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Zwei Trainer, zwei Gefühlswelten Tuchel kämpft beim BVB, Leipzig liebt "Hasi"

Thomas Tuchel hat beim BVB schon bessere Zeiten erlebt.

Thomas Tuchel hat beim BVB schon bessere Zeiten erlebt.

(Foto: imago/Thomas Frey)

Nicht nur tabellarisch, auch emotional trennen Dortmund und Leipzig vorm Topspiel Welten: Während sich die BVB-Euphorie um Thomas Tuchel empfindlich abkühlt, ist Ralph Hasenhüttl begehrt wie nie.

Einen Fußballklub installieren, um den Absatz einer Getränkemarke zu fördern - seit sie in Leipzig mit großem Erfolg dieses Projekt vorantreiben, haben es sich die Macher zur Angewohnheit gemacht, vorwiegend moderate Töne zu wählen. Schließlich wird das Unternehmen vielerorts sowieso schon mit Argusaugen beobachtet. Da ist es ratsam, nicht auch noch mit Sprüchen aufzufallen. Im Vorfeld des Spitzenspiels bei Borussia Dortmund (Samstag, 18.30 Uhr) hat Oliver Mintzlaff gegen diese eherne Regel verstoßen. Der Geschäftsführer von RB Leipzig gab zu Protokoll, im Nachhinein sei er "nicht traurig, dass es im Sommer 2015 nicht geklappt hat, Thomas Tuchel zu verpflichten". Der wechselte bekanntlich nach Dortmund.

Mintzlaffs Aussage kann man so interpretieren, dass sie in Sachsen heilfroh sind, mit Ralph Hasenhüttl einen Trainer gefunden zu haben, der beim Aufsteiger erstklassige Arbeit abliefert. Fakt ist aber auch, dass sehr genau registriert wird, welche atmosphärischen Störungen es derzeit bei der Konkurrenz aus dem Ruhrgebiet gibt. Im Mittelpunkt der Diskussionen steht Tuchel, der Mann also, mit dem der damalige Zweitligisten seinerzeit heftig geflirtet hatte. Sportdirektor Ralf Rangnick war sich sicher gewesen, dass er seinen früheren Spieler nach Sachsen lotsen kann – bis Tuchel an Ostern 2015 unvermittelt per SMS absagte und RB Leipzig bei der Trainersuche in die Bredouille brachte.

Verein und Trainer driften auseinander

Am Ende landete der angesagteste deutsche Trainer beim BVB, wo er nach einer fulminanten Premierensaison derzeit schwere Zeiten erlebt. Nicht nur, weil seine Mannschaft in der Liga den Erwartungen hinterherhinkt und sich dabei zu Beginn der Rückrunde seltsam blutleer und verzagt präsentiert. Sondern auch, weil es um den Betriebsfrieden beim BVB schlecht bestellt ist. Wird Tuchel auf die schwelenden Querelen angesprochen, lächelt er tapfer und verweist darauf, Trainer und Umfeld befänden sich "nach eineinhalb Jahren noch in einem Prozess des Kennenlernens".

Das ist rhetorisch geschickt formuliert. Dennoch verfestigt sich der Eindruck, als befänden sich die Protagonisten vielmehr in einem Zustand der Entfremdung. Tuchel hatte nie ein solch inniges Verhältnis zu Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wie sein Vorgänger Jürgen Klopp, die drei verbindet noch immer eine Männerfreundschaft. Zwischen Watzke, Zorc und Tuchel scheint sich aber nun selbst die anfangs gedeihliche Arbeitsatmosphäre empfindlich abgekühlt zu haben.

Das Verhältnis von Michael Zorc (l.) und Hans-Joachim Watzke zu ihrem Cheftrainer hat sich abgekühlt.

Das Verhältnis von Michael Zorc (l.) und Hans-Joachim Watzke zu ihrem Cheftrainer hat sich abgekühlt.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Zum ersten Mal wurden Probleme publik, als sich Tuchel im vergangenen Jahr mit Sven Mislintat überwarf. Mislintat ist als Chefscout eine überaus anerkannte Fachkraft und zudem engster Mitarbeiter von Zorc. In der Folge wurde der 44-Jährige, der für seinen Arbeitgeber so hochkarätige Talente wie Ousmane Dembélé, Raphael Guerreiro und Emre Mor findet, zum "Leiter Profifußball" befördert.

Ein deutliches Zeichen im internen Machtkampf. Tuchel merkt, dass es "auf einem sehr hohen Niveau unruhig ist". Der Schwabe gilt als extrem ehrgeizig, viele empfinden ihn als wenig nahbar. Der 43-Jährige selbst beschreibt die derzeitige Situation als "Prüfung". Es gehe darum, "damit umzugehen und gelassen zu bleiben". Schließlich warten in der Meisterschaft, dem Pokal und der Champions League richtungweisende Wochen. Watzke hat vor Beginn der Rückrunde noch einmal unmissverständlich betont, an Platz drei – und damit der direkten Qualifikation für die Königsklasse – führe kein Weg vorbei.

