürften deshalb in Zukunft unter größerem Druck stehen: Ihnen bleibt weniger Zeit zur Vorbereitung und sie müssen früher als bisher profitabel arbeiten. Auf die Zielgruppe könnte das abschreckend wirken, fürchtet etwa Andreas Lutz, auf dessen Portal "gründungszuschuss.de" Gründungswillige Hilfe finden: "Aufgrund fehlender Planungssicherheit nehmen Gründungswillige möglicherweise Abstand von ihrer Gründung und bleiben länger in der Arbeitslosigkeit". Dadurch würden die Kosten lediglich in Richtung Hartz IV verlagert.   

Mitnahmeeffekte befürchtet

Wer beim Arbeitsamt vorspricht, muss gute Argumente mitbringen. Denn einerseits sollen Gründungen, die von Vornherein zu Scheitern verurteilt sind, verhindert werden. "So manche Notgründung ist zur Sackgasse geworden", bilanzierte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen im März dieses Jahres. Andererseits sollen erfolgversprechende Gründungen nur dann unterstützt werden, wenn sie nicht auch ohne staatliche Hilfe zustande kämen. Hohe Mitnahmeeffekte waren das Hauptargument derer, die den Gründungszuschuss in seiner bisherigen Form abschaffen wollten. Dabei stützten sie sich auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, für die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen auf allen Ebenen befragt wurden. Tatsächlich sehen die Studienautoren Mitnahme als "weit verbreitetes Phänomen". Von den Experten und Vermittlern werde es aber kaum als Problem wahrgenommen. Schließlich könne der Zuschuss auch in solchen Fällen dazu führen, dass die "finanziell schwierige Anfangsphase" eines Gründungsprojekts erleichtert werde.

Die Haushaltslage entscheidet

Auch wenn es die Bundesregierung so darstellt: Eine Empfehlung, den Pflicht-Zuschuss in eine Ermessensleistung umzuwandeln, lässt sich aus der Studie nicht ableiten. Vielmehr legt die Befragung den Schluss nahe, dass  Gründungsprojekte durch den Entscheidungsspielraum nicht mehr allein sachlich-inhaltlich bewertet werden, sondern vor allem die Budgetlage entscheidet. Diese Erfahrungen machen die Ämter schon jetzt bei der zweiten Förderphase, in der jeweils im Einzelfall über die weiteren Zuschüsse verhandelt wird.

In Zukunft dürfte die Gewährung des Gründungszuschusses also stark davon abhängen, welchem Vermittler man gegenüber sitzt und ob dessen Agentur über genügend Mittel verfügt. Wer sich jetzt noch die Förderung sichern möchte, hat nicht mehr viel Zeit: Sobald das Gesetz formal ausgefertigt und vom Bundespräsidenten unterzeichnet ist, tritt es in Kraft – ohne Übergangsregelung. Offizieller Stichtag ist der 1. November, doch wenn das Gesetz vorher im Bundesanzeiger veröffentlicht wird, dann könnte es auch schon in der zweiten Oktoberhälfte so weit sein. Gründungswillige sollten also möglichst noch in den nächsten zwei Wochen handeln und ihren Antrag bei der Agentur für Arbeit einreichen.  

Quelle: ntv.de

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