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n-tv.de Interview Hauskauf oder Miete?

Es ist der Deutsche Traum. Kinder kriegen, Baum pflanzen, Haus bauen. Das ist tiefste Kultur, das ist fast schon deutsches Erbgut. Aber ist der Hauskauf auch wirtschaftlich die beste Altersvorsorge? Reiner Braun, Wissenschaftler beim wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Beratungsinstitut Empirica, klärt im n-tv.de Gespräch auf, dass finanzmathematische Modelle zur Beantwortung dieser Frage zwar schön sind, meist aber nichts taugen. Außerdem prägt er den Begriff der "Lebensabschnittsimmobilie".

n-tv.de: Herr Braun, soll ich Geldvermögen bilden oder Wohneigentum erwerben?

Reiner Braun: Das ist eine Frage, die sich regelmäßig Millionen von Haushalten stellen. Ganz eindeutig lässt sich die Frage aber mathematisch nicht beantworten. Kluge Rechner präsentieren dazu zwar immer wieder Vergleiche, bei denen in einer reinen Renditerechnung die Immobilie mal besser und mal schlechter abschneidet. Auf den ersten Blick sieht das oft überzeugend aus. Man muss aber die Relevanz bezweifeln.

Woran hakt es?

Es handelt sich um eine aus dem Lebenszusammenhang gerissene, rein finanzmathematische Methode. In der Wirklichkeit aber geht es um langfristige Lebensplanung, um Familiengründung. Es geht um Fragen, wie sich die Haushalte über Jahrzehnte verhalten. Die Menschen machen sich Gedanken, wie sie im Alter leben wollen oder wie sie sich im Vergleich zu anderen darstellen wollen.

Das heißt, die Rechnungen sind korrekt, haben mit der Realität aber nichts zu tun?

In den Rechnungen wird immer vorausgesetzt, dass der Mensch wie eine Bank handelt, völlig rational. Dies ist empirisch aber völliger Unsinn. Im Modell wird zum Beispiel immer angenommen, der Mensch besäße bereits ein gewisses Eigenkapital, das er dann stetig investiert. Das ist zu eindimensional. In der Realität entsteht Eigenkapital fast immer nur durch eine langjährige Ansparphase. Und es hat sich gezeigt, dass angehende Eigentümer sehr viel mehr sparen als vergleichbare Mieterhaushalte. Die Startbedingungen sind also schon unterschiedlich.

Sparen die Eigentümer auch mehr, während sie ihr Haus abbezahlen?

Ja, und zwar über ihre Ratenzahlungen hinaus. Oft legen sie weiteres Geld zurück. Das brauchen sie für Aus- oder Umbauten oder andere Anschaffungen wie Autos oder Möbel. Die Sparquote ist auch dann noch höher als bei den Mieterhaushalten.

Was machen denn die Mieter mit ihrem Geld?

Mieter legen oft nicht so viel Disziplin an den Tag. Ein Hauskauf ist ja quasi ein Zwangssparen. Mieter sind nicht so immun gegen spontane Kaufgelüste oder andere Versuchungen des Konsumlebens. Hauskäufer sind da weitaus rationaler in ihrer Geldanlage als Mieter. Was nicht heißen soll, dass auf langfristige Sicht nicht auch Mieter finanziell besser abschneiden können. Dennoch sind Immobilien eine sehr effektive Altersvorsorge mit wenig Risiko.

Stichwort Altersvorsorge: Wie viel Sinn macht es, im Alter in den Häusern wohnen zu bleiben, obwohl diese oft viel zu groß sind, nachdem die Kinder das Haus verlassen haben?

Nun ja, ökonomisch macht das natürlich wenig Sinn. Aber in Deutschland ist das Eigenheim seit jeher eine besondere emotionale Institution. Oft haben die Menschen lange darauf gespart und dann hängen so viele Erinnerungen daran. Im Alter zieht kaum einer aus.

Weil es den Leuten finanziell so gut geht, dass sie es nicht müssen?

Das ist ein Grund, ja. Die heutigen Rentner können sich noch leisten, in ihren Häusern zu bleiben. Das wird sich in Zukunft aber ändern.

Was genau wird sich ändern?

Dass die Renten nicht mehr so üppig ausfallen werden, ist ja kein Geheimnis. Das wird viele Leute dazu zwingen, ihre Häuser zu verkaufen. Was ja nicht heißt, dass sie dann gleich arm werden. Sie suchen sich vielleicht etwas kleineres, eine schöne Eigentumswohnung zum Beispiel.

Kommt der Hauswechsel damit in Mode?

Ich würde das nicht Hauswechsel nennen. Ich spreche gerne von der Lebensabschnittsimmobilie. Genauso wie wir Lebensabschnittgefährten haben, werden wir in Zukunft auch Immobilien haben, die unserem Lebenszyklus entsprechen. Die Leute werden sich bewusster entscheiden, wann sie welche Immobilie brauchen und sich danach richten.

Mit Dr. Reiner Braun sprach Niko Hinz

Quelle: ntv.de

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