Großer Graubereich Mehr Klarheit im Supermarkt?
20.07.2011, 17:50 Uhr"Lebensmittelklarheit.de" ist online. Nahrungsmittelhersteller müssen fürchten, dass Täuschungsmanöver auf den Verpackungen nicht unbeachtet bleiben. Doch nicht alles, was wie ein Verstoß aussieht, ist rechtlich auch einer.
Käse voller Pflanzenfett und Schinken, der aus kleingehackten Fleischresten besteht: Die Empörung war groß, als 2009 in der Debatte um Formfleisch und Analogkäse die Wahrheit über manche Lebensmittel den Weg an die breite Öffentlichkeit fand. Um Kunden vor irreführenden Lebensmittel-Verpackungen besser zu schützen, haben Verbraucherschutzministerium und Verbraucherzentralen das Internetportal lebensmittelklarheit.de gestartet. Hier die wichtigsten Punkte:
Täuschungsverbot
Generell ist es Herstellern verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung oder Aufmachung anzubieten. Ob ein Unternehmen die Verbraucher täuscht, hängt dabei vom Gesamterscheinungsbild des Produkts und seiner Verpackung ab. Das heißt: Selbst wenn ein Hersteller die Kennzeichnungsvorgaben einhält und beispielsweise alle Inhaltsstoffe korrekt aufführt, kann durch die Gesamtaufmachung des Produkts ein falscher Eindruck entstehen. So etwas ist verboten und wird von den Lebensmittel-Kontrolleuren der Bundesländer überwacht.
Graubereich
Oft ist es schwierig zu klären, ob ein Unternehmen mit Bildern oder Werbebotschaften absichtlich seine Kunden hinters Licht führt. "Zwischen klar verständlicher Gestaltung der Produkte und bewusster Irreführung der Verbraucher gibt es (...) naturgemäß einen Graubereich, der für die Überwachungsbehörden und die Marktteilnehmer schwer zu beurteilen ist", heißt es in einem Papier des Verbraucherschutzministeriums. Diesen Graubereich wollen Ministerium und vzbv mit Hilfe ihres neuen Internetportals aufhellen.
Funktionsweise
Über die Internetseite lebensmittelklarheit.de können Kunden nun den Verbraucherschützern Lebensmittel melden, von deren Aufmachung sie sich getäuscht fühlen. Die Experten prüfen die gemeldeten Fälle und fordern von Herstellern eine Stellungnahme ein. Spätestens nach sieben Tagen werden Produkt, Kritik und Stellungnahme im Internet veröffentlicht. Hat sich der Hersteller binnen einer Woche nicht geäußert, wird das Produkt ohne Stellungnahme ins Internet gestellt.
Kritik
Die Lebensmittelbranche sieht sich durch das neue Portal unter Generalverdacht gestellt. Die Unternehmen stünden bereits in engem Kontakt zu ihren Kunden und böten ihnen "eine breite Palette an Informationen", teilte der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) mit. Die "Brandmarkung" einzelner Produkte im Internet aber habe "mit sachlicher Verbraucheraufklärung nichts zu tun". Niemand dürfe einen Nachteil erleiden, "der sich an geltendes Recht und damit an die Regeln hält".
Andere Initiativen
Die Verbrauerschutzorganisation Foodwatch prangert regelmäßig Fälle an, von denen sie der Meinung ist, dass Hersteller die Verbraucher absichtlich täuschen. Im vergangenen Dezember knöpfte sie sich beispielsweise "Puten-Cervelatwurst" vor, die zu über 50 Prozent aus Schweinefleisch bestand. Ausgewiesen war das aber nur im Kleingedruckten auf der Verpackungsrückseite. Nach der öffentlichen Kritik änderte der Hersteller im März seine Rezeptur und verzichtet seitdem auf die Beimischung von Schweinefleisch. Auf Fälle dieser Art zielt auf lebensmittelklarheit.de ab - und auf eine ähnliche Reaktion der Hersteller.
Quelle: ntv.de, AFP