
Autor müsste man sein!
(Foto: Peter Littger )
Unser Autor ist dem verregneten Sommer in Deutschland entkommen - und im sonnigen Südwesten von England gelandet. Dort hat er nicht nur üppige Natur und ein Inselparadies entdeckt, sondern auch den angenehmen Einfluss des britischen Thronfolgers. Er ist schließlich der Herzog von Cornwall.
Meine schönste Entdeckungsreise in diesem unsommerlichen Sommer beginnt in London: Paddington Station, Gleis 2, "Great Western Railways" - kurz GWR -, drei Buchstaben auf einem moosgrünen Zug. Eine New Yorker Design-Agentur hatte den Schriftzug und das Corporate Design des Eisenbahnklassikers überarbeitet, ohne seine Ursprünge zu zerstören. So fährt die aufkommende Moderne des 19. Jahrhunderts weiterhin in Richtung Westen. Der Stahl und Drang der viktorianischen Zeit.
Ihr berühmtester Vertreter war Isambard Kingdom Brunel, für manche der Gustave Eiffel Englands - obwohl er das Vorbild war. Brunel gründete mehrere britische Eisenbahngesellschaften, baute Schienennetze, konstruierte Züge und Brücken. Eine ist als Eingangstor nach Cornwall bekannt: die "Tamar Bridge" in Plymouth. Sie führt über den Fluss Tamar, der Cornwall vom restlichen England trennt wie ein Reißverschluss.
Nach gut drei Stunden fährt der grüne Zug über die Brücke. Ich passiere, was die Menschen in Cornwall auch die "Jam first"-Grenze nennen. Im Unterschied zu den anderen Briten schmieren sie zuerst Marmelade auf ihre Scones und dann den Streichrahm – the clotted cream. So haben sie am Ende mehr Streichrahm als Marmelade.
Vertikale Gärten durchziehen das Land
Die hügeligen Wiesenlandschaften und die felsigen Küstenabschnitte, die bis hierher in der Grafschaft Devon vorbeigezogen sind, waren eine Einstimmung auf das, was in Cornwall auf mich zukommt. Trotzdem fehlt mir noch jede Vorstellung von der üppigen Natur: kilometerlange Tunnel aus Bäumen, Hecken und meterhohen vertikalen Gärten - the Cornish Hedges. Riesige Spinnen. Palmen. Exotische Blumen, nicht zuletzt auf den subtropischen Scilly Inseln im Atlantik. Immer wieder werde ich mich daran erinnern müssen, dass ich nicht in Barbados oder Südafrika bin. Sondern in England!
Die Endstation des Zugs heißt Penzance - ein Ort, der klingt, als komme man in Italien an. An einigen Orten fühle ich mich tatsächlich wie an einem norditalienischen See, zum Beispiel an der Südküste in Fowey (es wird "Foi" ausgesprochen - so wie joy). Dabei ist Penzance das südwestlichste Städtchen von Großbritannien - the southwesternmost town on the British mainland. Also von der großen Insel, auf der seit 1707 Schottland, Wales und England vereint sind.
Kernewek - die kornische Sprache ist im Kommen
Genau genommen ist Penzance gar keine Stadt, denn Cornwall hat nur eine einzige, nämlich Truro - ein Hauptstädtchen. "Penzance" bedeutet übrigens "heiliger Kopf" und kommt von "Penn-sans", was Kornisch ist: Kernewek – the Cornish language. Sie ist dem Walisischen und dem Bretonischen ähnlich und wird noch von ein paar Tausend Menschen gesprochen. Dass es mehr werden sollen, ist beschlossen - nachdem Jahrzehnte über die "Anglisierung" von Kernow, also von Cornwall, geklagt wurde, als wäre man in Frankreich. Die Ambitionen sind groß: Jedes Kind soll die Minderheitensprache lernen. Damit sie von allen verstanden wird, trägt die Initiative einen englischen Namen: "Go Cornish!"
Den Anfang machen die Schilder an öffentlichen Orten. Etwa am Bahnhof in Penzance: "Stevel-wortos ha Koffili" bedeutet "Warteraum und Café". "Tokynva" ist der "Fahrkartenschalter". Warnschilder sind weiterhin einsprachig englisch. Wie "Caution! Door opens outward!" Man will niemanden mit zu viel Kernewek vor den Kopf stoßen.
Eine Siedlung nach dem Geschmack des Königs
Noch größer ist das Bekenntnis in Nansledan. Der Ort entstammt der Fantasie des heutigen Königs, Charles III. - und seinen architektonischen Grundsätzen, die er 1989 als Herzog von Cornwall im Buch "A Vision for Britain" dargelegt hat.
Am königlichen Reißbrett entworfen, entsteht Nansledan seit 2012 als Vorort von Newquai an der Nordküste Cornwalls. Es ist eine neoklassizistische bis neomoderne Privatsiedlung - ohne eine Gated Community zu sein. Hunde muss man an der Leine führen, Kinderspielzeug darf man nicht herumliegen lassen und als Bewohner hat man - wie sonst kaum irgendwo im Königreich - Müll zu trennen.
