Verkauft und verschuldet Kredit als Schuldenfalle?
19.04.2019, 07:20 Uhr
Oft stellen die Kreditnehmer viel zu spät fest, dass sie zu viele Schulden aufgenommen haben.
(Foto: imago/McPHOTO)
Möbel, das Auto oder der neue Fernseher lassen sich einfach durch Konsumentenkredite finanzieren. Doch oft sind die Kosten eines Kredites kaum durchschaubar und die Beratung fehlt. Selbst ein kleiner Kredit kann zur Überschuldung führen.
Null-Prozent-Finanzierung, eine Rate geschenkt oder ein Kredit "wie für dich gemacht" - ein Darlehen erscheint in der Werbung einfach und unkompliziert. Allein 2017 schlossen die Deutschen mehr als acht Millionen Verträge für Ratenkredite ab, zeigt der Schufa Kredit-Kompass. Das waren 4,6 Prozent mehr Konsumentenkredite als im Vorjahr.
"Banken und Verkäufer suggerieren den Kunden, dass ein Darlehen überhaupt kein Problem sei", sagt Dirk Ulbricht, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen. "Dabei müsste so mancher Käufer bei der Kreditaufnahme von ihnen eigentlich gebremst werden." Das Problem: Immer häufiger unterschreiben Verbraucher einen Kreditvertrag nicht mehr in der Kundenberatung ihrer Bank, sondern im Verkaufsraum eines Elektronikhändlers, Möbelhauses oder Autohändlers.
An Kreditberatung nicht interessiert
"Viele Verkäufer, aber auch Banken, beraten nicht oder nicht genug beim Kreditabschluss", sagt Ulbricht. "Sie müssten eigentlich verantwortungsvoll prüfen, ob sich der Kunde die Finanzierung auch langfristig leisten kann. Stattdessen verkaufen sie ihre Waren und sind an der Kreditberatung nicht interessiert."
14 Prozent aller Kredite sind laut einer Untersuchung des Marktwächters Finanzen der Verbraucherzentralen eine Null-Prozent-Finanzierung, 8 Prozent sind an den Kauf einer bestimmten Ware gekoppelt - etwa Möbel oder Unterhaltungselektronik - und 20 Prozent finanzieren einen Autokauf.
Die Überschuldungsgefahr steige dadurch enorm, resümiert der Experte. Beim Autokauf etwa konzentrierten sich die Kunden auf ihr neues Auto, statt die Finanzierung durchzurechnen, erzählt Ulbricht. Gerne bieten Autohändler beispielsweise eine Ballonfinanzierung an. Sie verspricht günstigere Raten als ein üblicher Kredit. Am Ende der Laufzeit steht aber noch eine Restschuld aus, die der Kunde auf einen Schlag tilgen muss.
"Autohäuser locken auch gerne damit, dass sie den Kunden den Wagen später wieder abkaufen. Die ganzen Risiken in der Zwischenzeit - etwa ein Unfall oder der Wertverlust durch die Nutzung des Autos - sprechen sie aber nicht an", kritisiert Ulbricht.
Verbraucherkredite auch ohne Restschuldversicherung
Ein weiteres Problem bei der Kreditvergabe ist, dass nicht selten unvorhergesehene Kosten durch zusätzliche Verträge entstehen. Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen, kennt Fälle, bei denen gleichzeitig eine Unfall- oder Lebensversicherung, ein Bausparvertrag oder eine Kreditkarte mitverkauft wurden. Typisch ist aber vor allem der gleichzeitige Abschluss einer teuren Restschuldversicherung, die den Kredit tilgen soll, wenn der Schuldner etwa durch Krankheit die Raten nicht mehr bezahlen kann.
Das Problem: Die Prämie der Versicherung fällt gleich zu Beginn auf einen Schlag an und wird regelmäßig zusätzlich zur Darlehenssumme finanziert. Doch die Bank muss diese Kosten nicht in den Effektivzins einrechnen, wenn sie nachweisen kann, dass der Abschluss freiwillig war. Entsprechend sind die Vertragsformulare gestaltet. Für Verbraucher ist es umso schwieriger, die tatsächlichen Kosten, die auf sie zukommen, zu erkennen.
"Viele Kreditnehmer haben außerdem den Eindruck, dass sie diese Versicherung abschließen müssen, wenn sie ein Darlehen aufnehmen wollen", sagt Heyer. "Das stimmt aber nicht. Verbraucherkredite gibt es auch ohne Restschuldversicherung." Aber für die Bank ist das ein gutes Geschäft. Sie verdient an der Versicherung, gleichzeitig sinkt ihr Risiko, dass der Kredit nicht zurückgezahlt wird.
Derzeit beobachtet Heyer, dass Angebote an Klein- und Kurzzeitkrediten zunehmen. "Das sind zum Beispiel Kredite für 30 bis 61 Tage oder über 199 bis 1500 Euro. Für die Zinsen fallen da nur ein paar Euro an. Aber zusätzliche Service-Gebühren, etwa für eine schnelle Auszahlung, führen zu Wucher." Sie kennt Fälle, in denen der effektive Jahreszins rechnerisch über 1000 Prozent liegt.
Hemmschwelle sinkt
"Sobald Verbraucher einmal eine erste Finanzierung abgeschlossen haben, sinkt die mentale Hürde, für ein weiteres oder höheres Darlehen zur Bank zu gehen", sagt Heyer. So manche Bank spricht ihre Kunden außerdem regelmäßig aktiv an und überzeugt sie, den Kredit umzuschulden und aufzustocken. Gleichzeitig verkauft sie bei solchen Kettenkrediten erneut eine teure Restschuldversicherung.
Gerade Darlehen oder Null-Prozent-Finanzierungen mit vermeintlich kleinen Schuldverhältnissen sind durch solche Praktiken oft ein Einstieg in die Schuldenspirale, bestätigt Ulbricht.
Laut Überschuldungsreport des Instituts für Finanzdienstleistungen hatten 2017 37 Prozent der überschuldeten Verbraucher weniger als 10.000 Euro Kredit abzuzahlen. Die typische Schuldenhöhe liegt bei etwa 15.000 Euro.
"Oft stellen die Kreditnehmer viel zu spät fest, dass sie zu viele Schulden aufgenommen haben", sagt Ulbricht. Damit das nicht passiert, empfiehlt er: "Wer ein Darlehen haben möchte, muss vorher selbst durchrechnen, welche Raten und welche Kreditsumme er sich leisten kann. Denn der Berater wird es nicht tun."
Dazu gehört auch, darüber nachzudenken, ob sich in Zukunft an der finanziellen Situation etwas ändern kann, etwa durch die Geburt eines Kindes oder einen Pflegefall in der Familie. Jeder sollte außerdem einen Notgroschen in Höhe von zwei bis drei Gehältern angespart haben.
Wachsen einem die Schulden über den Kopf, rät Heyer zu einer Schuldner- und Insolvenzberatung. "Am besten zu einer Beratung von den Kommunen, Wohlfahrtsverbänden oder der Verbraucherzentrale. Aber nicht zu einem gewerblichen Finanzsanierer. Die verursachen oft nur weitere Kosten."
Quelle: ntv.de, Annika Krempel, dpa