Gespräche über eine vorzeitige Verlängerung des bis 2018 datierten Vertrags sind auf ausdrücklichen Wunsch Tuchels bis nach dem Saisonende verschoben worden. Bis dahin will sich der Trainer einzig und allein auf seinen Job konzentrieren. "Jetzt ist Rückrunde, jetzt ist Tunnel." Derzeit scheint offen, ob sich die Parteien annähern. Man werde "ein Gefühl entwickeln, ob das für beide Seiten auch über die drei Jahre hinaus Sinn ergibt", sagte Watzke zuletzt dem Magazin "Stern". Das klingt irgendwie diffus und nicht nach größtmöglichem Vertrauen.

Ego Rangnicks eine Herausforderung

In Leipzig hingegen passt dieser Tage kein Blatt Papier zwischen Geschäftsführer, Sportdirektor und Trainer. Die Einigkeit des Triumvirats Mintzlaff, Rangnick und Hasenhüttl ist einer der großen Erfolgsfaktoren beim Überraschungsklub. Sowohl die Mannschaft auf dem Platz als auch das Personal auf der Bank und auf der Geschäftsstelle haben in dieser Spielzeit von Anfang an größtmögliche Einigkeit demonstriert.

Ralf Rangnick und Ralph Hasenhüttl - ein Team, das gut harmoniert.

Ralf Rangnick und Ralph Hasenhüttl - ein Team, das gut harmoniert.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Dabei war es während der Trainersuche im vergangenen Frühjahr eine der größten Herausforderungen gewesen, einen Mann zu finden, der dem gewaltigen Ego von Rangnick mit seinem ausgeprägten Ehrgeiz und Drang nach Perfektion nicht nur gewachsen ist, sondern fachlich und menschlich selbst Akzente setzen kann. Nicht umsonst sagte Mintzlaff in Bezug auf die Suche nach einem neuen Geschäftsführer bei der Tagung "Spobis" in dieser Woche: "Wir müssen immer einen finden, der auch zu Ralf Rangnick passt – und das ist nicht so einfach."

Doch Hasenhüttl, der Rangnick 2015 zunächst ebenfalls abgesagt hatte, hat es mit der seltenen Mischung aus Fachwissen und Emotionalität, Selbstbewusstsein und Demut vom ersten Tag an geschafft, nicht nur seine Mannschaft und ihre Fans, sondern auch den Manager zu begeistern. Nicht umsonst sagte Rangnick jüngst, dass er den Österreicher für einen besseren Trainer halte als sich selbst. Deutlicher konnte der Chef Respekt und Wertschätzung für seinen wichtigsten Angestellten nicht ausdrücken.

"Hasi" reißt das Team mit

Der gebürtige Grazer hat der bisweilen zu verkopften Leistungsgesellschaft in Leipzig Charme, Seele und Leichtigkeit verliehen. Der 49-Jährige trifft den Ton bei den Spielern auch deswegen so gut, weil er nicht nur knapp zehn Jahre jünger ist als Rangnick, sondern gefühlt auch aus einer anderen Generation kommt. Für das junge Team ist "Hasi" wie der Lieblingslehrer in der Schule, der seine Klasse mitreißt und dabei auch die Hinterbänkler nicht vergisst.

Selbst von vermeintlich unzufriedenen Spielern wie Davie Selke oder Rani Khedira ist kein schlechtes Wort über den Coach zu hören. Auch Rangnick ist beliebt, doch als der Direktor noch selbst unterrichtete, war das Klima nicht so gelöst. In der 2. Liga wirkte das Team gehemmter. Rangnicks Nachfolger hat seinen Kickern so viele Automatismen an die Hand gegeben, dass sich das Spiel bei eigenem Ballbesitz eine Etage höher deutlich verbessert hat.

Dem BVB fehlt "Killermentalität"

Allerdings steht die erste echte Belastungsprobe der Beziehung zwischen Mannschaft, Trainer und Manager noch aus. Erst in der ersten Krise des Neulings wird sich zeigen, wie stabil die Bande ist. Ansatzweise war das zu erkennen, als RB Leipzig zu Saisonbeginn im DFB-Pokal bei Dynamo Dresden ausschied. Hasenhüttl blieb cool, kritisierte sein Team dort, wo es nötig war, demonstrierte aber auch Vertrauen.

Vor dem Spitzenspiel beim BVB betonte Hasenhüttl, sein Team gehöre in puncto Mentalität "zum Besten, was derzeit in der Bundesliga herumläuft". Genau da sieht der frühere Stürmer einen Unterschied zum BVB dieser Tage. Nach einer langen Aufzählung all der Qualitäten der Dortmunder sagte der Österreicher: "Das einzige, was ihnen in den letzten Spielen vor allem auswärts gefehlt hat, war diese Killermentalität. Daran haben sie zu knabbern." Kein Zweifel, den Status als begehrtester deutschsprachiger Trainer hat Hasenhüttl vom Kollegen Tuchel vorerst übernommen.

Quelle: ntv.de

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