Reise

Paris hin und zurück Warum verreisen in Terrorzeiten okay ist

Bedrohlich, aber auch irgendwie beruhigend.

Bedrohlich, aber auch irgendwie beruhigend.

(Foto: imago/Fotoarena)

Sollte man "heutzutage" denn überhaupt noch unterwegs sein? Sollte man sich nicht zu Hause einsperren und höchstens noch auf den Balkon vortreten? Nein, sollte man nicht. Reisen bildet, entspannt und macht glücklich.

Es ist nicht mal wirklich verreisen, was mich jetzt nach Frankreich treibt, es ist eine Geschäftsreise. Und das bedeutet zweimal am Tag fliegen, sich zweimal innerhalb eines Tages sämtlichen Gefahren des modernen Lebens hingeben: Passkontrolle, Schlange stehen, unangehmes Abtasten, Taschengewühle, Strahlung, Enge, andere Menschen, Terrorangst, schlimme Gerüche. Neben den schlimmen Gerüchen (Deo-Armut, rohe Zwiebel, Döner mit Soße, ekliges Parfüm aus der Duty-Free-Zone) ist die Angst vor dem Terror wirklich die größte Sorge, die die Deutschen umtreibt; nicht einmal der Gedanke, dass man mit so einem Flugzeug abstürzen könnte, ist der herausragende. Doch am Abend, wieder daheim, überwiegt natürlich die Freude darüber, dass man es mal wieder geschafft hat. Was bleibt, sind Erinnerungen. Gute.

Pack die Badehose ein ...

Pack die Badehose ein ...

(Foto: dpa)

Flughafen Schönefeld, acht Uhr morgens: Es ist noch kühl, die Menschenmenge, die sich in die Abfertigungszone begibt, überschaubar. Eine gewisse Aggressivität ist jedoch spürbar, sobald die Menschen sich auf die Pelle rücken müssen. Es ist überflüssig, anzumerken, dass es immer piept, wenn ich durch die Kontrolle gehe. Aber das nehme ich inzwischen gern in Kauf, wenn ich dafür weiß, dass es der Sicherheit dient. Was ich nicht in Kauf nehmen kann, sind kleine Männer, die ihre kleinen Kinder hinter sich herzerren, zu laut sind, die ihren Koffer aufs Band knallen statt legen und die lautstark verkünden, dass sie ihr Kleingeld, höhö, gleich im Duty-Free-Bereich "auf den Kopp hauen werden". Auch überflüssig, zu erwähnen, dass der kleine Mann neben mir im Flugzeug sitzen wird und noch circa drei Mal aufstehen muss, um etwas aus dem Koffer zu kramen. Blöd nur, dass er so schwer rankommt an das Gepäckfach. Da ich drei Mal aufstehen muss, stehe ich natürlich immer im Weg, was die Frau hinter mir damit quittiert, dass sie mir ihren Rollkoffer in die Hacken rammt. Süß, sie hat es eilig, verstehe ich ja. Wir fliegen sicher eher los, wenn sie drängelt.

Natürlich fliege ich weiter!

Sie merken: ich habe Zeit, mich über all die Macken meiner Mitreisenden zu mokieren, aufzuregen, sie überhaupt zu bemerken, und daraus könnte man nun messerscharf schließen, dass ich nicht drohe, vor Angst zu verrecken. Es gibt viel zu viele gute Gründe, warum dieser Flug schön ist, warum der Tag wichtig wird, warum überhaupt sehr vieles gelingt. Warum wir uns nicht davon abhalten lassen sollten, unseren Plänen nachzugehen. Zugegeben, einen Termin in Istanbul müsste ich jetzt nicht haben, ich werde weiterhin den Süd-Sudan meiden und wenn irgendwo eine Bombe gerade hochgegangen ist, dann zieht es einen nun nicht direkt an diesen Ort, obwohl er dann garantiert zu den sichersten Orten auf der ganzen Welt gehört.

Wenn man in einem Regionalzug nicht mehr sicher ist, wenn ein LKW einen auf der Fußgängerpromenade umsemmeln kann, wenn nicht mal mehr eine Kirche davor schützt, erschossen oder sonstwie perfide umgebracht zu werden, dann bleibt einem nur das Verharren in den eigenen vier Wänden oder die Flucht nach vorn. Jeden Tag könnte ich auf dem Weg zur Arbeit vor die S-Bahn geschubst, auf dem Fahrrad über den Haufen gefahren, von einem Irren beim Betreten meiner Arbeitsstelle abgeknallt werden.

Natürlich fliege ich also weiter. Am allerschönsten sind die Momente, in denen man dann alles vergisst. Wenn man sich in einem interessanten Gespräch mit Kollegen wiederfindet, sich ein Buch gekauft hat und noch im Flugzeug anfängt zu lesen und hofft, dass man noch ein Kapitel schafft; und wenn man dann an dem Ort ist, an den man wollte, dann darf man glücklich sein. Ein französischer Vorort zum Beispiel, ein nettes Bistro, gute Luft, ein Trödelladen und sogar der Bettler an der Ecke, der hier Clochard heißt und uns in ein Gespräch verwickelt, geben einem das Gefühl, dass die Welt doch noch nicht vollends verroht ist, dass es noch Frieden geben kann, dass wir nicht verloren sind!

Und die Polizeipräsenz an Flughäfen, Bahnhöfen, vor Stadien, Großveranstaltungen jeder Art, darf in Zeiten wie diesen gerne hoch sein. Also - weiterreisen! Nicht nur nach Frankreich, aber auch nach Frankreich. Abwägen, Reisewarnungen und Sicherheitshinweise ernst nehmen, aber nicht entmutigen lassen!

Quelle: ntv.de

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