James, Durant, Curry abgehängt Junge Wilde beenden eine historische NBA-Ära
29.04.2024, 19:18 Uhr
Edwards (rechts) ließ Durant (Mitte) keine Chance.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Mehr als ein Jahrzehnt dominieren LeBron James, Stephen Curry und Kevin Durant die NBA. Die große Ära ist vorbei: In der besten Basketball-Liga der Welt sorgt eine Reihe von Jungstars für Furore, ein krachender Dunk leitet die Zeitenwende ein. Den alten Legenden bleibt noch eine besondere Hoffnung.
Gut zwei Minuten sind in der Wüste Arizonas noch zu spielen, als Anthony Edwards mal wieder wie von allen guten Basketballgeistern verlassen abhebt. Am linken Flügel lässt der 22-jährige Ausnahmespieler der Minnesota Timberwolves zunächst Bradley Beal, der beim Heimspiel seiner Phoenix Suns eigentlich die letzten NBA-Playoff-Hoffnungen am Leben erhalten wollte, mit einem Crossover-Moves stehen. Nur drei Schritte später springt Edwards hoch, reißt den Ball mit der rechten Hand hinter seinen Kopf, um ihn dann mit einem lauten Knall in den Ring zu stopfen. Beal trifft den 22-Jährigen dabei noch mit der Hand am Hinterkopf, Megastar Kevin Durant eilt zwar kurz zur Hilfe, duckt sich dann aber doch lieber weg. Die Auswechselbank Minnesotas rastet komplett aus.
Von diesem krachenden Dunk für die Timberwolves erholen sich die Suns nicht mehr, kurz darauf steht die 116:122-Niederlage endgültig fest. Doch das Highlight steht noch für so viel mehr. Es ist ein Ausrufezeichen. Edwards und seinen Teamkollegen gelingt in Phoenix der "Sweep", sie kegeln Durant und Co. in der ersten Runde mit 4:0 aus den Playoffs. Die Timberwolves gewinnen zum ersten Mal seit 2004 eine Serie in der Postseason, während die Millionentruppe aus der Wüste, die eigentlich den Meister Denver Nuggets stoppen sollte, bei Buchmachern als ernsthafter Titelkandidat gehandelt, tief fällt.
Edwards, den manch ein übereifriger Experte schon mit Michael Jordan vergleichen will, und sein Dunking sind aber vor allem das Sinnbild schlechthin für einen Machtwechsel in der NBA. Für das Ende einer Ära. Durant geht lieber aus dem Weg, denn die Zeit der neuen, jungen Superstars ist angebrochen. Sie heißen Anthony Edwards, Tyrese Haliburton (Indiana Pacers), Shai Gilgeous-Alexander (Oklahoma City Thunder), oder Tyrese Maxey (Philadelphia 76ers). Natürlich gehören auch die schon etablierteren Nikola Jokić (Denver Nuggets), Luka Dončić (Dallas Mavericks), Joel Embiid (76ers) und Jayson Tatum (Boston Celtics) zur neuen Generation der Gesichter der NBA.
13 NBA-Finals, 11-mal James oder Curry
Die Ära von Durant (35 Jahre), LeBron James (39) und Stephen Curry (36), sie geht schleichend dem Ende zu. Genau ein Playoff-Spiel haben diese drei Größen des Basketballs, die die vergangenen 20 Jahre der NBA dominierten, in dieser Saison gewonnen. Curry war mit seinem Warriors gar nicht erst dabei und Durant musste den "Sweep" über sich ergehen lassen, dem James gerade noch so entkam. Doch das Team vom "King", die Los Angeles Lakers, stehen mit einem Sieg und drei Pleiten in der Serie mit dem Champion aus Denver vor dem sicheren Aus. Die Kalifornier hatten gar elfmal in Folge gegen die Nuggets verloren, bevor der Erfolg zum 1:3 gelang. Zu dominant sind Jokić und seine Kollegen, die die seit zwei Jahren die Nummer eins in der Western Conference sind.
In den vergangenen 13 NBA-Finals standen elfmal LeBron James oder Stephen Curry auf dem Parkett. Viermal gewann James (zwei Titel mit den Miami Heat, jeweils einer mit den Cleveland Cavaliers und den Los Angeles Lakers), viermal triumphierte Curry mit seinen Golden State Warriors. Erst jüngst ernannte der "King" seinen langjährigen Widersacher im eigenen Podcast zum "einflussreichsten Spieler" seiner Generation, weil er mit seinen Dreipunktewürfen das gesamte NBA-Spiel verändert hat. Kevin Durant schnappte sich bei seinen beiden Titeln mit den Warriors zusätzlich noch den Finals-MVP-Award.