Nach der Fertigstellung im Jahr 2026 sollen in Nansledan 8000 Menschen wohnen und nach dem Willen des Königs möglichst viele Fledermäuse hängen. Die Straßenschilder auf Cornish sind schon da. Sowie zwei reale Vorbilder: Die Siedlung Poundbury, die Charles vor 30 Jahren nahe Dorchester in Dorset gründete, ist mit heute 6000 Bewohnern ein Erfolg. Die Siedlung Knockroon in Südschottland gilt mit rund 100 Bewohnern hingegen als gescheitert.
Der Staat und sein zukünftiges Oberhaupt sind Rivalen
Bauen konnte Charles auf die Vorrechte als Thronfolger, der stets - sofern ein Mann! - Herzog von Cornwall ist. Was also mittlerweile an Prinz William übergegangen ist, diente dem König mehr als 60 Jahre als persönlicher Besitz, da das Duchy of Cornwall nicht nur einen hübschen Titel, sondern auch eine stattliche Menge Land umfasst. Laut Geschäftsbericht sind es gegenwärtig 541 Quadratkilometer - ein Zehntel mehr als der Zwergstaat Andorra.
Obwohl der Landbesitz außerhalb von Cornwall am größten ist (der meiste Grund und Boden liegt in Devon und nicht wenig in London), habe ich im Stammland etwas Bemerkenswertes beobachtet: Die Koexistenz des im britischen Staatsgebilde "Grafschaft" genannten Cornwall und des dynastischen, 1337 gegründeten Privatherzogtums schafft einen einmaligen Wettbewerb.
Dass er auch eine Rivalität ist, spiegelt sich in den kontroversen Debatten über die Privilegien des Herzogs, der weder Einkommenssteuer zahlen, noch Pächtern ein Vorkaufsrecht einräumen muss - wie sonst jedermann im Königreich.
Trotzdem hat das bizarre Nebeneinander des Staats und seines zukünftigen Oberhaupts positive Effekte. Während Überschüsse aus dem Herzogtum ausdrücklich dem Privatvermögen des Herzogs zufließen - im vergangenen Jahr waren es rund 28 Millionen Euro -, scheinen die herzoglichen Manager Land und Leute nicht auszusaugen. Ich habe mehrere Farmen besucht, die das Duchy verpachtet, ich war in Geschäften, die das Duchy betreibt, und ich habe in zwei von insgesamt 30 eleganten Ferienwohnungen gewohnt, die das Duchy vermietet. Zuerst im Pawton Mill Farmhouse, dann Tamarisk Cottage.
Der Brexit wird in Cornwall mittlerweile abgelehnt
Niemand war unzufrieden, auch nicht auf ausdrückliche Nachfrage. Im Gegenteil, es wurde Glück geäußert: über Bezahlung, Behandlung und über das Betriebsklima. Wer die Verhältnisse im gesamten Königreich kennt, weiß, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Nicht zuletzt nach dem Brexit, der in Cornwall Zustimmung fand, aber in heutigen Umfragen von einer Mehrheit abgelehnt wird. Doch was die Menschen in Cornwall in diesem Sommer wirklich plagt, sind die wochenlange, ungewohnte Trockenheit - und ihre Sonnenbrände. Probleme, die auch kein Herzog beseitigen kann.
Meine Anreise im Zug habe ich noch mehrere Male unterbrochen. Zunächst in St. Germans - schon weil die Durchsage wie "Ze Germans" klang. Die große Abteikirche und einen Teil des mehr als 1000 Jahre alten Anwesens des Earl of St. Germans hat das Duchy vor wenigen Jahren gekauft. Es sei eine persönliche Entscheidung von Charles gewesen, heißt es. Der Ort profitiert sichtbar davon.
Einige Stationen weiter besuchte ich Lostwithiel, wo sich im Mittelalter das Zentrum von Cornwall befand und der Herzog residierte. Mitten im Ort steht noch der Palast aus jener Zeit, in dem heute Antiquitäten verkauft werden. Auf dem höchsten Hügel liegt die Burgruine, die der erste Herzog und spätere Prinz von Wales erbauen ließ. Sie ist Teil des traditionellen Restormel Estate, ein parkähnliches Anwesen, durch das der grüne Zug fährt, und das übersät ist von herrschaftlichen Häusern und Höfen. Viele davon vermietet das Duchy als Holiday Cottages, darunter auch "Restormel Manor", ein Herrenhaus mit 18 Betten, wo sich die königliche Familie selbst gelegentlich aufhält. Die nahe gelegene Ortschaft Lostwithiel diente vor 700 Jahren als Hauptsitz des Herzogs, des "Schwarzen Prinzen" Edward von Woodstock. Sein mittelalterlicher Palast existiert noch heute - darin ein riesiges Geschäft für Antiquitäten. Und über allem thront die Ruine von Restormel Castle. Für mich das heimliche Herz von Cornwall.
