Leben

"Der beste Ort, um zu quatschen" Im Lieblingshaus von King Charles III.

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Der Charity-König: Während der Monarch für das Volk Arbeit und Entertainment geschaffen hat, erlebt er selbst seine gesellschaftliche Wirksamkeit.

(Foto: imago/i Images)

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Unser Autor hat Dumfries House besucht. Der Landsitz im Südwesten von Schottland gehört dem englischen König und dient ihm wie kein anderer zur Ausstellung seiner Einstellungen.

Robert Cockburn kommt fast jeden Tag, Sohn William begleitet ihn, manchmal auch Neffe Neil. Selbst bei schlechtem Wetter schlendern sie durch den Park und verweilen schließlich im Vorgarten des prächtigen, 263 Jahre alten Herrenhauses. Welcome to Dumfries House! "Hier ist der beste Ort, um zu quatschen", sagt Robert. Er sitzt auf dem Rand des großen Brunnens, der im Hintergrund plätschert. Der neue König hatte die Anlage vor neun Jahren eingeweiht, damals noch als Herzog von Rothesay - der Titel des Thronfolgers in Schottland. Brunnen und Garten widmete Charles einem "großzügigen Spender" aus Saudi-Arabien, der anschließend im fernen London noch einen Orden bekam. Aus Sicht der Cockburns gar kein Problem: "Wir sind froh, dass das alles hier entstanden ist - nicht für irgendeinen Scheich oder für die Königsfamilie, sondern für uns."

Gemeint sind die Menschen von Ayrshire. Das ist eine Region im Südwesten von Schottland - und eine der ärmsten im ganzen Königreich. Stand Dumfries House dort im 19. Jahrhundert im Mittelpunkt einer Kohleregion, die auch deshalb florierte, weil seine Eigentümer mit der Förderung viel Geld verdienten, wurde das Anwesen im Laufe des 20. Jahrhunderts zum stillen Zeugen des Niedergangs - der gesamten Gegend und seiner selbst.

Immer offen! Für alle!

Dass die Cockburns regelmäßig auf das rund 800 Hektar große Anwesen kommen dürfen und damit bei Weitem nicht die Einzigen sind, ist möglich, weil es immer offen ist: an 365 Tagen, Tag und Nacht. Seit 2008. Der Besucherparkplatz sei zu Beginn des Jahres schon zum zweiten Mal vergrößert worden, erklärt eine Sprecherin der königlichen The Prince's Foundation, die im Herrenhaus ihren Hauptsitz hat.

"Vorher war hier für Leute wie uns geschlossen", sagt Robert, der zugleich betont, dass ein alter Kumpel einige Jahre Zugang hatte: Er war Handwerker für Lady Eileen, die Witwe des 5. Marquis von Bute und 10. Grafen von Dumfries. Von ihr erzählt man sich, sie habe Dumfries House am Ende ihres Lebens nur noch mit einem Haushälter-Ehepaar bewohnt. "Und mit ihren Hunden", ergänzt Robert lachend und mit erhobenem Finger. "Wenn sie fernsah, saßen die Hunde auf den teuren Sofas, die heute von den Besuchern bestaunt werden."

Tatsächlich ist Dumfries House weit über Schottland berühmt für das, was es nach seiner Fertigstellung 1760 war - und seit einer umfassenden Renovierung wieder ist: ein exquisites Beispiel für den Stil des neoklassischen Palladianismus und des Rokoko in Großbritannien. Alleine dadurch war auch Prinz Charles auf das Anwesen aufmerksam geworden.

Nach dem Tod der alten Dame im Jahr 1993 war das Haus in "a limbo" gefallen, in einen Schwebezustand zwischen Himmel und Hölle, wie man während der Führung erfährt. Erbe war der 7. Marquis von Bute, der als Rennfahrer mit dem Namen Johnny Dumfries bekannt geworden war. Obwohl er selbst sehr vermögend war (er starb 2021), war ihm der Unterhalt für Dumfries House zu groß. 2007 entschloss er sich deshalb zum Verkauf: die Liegenschaft über einen Makler und das wertvolle Interieur durch das Auktionshaus Christie's in London. Alternativ verlangte er 45 Millionen Pfund - für alles.

Charles' schlaflose Nächte

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Wandeln wie Königs - das geht hier!

(Foto: P. Littger)

Prinz Charles, der von Denkmalschützern während einer Konferenz in Edinburgh über das Angebot informiert wurde, brauchte nicht lange, um sich zu entscheiden: Die Lastwagen, die mit Möbeln bepackt schon auf dem Weg nach London waren, wurden "nachts um eins zurückbefohlen", wie er in einem TV-Interview mit Alan Titchmarsh erzählte. Die Auktion wurde abgeblasen - und der Katalog ist zu einem Sammlerstück geworden.

Mithilfe eines Konsortiums mehrerer Stiftungen sowie der schottischen Regierung, die fünf Millionen Pfund dazugab, veranlasste Charles den Kauf. Seine eigene Stiftung übernahm 20 Millionen Pfund, was er als "schreckliches Risiko" beschrieb, das ihm sogar schlaflose Nächte bereitet haben soll. Schließlich hatte er sich kurz vor der internationalen Finanzkrise verpflichtet, das millionenschwere Engagement vollständig mit Spenden zu decken.

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Eine Treppe ins Nichts - oder aufs Pferd? Eine soziale Frage.

