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Doping und Politik, Macht und Geld Russlands Sportsumpf ist abgrundtief

Bei einem Rauswurf aus dem Leichtathletik-Weltverband könnten die russischen Sportler auch nicht an den Olympischen Spielen 2016 teilnehmen.

Bei einem Rauswurf aus dem Leichtathletik-Weltverband könnten die russischen Sportler auch nicht an den Olympischen Spielen 2016 teilnehmen.

(Foto: dpa)

Vor der Entscheidung über die Zukunft von Russlands Leichtathleten beginnen dort erste Aufräumarbeiten. Die versprochenen Maßnahmen wirken jedoch halbherzig und eilig vorgeschoben: Der Sportfilz in Putins Land ist immens.

Witali Mutko hat seinen Marlon Brando gelernt. In bester Manier des Paten stellte sich Russlands Sportminister hin und gelobte mit sanfter Stimme Besserung: Eine schlimme Sache sei dies mit dem Doping, und wenn die Welt mit Russland ein Problem habe, dann müsse man eben darüber reden. "Sollten Wada, IAAF und IOC das fordern, werden wir unser Anti-Doping-System reformieren", sagte Mutko. Zuvor hatte bereits sein alter Kumpel, Staatschef Wladimir Putin, Aufräumarbeiten in Folge des Dopingskandals in der russischen Leichtathletik angekündigt.

Mehr als Sportsfreunde: Wladimir Putin und Sportminister Witali Mutko (r.).

Mehr als Sportsfreunde: Wladimir Putin und Sportminister Witali Mutko (r.).

(Foto: AP)

Beteuerungen gut, Ankündigungen schön - doch es braucht viel mehr, um den russischen Sport wieder in einen akzeptablen Zustand zu befördern. Nicht nur die Leichtathletik, welcher der Wada-Bericht eine "tief verwurzelte Betrugskultur" attestiert hatte, ist verseucht. Auch andere russische Paradedisziplinen behelfen sich augenscheinlich mit einem ausgeklügelten Dopingsystem, das an DDR-Zeiten erinnert.

Russlands Schwimmer kommen seit 2009 auf zwei Dutzend positive Tests. Die gefundenen Substanzen gehören zum Härtesten, was Labore zu bieten haben. Die "Times" berichtet, dass Doping mit Oral-Turinabol - einstiges ostdeutsches Standard-Anabolikum - die Regel ist. Die Hälfte der überführten Wassersportler war im Teenager-Alter, darunter ein 14-jähriges Mädchen.

IAAF entscheidet über Rauswurf

Im Skandal um systematisches Doping in Russland debattiert der Leichtathletik-Weltverband IAAF ab 19 Uhr über die von der Wada-Untersuchungskommission geforderte Suspendierung des Landes. Zunächst werde das russische Council-Mitglied Michael Butow Gelegenheit erhalten, die Position des russischen Verbands zu erklären. Danach dürfe Butow nicht mehr an der weiteren Konferenz teilnehmen. Bei der Abstimmung über eine Suspendierung des russischen Verbands reicht eine einfache Mehrheit der Council-Mitglieder. Bei einem Patt entscheidet die Stimme von IAAF-Präsident Sebastian Coe. Nach der Entscheidung wird es eine offizielle Stellungnahme der IAAF geben.

Trainern "auf die Finger hauen"

Sportminister Mutko kündigte daraufhin an, man werde an die Sportschulen gehen und betreffenden Trainern "auf die Finger hauen". Knallharte Strafverfolgung nach russischer Art. Die rund 1400 der vom mittlerweile aus dem Verkehr gezogenen Moskauer Anti-Doping-Labor zerstörten Blutproben stammten aus fast allen Sportarten, Sommer wie Winter. Letzteres ist kaum verwunderlich: Skilangläufer und Biathleten sorgten im letzten Jahrzehnt kontinuierlich für Skandale.

Es ist ein bemerkenswert offensichtlicher und systematischer Betrug. Ein Betrug aber, der von der internationalen Sportgemeinschaft bislang nicht sanktioniert wurde. Im Gegenteil, er wurde sogar belohnt: Der mächtige Sportfreund Putin nutzte sämtliche Kontakte, um das Beste vom Besten in Sachen Sportevents ins Land zu holen.

Im Sommer 2013 fand die Leichtathletik-WM in Moskau statt, die besten Judoka (2014) und Schwimmer (2015) machten ebenfalls Station in Russland. Die Formel 1 gastiert in Sotschi, 2016 richtet Russland die Eishockey-WM aus und 2018 findet im ganzen Land die Fußball-WM statt. Mit weniger gab sich Putin nicht zufrieden, um ein modernes Russland zu inszenieren.

Geben und Nehmen

Das System ist dabei immer das gleiche: Putin und die Funktionäre der verantwortlichen Großverbände stützen sich gegenseitig. Bestes Beispiel: Putin lobte den wackelnden Fifa-Boss Joseph Blatter ausdauernd dafür, dass dieser zwischen Sport und Politik zu trennen wisse. Blatter wiederum bestätigte mitten in jeder russischen Menschenrechtskrise, dass es keine Pläne gebe, den Russen die Fußball-WM 2018 zu entziehen.

Ob Putin und Blatter, Putin und Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, Putin und der damalige Leichtathletik-Präsident Lamine Diack oder Putin und Judo-Boss Marius Vizer - überall lief es ähnlich. Und für den Rest an nötigen Argumenten sorgen Sponsoren-Millionen russischer Großunternehmen.

Dabei wollen Putin und seine Geldgeber freilich heimische Athleten siegen sehen - und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Doping und Politik, Macht und Geld, irgendwie hängt in der Causa Russland alles zusammen. Dieses Geflecht nachhaltig zu entwirren, scheint mit den vorhandenen Mitteln illusorisch.

Quelle: ntv.de, Christoph Leuchtenberg, sid

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