Ein Inselparadies ohne Massentourismus
Von Penzance aus gelange ich schließlich mit dem Schiff auf die Scilly Inseln. Die Überfahrt begleiten Delfine. Der Hafen der Hauptinsel St. Mary wird vom Duchy verwaltet. Dem Herzogtum gehört die gesamte Inselgruppe, auf der nur 2000 Menschen wohnen und die zur Römerzeit wahrscheinlich noch eine große Insel war. Mehr als 15.000 Schiffe sollen an den gefährlichen Untiefen gescheitert sein. Wracktaucher haben daran ihre Freude.
Auch ich wäre beinahe gestrandet: Ich spürte die Lust, mich den seichten Verhältnissen zu ergeben, die das Duchy auf dem Archipel geschaffen und bewahrt hat - in einem Paradies, dessen Sandstrände und türkise Gewässer zu kalt sind für den Massentourismus. Für mich sind sie perfekt!
Anreise: Am besten mit dem Zug – weil es am schönsten ist und nur wenige gute Flugverbindungen existieren. Von London oder Bristol fährt The Great Western Railway (GWR) bis Penzance. Die rund 60 Kilometer im Atlantik gelegenen Scilly-Inseln erreicht man per Schiff von Penzance oder per Flugzeug von Exeter, Newquay oder Land's End. Am winzigen Flughafen auf der Insel St. Mary's kann man sich wie ein Zeitreisender fühlen – es gibt keine Sicherheitskontrolle!
Übernachten: Einfache bis luxuriöse Ferienwohnungen gibt es viele, Hotels nicht – schon gar nicht auf Topniveau. Ein Klassiker – mit prächtigem Meerblick, einem großen Spa und sehr guter Küche – ist das vollständig renovierte Headland Hotel in Newquay. Das Atlantic Hotel, in dem die Beatles einst abstiegen, liegt unweit, ist aber total heruntergekommen. Wer sich nach Privatsphäre in erstklassig ausgestatteten Landhäusern sehnt, kann 25 "Self-catering Cottages" des Herzogtums von Cornwall besuchen. Sie sind über das Festland und die Inseln verteilt: Ebenfalls im Besitz des Duchy, aber von privaten Pächtern geführt, ist die idyllische Rooke Farm. Besonders paradiesisch liegen mehr als 100 Apartments auf der Privatinsel Tresco. Unterdessen kann man auf St. Mary's im Star Castle wohnen, wie König Charles II. vor 400 Jahren: https://star-castle.co.uk.
Essen und Trinken: Lamm und Kalb prägen die Speisekarten Cornwalls genauso wie Schalentiere und Fisch. Wer es vegetarisch mag, kann auf Seegras setzen – Cornish seaweed. Es wird auf viele Arten verarbeitet, auch zu Nudeln. Auch kann Wein aus Cornwall ein Genuss sein – solange die hohen Preise nicht abschrecken. Einer von vielen Geheimtipps ist das Restaurant "The Harbour Fish and Grill" im Hafen von Newquay.
Sehenswertes: Hügel und Wiesenlandschaften, historische Farmen und Fischerdörfer und nicht zuletzt die wild bewachsenen Wege – the Cornish Hedges – Hecken und oft meterhohe vertikale Fährten, die sich scheinbar unendlich durchs Land schlängeln. Cornwall präsentiert sich zwischen März und Oktober wie ein großes Naturreservat mit unendlich vielen Überraschungen – etwa viele exotische Pflanzen, die durch das milde Klima des Golfstroms wachsen. Überwältigend ist zum einen das gesamte Scilly-Archipel. Auf dem Festland hat das "Eden Project", ein rund 50 Hektar großer botanischer Garten, die Bezeichnung "Paradies" verdient. Eine besondere Verbindung von Natur und Kultur bildet die elegante Töpfereikunst, etwa von John Webb oder Chris Prindl. Beide Töpfer arbeiten in Lostwithiel – das im Mittelalter die Hauptstadt Cornwalls war und noch heute, auch wegen seiner Antiquitätengeschäfte, einen Besuch wert ist. In der Nähe befindet sich das "Restormel Estate" des Herzogs von Cornwall, Prinz William. Die "Duchy Nursery" mit Pflanzengeschäft, Café und Restaurant bietet einen herrlichen Ausblick auf das Anwesen. Weitere verzückende historische Orte sind Port Isaac, Charlestown oder Folley und das Hauptstädtchen Truro. Um das alles entdecken zu können, kommt man auf dem Festland nur mit dem Auto weiter. Mietwagenstationen gibt es in vielen Orten. Auf den Scilly-Inseln ist ein Auto hingegen überflüssig.
Quelle: ntv.de