(Foto: P. Littger)

Dabei war der Kaufpreis von 45 Millionen Pfund, der heute ungefähr 90 Millionen Euro entspricht, ein Schnäppchen. Wenn man bedenkt, dass ein einziger Schrank von Thomas Chippendale ein gutes Viertel des Kaufpreises wert ist! So hatte das Auktionshaus für das als "Magnificent Late George II Gilded Limewood Breakfront Bookcase" bezeichnete Stück ein Vorabangebot von rund 15 Millionen Euro abgelehnt, weil man einen Endpreis von mindestens 25 Millionen Euro erwartete. 600 originale Möbel von Chippendale zählen (mit entsprechenden Kaufbelegen) zum Inventar. Hinzu kommen viele kostbare Stücke aus den schottischen Werkstätten von Alexander Peter oder Francis Brodie, Kristallkronleuchter aus Murano, Meißen- und Wedgewood-Porzellan oder raumgroße Teppiche von Axminster.

"The Walled Garden": Wurde auch aus dem Märchenschlaf geweckt - und nach Queen Elizabeth benannt.

"The Walled Garden": Wurde auch aus dem Märchenschlaf geweckt - und nach Queen Elizabeth benannt.

(Foto: P. Littger)

Doch es sind längst nicht nur die historische Gestalt und Ausstattung des Hauptgebäudes, warum Dumfries House für Charles zum Haus der Träume geworden ist. Vielmehr ist es die Entwicklung der gesamten Anlage, die er sich gegönnt hat - und die heute ein Naherholungsgebiet für die Bevölkerung im armen Umland darstellt. Dumfries House ist also das größte soziale Sanierungsprojekt, das der König jemals angestoßen hat.

Charles selbst hat erklärt, dass sich in Dumfries House die Gelegenheit bot, einen Ort zu schaffen, der wie kein anderer seine Vorstellungen widerspiegelt. Dazu trug nicht zuletzt die wirtschaftlich miserable Ausgangslage in Ayrshire bei. Hier konnte der Thronfolger verwirklichen, was er bis dahin nur verteilt auf unterschiedliche Orte hatte: in seinen Lieblingresidenzen Clarence House in London, Highgrove in Gloucestershire und Birkhall in Balmoral. Im Familienschlösschen Castle of Mey an der schottischen Nordküste. In den Musterstädtchen Poundbury und Nensladen in Cornwall. In seinen Gutshöfen Llwynywermod in Wales oder Zalánpatak in Rumänien.

So tickt Charles

Wo früher die Pferde fraßen, gibt es heute Scones und Kaffee.

Wo früher die Pferde fraßen, gibt es heute Scones und Kaffee.

(Foto: P. Littger)

Tatsächlich ist Dumfries House zu einer Art Ausstellungsgelände für Charles' Einstellungen geworden - eine Manifestation des Mindset, den er seit Jahren kundtut und predigt. Seien es seine Ideale von Schönheit und Gesundheit. Seien es seine Forderungen nach mehr baulicher Tradition und ökologischer Rücksicht. Oder sei es seine Überzeugung, dass Menschen letztendlich nur in ökonomischer Eigenverantwortung glücklich werden können - was sich auch als Mahnung an den Monarchen selbst richtet. Schließlich kann er nicht alleine von Alimentationen leben, wenn er als Vorbild vorangehen möchte. Wie kaum ein anderer in der Welt kultiviert er die Spende als Mischform aus Arbeit und Alimentation.

"Charity": Diese herrliche Allegorie hängt im Eingang des Gästehauses.

"Charity": Diese herrliche Allegorie hängt im Eingang des Gästehauses.

(Foto: P. Littger)

Mit geschätzten 120 Millionen Euro ist es Charles gelungen, das Anwesen von Dumfries House in eine eigene kleine Welt zu verwandeln: mit zauberhaften Gärten und Ställen voller glücklicher Tiere. Mit Ausbildungsstätten für traditionelles Handwerk und Ateliers für bildende Künste. Mit einem luxuriösen Gästehaus - "Dumfries House Lodge" - voller britischer Antiquitäten. Mit einem "Medical Centre", wo sich die lokale Bevölkerung gratis untersuchen, behandeln und massieren lassen kann. Mit einem Café im früheren Pferdestall und Kutscherhaus. Dazu Liegewiesen und Spielplätze. Während der Monarch für das Volk Arbeit und Entertainment geschaffen hat, erlebt er selbst seine gesellschaftliche Wirksamkeit. In einem Wort: Das ist "Charity" - wie sie auch auf einem alten Stich im Eingang der Lodge abgebildet ist.

Eine Treppe ins Nichts

Bei aller Offenheit ist sich Robert Cockburn allerdings bewusst, dass er sich jedes Mal in einer völlig anderen, fremden Welt bewegt. Wie abgehoben sie ist, zeigt er im Vorbeigehen: "Weißt du, was das ist?", fragt er den Reporter und zeigt auf drei alte Steinstufen, die an einem Nebeneingang des Hauses stehen. Keine Ahnung! "Für die Adeligen, die hier wohnten, war es eine Einstiegshilfe, um aufs Pferd oder in die Kutsche zu kommen. Für Menschen wie mich ist es eine Treppe in Nichts!"

Vielleicht kann man es so sehen: Zu den wenigen, die in Ayrshire neuerdings besser gestellt sind, zählen ungefähr 200 Menschen, die in Dumfries House Arbeit gefunden haben. Das Königsprojekt ist ohne Zweifel eine edle und schöne Tat. Doch an den wahren Lebensverhältnissen der meisten Menschen wird es nichts ändern.

Quelle: ntv.de

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