Doch mittlerweile besitzen andere Spieler mehr Hunger, Leidenschaft und Spielwitz, andere Teams mehr Talent. Mehr Dominanz. Das ist der natürliche Lauf der Dinge im Sport, dem auch Legenden unterliegen. Allen voran dürfen Denver und Boston, die gut geölten Gewinner-Maschinen, als heißeste Kandidaten auf die Meisterschaft gehandelt werden. Minnesota und Oklahoma (führen 3:0 gegen die New Orleans Pelicans) überzeugen ebenfalls. Auch die Indiana Pacers (gegen die Milwaukee Bucks ohne Giannis Antetokounmpo, immerhin Meister von 2021) und die New York Knicks um Jalen Brunson (gegen einen angeschlagenen Embiid und die 76ers) vor dem Einzug in die zweite Runde.
Zeitenwende und Olympia-Traum
Früher durfte man in großen Spielen nie gegen James oder Curry wetten. Das lehrten die vergangenen zwei Jahrzehnte. Zwar können sie noch immer einer Partie ihren Stempel aufdrücken, genauso wie Durant. Können das Spiel an sich reißen und mit patentierten Korblegern und Dunkings (James), Treffern aus der Mitteldistanz (Durant) oder Dreipunktwürfen (Curry) jeden Gegner schlagen. Allerdings funktioniert das nur noch an sehr guten Tagen. Und diese werden für sie immer seltener. Die sehr guten Tage der anderen werden dafür zur Routine. Das Können der älteren Generation reicht nun nicht mehr, um eine Playoff-Serie zu den eigenen Gunsten umzubiegen.
Es ist ein Wendepunkt. Eine Zeitenwende. An den Thronen wird gewackelt, die Jung-Stars werden zu Usurpatoren und übernehmen. Curry hat mit den Warriors zum dritten Mal in fünf Jahren die Playoffs verpasst, Durant konnte seit seiner Zeit bei Golden State nichts mehr reißen und James wird in der Western-Conference wohl nie wieder an den Nuggets um Jokic vorbeikommen. Die Misserfolge liegen natürlich nicht nur an den alternden Superstars, die Warriors hatten mit den vielen Eskapaden und Sperren von Draymond Green zu kämpfen, die Lakers mit dem zu wenig körperlichen Spiel von Anthony Davis und der zu geringen Unterstützung der Rollenspieler und die Suns mit nicht vorhandener Defensive und Aufbauspiel.
Dennoch: Den Oldies bleibt in diesem Sommer lediglich der Traum von olympischem Gold. Bei den Sommerspielen in Paris werden Curry, Durant und James mit den Youngstern, neben Edwards gehören auch Haliburton und Tatum zum Team USA, gemeinsam für Furore sorgen. Die Staffelstab-Übergabe mit der Medaille um den Hals? Gut möglich.
Über Dekaden haben James, Durant und Curry Fans in Ekstase versetzt und Gegner in den Wahnsinn getrieben. Sie wurden zu mehr als Spielern, zu Helden und Symbolen. Die NBA lebt mehr als jede andere Liga von ihren Stars und stützte sich ein Jahrzehnt lang auf das Trio. Gold in Paris wäre ein Abtritt vom Thron in Würde, auch wenn es die drei natürlich nicht lassen können und in den kommenden Jahren weiteren Rekorden, Playoff-Teilnahmen und Meisterchancen nachjagen werden.
Karrieren nicht vorbei, Ära schon
Sie werden weiterhin Blut, Schweiß und Tränen geben, werden bis zum Ende ihrer Karrieren ihre schillernden Momente haben, werden sich über die Erwartungen an Spieler ihres Alters einfach weiter hinwegsetzen, schließlich gehören sie auch in dieser Saison noch zu den besten Schützen der Liga. Gut möglich, dass sie noch mit 40 Jahren die NBA aufmischen. Ihre Fans bleiben ihnen ohnehin treu, ihre Teams bleiben relevant allein durch ihre Präsenz. Trotzdem: Die große Ära dieser Ikonen ist vorbei. Dass zwei von ihnen sich noch einmal in einem Finale gegenüberstehen, scheint kaum möglich.
Als Anthony Edwards, dessen Vorbild Kevin Durant ist, zu Beginn des dritten Viertels merkt, dass die Suns ihre Verteidigung umstellen und ihn nun im Eins-gegen-Eins verteidigen, nimmt der Star der Minnesota Timberwolves die Herausforderung an. So wie Curry, Durant und James in den Jahren vor ihm. "Es hieß: Du allein musst uns schlagen", erklärt er später. "Und ich habe es ihnen gezeigt."
"Er ist das Gesicht der Liga, das sage ich immer wieder. Er hasst es, wenn ich es sage, aber es ist wahr", sagt Karl-Anthony Towns nach dem Erfolg über Edwards. 31 seiner 40 Punkte erzielt dieser in der zweiten Hälfte. Keinen davon so nachdrücklich wie der krachende Dunk, der alles verändert.
Quelle: ntv.de