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Studie zu Neukunden-Angeboten Tagesgeld: Kommt die Zinswende beim Sparer an?

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Aktuell sind die Leitzinserhöhungen der EZB nicht mehr und nicht weniger als ein großes Bankensanierungsprojekt.

Aktuell sind die Leitzinserhöhungen der EZB nicht mehr und nicht weniger als ein großes Bankensanierungsprojekt.

(Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Haben die Banken die höheren Zinsen vor allem genutzt, um ihre eigenen Gewinne zu maximieren? Eine aktuelle Studie der FMH-Finanzberatung zum Tagesgeld ist dieser Frage nachgegangen - mit erfreulichen Ergebnissen.

"Noch immer Nullzinsen bei vielen Banken." "Banken geben höhere Zinsen nicht weiter." Schlagzeilen wie diese konnte man in den vergangenen Monaten häufiger lesen. Denn während Baudarlehen mit jeder Zinserhöhung der EZB teurer und teurer wurden, dümpelten die Tagesgeldzinsen bei vielen Geldhäusern weiter auf einem sehr überschaubaren Niveau herum.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Eine aktuelle Tagesgeld-Studie der FMH-Finanzberatung zeigt nun jedoch, dass die Kritik an den Banken - zumindest in Teilen -überzogen war. In einer aufwendigen Analyse haben wir die Neukundenangebote der Banken im Zeitraum Leitzinserhöhungen ausgewertet. Und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.

Vorsichtiges Herantasten

Zwar bestätigt auch unsere Erhebung, dass die Banken zu Beginn der Entwicklung zunächst sehr verhalten reagierten. Damals, zum 21. Juli 2022, hatte die EZB aber auch gerade erst die Negativzinsen abgeschafft und den Leitzins (Einlagenzins) auf 0,0 festgelegt. Entsprechend fühlten sich zu diesem Zeitpunkt nur wenige Institute bemüßigt, Neukundenangebote fürs Tagesgeld aufzulegen.

Die nächsten Zinserhöhungen änderten das. Im Oktober 2022 begann die ING damit, Neukunden aufs Tagesgeld einen Zins von einem Prozent anzubieten. Auf den ersten Blick ein Verlustgeschäft - denn die Einlagezinsen bei der EZB betrugen damals noch 0,75 Prozent. Da die nächste Erhöhung auf 1,5 Prozent aber bereits am 27. Oktober 2022 erfolgte, blieben die negativen Auswirkzungen für die ING jedoch überschaubar. Stattdessen profitierte sie von einem massiven Zulauf an Neukunden.

Erst einer, dann (fast) alle

Für Sparer war die Initiative der ING ebenfalls ein Segen: Jetzt fühlten sich auch andere Banken genötigt, ihren Kunden bessere Konditionen zu bieten - vor allem den Neukunden. Einige Monate später war es dann noch einmal die ING, die mit einem Zinssatz von zwei Prozent (dem damaligen EZB-Einlagensatz) von sich reden machte und erneut wichtige Impulse setzte. Nun gingen selbst Online-Broker dazu über, die Zinsen zu erhöhen.

Dieser Mechanismus wiederholte sich noch mehrere Male: Im Juni 2023 lagen die meisten Neukundenangebot der untersuchten Banken schließlich jeweils noch knapp unter oder knapp über den jeweiligen EZB-Einlagenzinsen.

Atempause bis 2024

Mittlerweile sehen wir auf dem Markt bereits Neukundenangebote für 3,75 oder sogar 4 Prozent Zinsen - siehe FMH Tagesgeld-Vergleich. Damit dürfte allerdings erst einmal Ruhe einkehren. Zumindest, bis die EZB im neuen Jahr doch noch eine Nachjustierung nach oben vornimmt, wenn die Inflationszahlen nicht so nachgeben, wie erhofft.

Aktuell beobachten wir von der FMH aber bereits eine weitere interessante Entwicklung. Zwar haben wie erwartet nur wenige Neukunden konsequent von einem Top-Neukundenangebot zum nächsten gewechselt. Die meisten haben stattdessen die drei oder sechs Monate Garantiezeit ausgeharrt.

Wenn die (neuen) Bestandskunde dort allerdings mit 1,25 Prozent und weniger abgespeist werden, beginnt das Spiel doch wieder von vorne und die Sparer überlegen erneut, nach besseren Angeboten zu suchen.

Von diesem Trend profitieren jetzt die Banken, die keine Zinsunterschiede zwischen Neu- und Bestandskunden machen. Der Hintergrund: Auch renditeorientierte Anleger möchten irgendwann zur Ruhe kommen. Viele hoffen, dass sie bei den "Gesamtzinsbanken" längerfristig besser fahren als bei jenen, die stets nur Neukunden mit attraktiven Zinsen locken. Ob sich diese Hoffnung bewahrheiten wird, bleibt allerdings abzuwarten.

Gewinne auf der einen, Verluste auf der anderen Seite

Seit der Zinswende gut verdient haben in jedem Fall die Banken, die ihre Zinsen sehr langsam angehoben haben. Sie mussten zwar vermutlich einen Kundenschwund und Vertrauensverlust verzeichnen. Wirtschaftlich aber hat sich diese Taktik bezahlt gemacht.

An Kundenaufmerksamkeit und auch an hohen Zinsdifferenzgewinnen zu den EZB-Einlagenzinsen haben jene Banken gewonnen, die sehr früh in das Neukundengeschäft eingestiegen sind. Sie konnten anschließenden von den regelmäßigen EZB-Leitzinserhöhungen und den neu eingesammelten Kundengeldern profitieren.

Mehr zum Thema

Weitere Informationen zur Tagesgeld-Studie finden Sie hier.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Quelle: ntv.de

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