Fürsorgeabkommen macht's möglich Hartz für Europäer auf Jobsuche
25.10.2012, 15:17 UhrDie Freizügigkeitsbescheinigung erlaubt Europäern, in Deutschland zu arbeiten. Doch auch ohne diese Bescheinigung können sie Hartz IV beantragen, wenn sie auf Jobsuche sind.

Auch ohne Anspruch aus dem Sozialgesetzbuch kann es Hartz IV geben.
(Foto: dpa)
Ein Staatsangehöriger eines anderen europäischen Landes, der sich nur zur Arbeitsuche in Deutschland aufhält, hat Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen. Das entschied das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, wie die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) mitteilt.
Der Fall: Der Kläger, ein Luxemburger, wohnte seit März 2011 zusammen mit seinem Sohn in Deutschland. Im August 2011 stellte er erstmals einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen. Dem Antrag wurde zunächst auch stattgegeben. Einen Folgeantrag lehnten die Behörden allerdings ab, weil der Antragsteller nicht über eine Freizügigkeitsbescheinigung verfügte, die ihm eine Arbeit in Deutschland ermöglicht hätte. Die Arbeitsagentur stützte ihre Ablehnung der Leistung auf den Ausschluss im Sozialgesetzbuch (SGB II) und einen Vorbehalt, den die Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung zum 19. Dezember 2011 gegen die Anwendbarkeit des Europäischen Fürsorgeabkommens auf die Grundsicherungsleistungen geltend gemacht hat. Gegen diese Entscheidung legte der Mann Widerspruch ein.
Das Urteil: Die Behörden mussten dem Mann die Leistungen gewähren. Zwar habe der Luxemburger keinen Anspruch aus dem Sozialgesetzbuch oder aus einem Gleichbehandlungsgrundsatz, so das Gericht. Ein Anspruch ergebe sich aber aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen auf Grundsicherungsleistungen, da es sich um die Existenzsicherung für den Betroffenen handele.
Es sei zweifelhaft, ob der Vorbehalt vom 19. Dezember 2011 zu diesem Abkommen wirksam sei, befanden die Richter. Ein früherer Vorbehalt betreffend das zwischenzeitlich aufgehobene Bundessozialhilfegesetz erfasse die hier streitigen Leistungen nicht. Bei dem neuen Vorbehalt speziell für das SGB II sei zum einen zweifelhaft, ob es sich nach fast 6 Jahren noch um "neue Rechtsvorschriften" im Sinne der Rechtsgrundlage für solche Vorbehalte gehandelt habe, zum anderen, ob der Vorbehalt nicht eine unzulässige Erweiterung des früheren Vorbehalts darstelle. Wegen der offenen Rechtsfrage sei eine Folgenabwägung zu treffen, die aufgrund der betroffenen Existenzsicherung zugunsten des Antragstellers ausgehe, urteilte das Gericht.
Quelle: ntv.de, awi/dpa