Virtuelle Eigentümerversammlung Realität oder Zukunftsmusik?
26.11.2018, 07:21 Uhr
Ob Eigentümergemeinschaften virtuelle Versammlungen abhalten dürfen, ist rechtlich stark umstritten.
(Foto: imago stock&people)
Die Digitalisierung verändert viele Bereiche - sie macht auch vor Wohnungseigentümergemeinschaften nicht halt. Doch genau da gibt es Grenzen: Die Mitglieder dürfen zwar per E-Mail kommunizieren, virtuelle Jahrestreffen sind jedoch umstritten.
Statt in Aktenordnern zu verstauben, liegen die Teilungserklärungen auf dem Server der Hausverwaltung - und sind jederzeit abrufbar. Statt sich direkt vor Ort zu treffen, tauschen sich die Eigentümer virtuell aus. Jedes Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann an der Versammlung teilnehmen - von Hause aus, aus dem Büro oder aus dem Urlaub. Technisch ist das möglich. Doch nicht nur das WEG-Gesetz, das aus dem Jahr 1951 stammt, setzt Wohnungsbesitzern Grenzen. Ein Überblick über alles, was online möglich ist und was nicht.
E-Mails
Sie gehören zum Alltag wie früher das Briefeschreiben. Das gilt auch für die WEG und ihre Verwaltung - sie verschicken die Hausordnung an den neuen Mieter oder den Wirtschaftsplan an die Eigentümer elektronisch. Das geht schnell. Zudem sind die Unterlagen für die WEG-Mitglieder immer und überall verfügbar.
Die Verwaltung spart Arbeit, Kosten und Papier. Das macht sich etwa bei der Einladung zur jährlichen Eigentümerversammlung bemerkbar, wenn alle notwendigen Unterlagen verschickt werden müssen: "Bei 200 Eigentümern fallen 2000 bis 3000 Blatt Papier an", sagt Thomas Meier, Präsident des Bundesfachverbands der Immobilienverwalter.
Die Kommunikation per E-Mail setzt voraus, dass der einzelne Eigentümer einverstanden ist. So verlangt es der Datenschutz. Lehnt ein Eigentümer digitale Nachrichten ab, muss er die Informationen weiterhin ganz klassisch analog per Brief bekommen. "Niemand darf von wichtigen Unterlagen ausgeschlossen sein, nur weil er keinen PC hat", sagt Sabine Feuersänger vom Verband Wohnen im Eigentum. Auch vermietende Eigentümer, die mit ihren Mietern per E-Mail austauschen wollen, brauchen im Prinzip deren Erlaubnis. Außer der Mieter hat die Kommunikation selbst elektronisch begonnen.
Messenger
Von einem Austausch über Messenger Apps raten Meier und Feuersänger eher ab. Das gilt insbesondere, wenn es um offizielle Dinge geht, etwa um Informationen aus der WEG-Versammlung, da es sich dabei dem Gesetz zufolge um nicht-öffentliche Veranstaltungen handelt. Wollen Eigentümer Messenger Dienste dennoch zum privaten Austausch nutzen, sollten sie darauf achten, dass diese verschlüsselt sind und sie nicht mit der europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Konflikt geraten, die seit Mai 2018 gilt. Zumal sich die Datenschutzbestimmungen der einzelnen Anbieter sowie die Gesetze der einzelnen Länder stark unterscheiden können. Der Server sollte beispielsweise in Europa stehen.
Download
Die Steuererklärung steht an - und ausgerechnet dann ist die Jahresabrechnung der Hausverwaltung spurlos verschwunden. Wie praktisch wäre es, wenn Eigentümer dann das Dokument einfach aus dem Kundenportal der Verwaltung herunterladen könnten. Das ist möglich, wenn die Verwaltung eine Art Newsroom eingerichtet hat.
Dort kann sie neben der Jahresabrechnung auch die Haus- und Gemeinschaftsordnung, Teilungserklärung, Wirtschaftsplan, Energieausweis und Angebote von Handwerkern sowie Mietverträge aus der Sonderverwaltung hinterlegen.
Der Zugriff auf den geschützten Bereich erfolgt mit einem Passwort, das jeder Nutzer bekommen kann. "Eigentümer und Verwalter sprechen das ab", sagt Meier. Das Einrichten des Newsrooms sei ein Serviceangebot - dafür sei kein Beschluss der Eigentümerversammlung nötig. Online-affine Wohnungsbesitzern steht es frei, diese Idee anzuregen. Wer mitmacht, bekommt ein Passwort, die anderen Post.
Virtuelle Versammlungen
Technisch sind Online-Eigentümertreffen kein Problem. Web-Konferenzen über PC, Tablet und Smartphone kennen viele bereits aus dem Job. Sie sparen häufig Zeit und Anreisewege - Teilnehmer kommen so einfacher zusammen. Von diesen Vorteilen könnte auch eine WEG profitieren, deren Jahrestreffen oft dünn besucht ist.
Ob Eigentümergemeinschaften virtuelle Versammlungen abhalten dürfen, ist rechtlich stark umstritten. "Im WEG-Gesetz steht dazu nichts. Als das Gesetz in den 1950er-Jahren entstand, gab es das Thema nicht", sagt Feuersänger. Und was nicht im Gesetz steht, ist nach Ansicht der meisten Juristen auch nicht erlaubt.
Der Dachverband Deutscher Immobilienverwalter stützt sich hier auf ein Urteil des Amtsgerichts Königstein aus dem Jahr 2007. Demnach ist eine Telefonkonferenz keine Versammlung (Az.: 27 C 955/07). Eine Sprecherin führt als weiteres Argument den Gesetzestext an. In diesem sei bei Mehrheitsbeschlüssen von "erschienenen stimmberechtigten Eigentümern" die Rede (Paragraf 25, Absatz III, WEG). "Erscheinen" wird mit "körperlich präsent" übersetzt.
Nach Ansicht von Feuersänger kann die WEG dennoch "entscheiden, ob sie sich künftig online oder analog treffen will". Mit dem Risiko, dass ein solcher Beschluss einem Eigentümer "nicht passe" und er diesen anfechtet. Dann landet die Sache unter Umständen vor Gericht.
Meier hält die Einführung von Video- und Telefonkonferenzen für zulässig und machbar. Aber nur, wenn die WEG dies in der Gemeinschaftsordnung verankere. Dies müssten alle Eigentümer vereinbaren und beim Notar unterschreiben. Dafür können sie "per Beschluss den Verwalter ermächtigen, dass er die Vereinbarung aufsetzt und zum Notar bringt", erläutert er das Vorgehen.
Meier räumt aber ein: "Ich kenne keine WEG, die das gemacht hat." Um rechtlich auf Nummer sicher zu gehen, rät Feuersänger, die analoge Zusammenkunft beizubehalten. Schließlich gehe es auch um das Miteinander. Ob die geplante Änderung des WEG-Gesetzes den digitalen Fortschritt berücksichtigt, ist bislang noch offen.
Quelle: ntv.de, Monika Hillemacher, dpa