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Kein Freizeitopfer Von der Firma angeordnete Bahnfahrt ist Arbeitszeit

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Nicht nur, wenn Arbeitgeber anordnen, dass während der Zugfahrt am Laptop gearbeitet werden soll, zählt die Bahnfahrt zur Arbeitszeit.

Nicht nur, wenn Arbeitgeber anordnen, dass während der Zugfahrt am Laptop gearbeitet werden soll, zählt die Bahnfahrt zur Arbeitszeit.

(Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn)

Der Weg zur Arbeit ist zumeist Privatangelegenheit, also keine Arbeitszeit. Anders sieht die Sache aus, wenn Arbeitnehmer einer Spedition für die Überführung von Fahrzeugen jeweils mit der Bahn an- und abreisen müssen. In diesem Fall ist dies Teil der Leistungserbringung, wie ein Gericht entscheidet.

Von Chef oder Chefin verfügtes Bahnreisen gilt als Arbeitszeit. So entschied das Verwaltungsgericht Lüneburg (Az.: 3 A 146/22) zumindest im Fall eines Speditionsunternehmens. Darüber berichtet der Bund-Verlag.

Die Arbeitnehmer und -nehmerinnen dieser Firma müssen für die Überführung von Nutzfahrzeugen jeweils mit der Bahn an- und abreisen. Laut dem Speditionsunternehmen können sie diese Zeit frei gestalten, die Bahnfahrt sei somit keine Arbeitszeit, sondern nur ein "Freizeitopfer".

Das Gericht sah das anders und berief sich dafür auf die einschlägigen europarechtlichen Grundlagen der Arbeitszeit-Richtlinie. Demnach sei die Frage: Stehen Beschäftigte dem Arbeitgeber zur Verfügung und üben sie ihre Tätigkeit aus oder nehmen Aufgaben wahr?

Teil der Leistungserbringung

Die Bahnfahrten zählen hier laut dem Urteil als Arbeitszeit, weil die regelmäßig mehrstündigen An- und Abreisen schon Teil der Leistungserbringung seien. Zudem beschränkten sie die Freiheit der Fahrer, über ihre Zeit selbst zu bestimmen. Mit dieser Entscheidung geht das Gericht über die gängige Definition des Bundesarbeitsgerichts (BAG) erheblich hinaus.

Nach der "Beanspruchungstheorie" des BAG ist eine Dienstreise als Arbeitszeit zu werten, wenn Beschäftigte diese Zeit nicht frei nutzen können, sondern in dieser Zeit von bestimmten Aufgaben belastet beziehungsweise in Anspruch genommen werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Arbeitgeber anordnen, dass während der Zugfahrt am Laptop gearbeitet werden soll oder die Nutzung eines Verkehrsmittels (zum Beispiel dem PKW) anordnen, dessen Steuerung die Konzentration der Beschäftigten so bindet, dass sich diese nicht entspannen können.

Zwar geht mit dem Bahnfahren im vorliegenden Fall nicht zwingend eine dem Gesundheitsschutz zuwiderlaufende Belastung nach der "Beanspruchungstheorie" des BAG einher. Die Beschäftigten können ihre Zeit während der Bahnfahrt im Prinzip frei gestalten. Für die hier maßgebliche europarechtliche Begriffsbestimmung ist indes allein entscheidend, ob der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt.

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Danach zählt die Bahnreisezeit hier als Arbeitszeit. Denn die regelmäßig mehrstündige An- und Abreise mit der Bahn ist einerseits bereits Teil der Leistungserbringung und beschränkt andererseits die Freiheit der Fahrer, über ihre Zeit selbst zu bestimmen. So hängt die Dauer der Bahnreisezeit allein davon ab, an welchen Ort das Fahrzeug überführt werden muss.

Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Quelle: ntv.de, awi/dpa

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