Formel1

Folgt er dem Lockruf Ferraris? Lewis Hamilton flirtet mit der "roten Versuchung"

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Sind Lewis Hamilton und Charles Leclerc bald nicht mehr Konkurrenten sondern Kollegen?

(Foto: IMAGO/PanoramiC)

Sportlich ist in der Formel 1 zurzeit wenig los. Max Verstappen und Red Bull düsen unaufhaltsam der nächsten Fahrer- und Konstrukteurs-WM entgegen. Dafür hat die Motorsport-Königsklasse rechtzeitig vor dem Glitzer-Grand-Prix von Monaco ein Gesprächsthema. Ferrari soll heftig an Rekordchampion Lewis Hamilton baggern. Verlässt der Brite seine große Liebe Mercedes, um sich den Traum eines jeden F1-Piloten zu erfüllen? Auf der Zielgeraden seiner Karriere wäre es ein riskantes Unterfangen - denn Hamilton könnte als Flop in Rot enden.

Wird Sir Lewis Hamilton auf seine alten Formel-1-Tage zum Abenteurer? Verlässt der 38-Jährige seine silberne Wohlfühlzone, sagt er wirklich dem Team Goodbye, mit dem er die F1 jahrelang dominierte, mit dem er sechs seiner sieben WM-Titel einfuhr? Wie stark keimt der Ferrari-Traum in ihm? Gibt es eine Tendenz oder ist das Thema eine Ente? Beantworten kann diese Fragen nur Lewis Hamilton. "Hamilton, rote Versuchung", titelte die "Gazzetta dello Sport" am Dienstag in aller Glückseligkeit und schrieb weiter: "Hamiltons Verpflichtung könnte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den unzulänglichen Resultaten Maranellos in der Formel 1 ablenken."

Seit ein paar Tagen diskutiert die Formel 1 über einen Bericht der "Daily Mail", der sagt: Ferrari will Lewis Hamilton und Ferrari ist pronto, alles zu tun, was nötig ist, dass der Brite auch will. Laut der "Sportsmail" soll Obercapo John Elkann höchstpersönlich Kontakt zu Hamilton aufgenommen haben. Demnach locke Ferrari den Mercedes-Star mit einem Jahresgehalt von 46 Millionen Euro - und der Aussicht auf den Traum eines jeden Formel-1-Fahrers: einmal im roten Renner zu sitzen.

Ferrari will - Mercedes hält sich bedeckt

Um den Deal klarzumachen, wäre die Scuderia im Zweifel sogar bereit, ihren Prinzen Charles Leclerc ziehen zu lassen, heißt es. Zwar bevorzuge Ferrari ein Fahrerduo Hamilton/Leclerc (in diesem Fall wäre Carlos Sainz weg vom Fenster). Aber auch die Option einer Rochade werde in Maranello durchgespielt, sollte etwa Hamilton den "talentiertesten Fahrer, der mir in der Formel 1 begegnet ist" (so Sebastian Vettel einst über Leclerc) nicht neben sich im Stall wollen. Leclerc würde in diesem Szenario auf die silberne Seite der F1-Macht wechseln, Hamilton dafür endlich ein Roter.

So oder so, ein Wechsel des langjährigen Dominators von den Silberpfeilen zu Ferrari wäre eine Überraschung. Okay, Hamiltons Vertrag läuft zum Saisonende aus, seit Monaten aber betonen der 103-malige GP-Sieger und Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, sie wollten ihre seit 2013 bestehende F1-Ehe auch über 2023 hinaus fortsetzen. Zum Stand der Verhandlungen äußert sich das deutsch-britische Werksteam auf Anfrage von ntv.de nicht. Nur so viel: Man habe schon viele "Vertragszyklen" mit Hamilton erlebt und könne nur auf das verweisen, was bisher gesagt wurde. Wenn es etwas zu verkünden gebe, werde man dies tun. Bis dahin gebe es keine Updates zum Stand der Verhandlungen.

Updates gibt es freilich beim anstehenden Grand Prix von Monaco am W14. Und wie gut die neuen Teile am bis dato störrischen Mercedes-Auto funktionieren, könnte entscheidend sein, ob das Thema Ferrari in Hamiltons Kopf an Dynamik gewinnt. Rein sportlich hat der 38-Jährige nur noch ein Ziel: zum achten Mal Weltmeister werden, alleiniger Rekordhalter vor Michael Schumacher sein. Die Frage ist: In welchem Auto kann Hamilton dieses Ziel am besten erreichen? In der Team-WM liegt Mercedes vor dem Monaco-GP zwar vor Ferrari, die Roten waren an den ersten fünf Rennwochenenden aber nicht unbedingt langsamer als die schwarz lackierten Mercedes-Boliden, eher im Gegenteil.

Hamilton dürfte sich in den nächsten Rennen ganz genau anschauen, ob die Mercedes-Updates den erfolgsverwöhnten Riesen endlich näher an Red Bull bringen und wie sich das silber-rote Kräfteverhältnis entwickelt. Zeitdruck hat der Engländer nicht. Er ist die Königsfigur, die entscheidet, wohin die Reise geht, er kann in aller Ruhe abwarten, wie ihn beide Seiten umgarnen.

Ist Hamilton bereit, das Risiko Ferrari einzugehen?

Kommt Mercedes in die Pötte, gibt es für Hamilton eigentlich keinen Grund zu gehen. Die Pace von Kronprinz George Russell geht er bislang mit, ist zudem nach wie vor die Galionsfigur im Team, der Motivator, das spirituelle Oberhaupt. So etwas gibt man nicht einfach auf. Wie es sei "in Rot zu fahren", nun, das habe er sich schon vorgestellt, gab Hamilton jüngst in einem Interview mit ESPN zu. "Aber dann gehe ich zu meinem Team, zu Mercedes, und das ist mein Zuhause."

Die Passage vor dem Aber zeigt gleichwohl deutlich: Ferrari hat noch immer eine magische Anziehungskraft. Im roten Auto des Traditions-Rennstalls zu fahren - es ist der Traum eines jeden Go-Kart-Kindes, eines jeden Formel-1-Fahrers. Auch Hamilton träumt ihn. Formel-1-Fahrer sind allerdings keine bloßen Träumer, sondern Realisten. Und der Realist Hamilton wird dem von roten Autos und Rennoveralls träumenden Lewis entgegenhalten: Willst du dir Ferrari auf der Zielgeraden deiner Karriere wirklich antun?

Eine berechtigte Frage. In den vergangenen Jahren gab die Scuderia unter Mattia Binotto teilweise ein desaströses Bild ab. Motor-Schummeleien 2019, völlig chancenlos 2020 und 2021, im Vorjahr dann endlich wieder schneller, dafür strategisch und organisatorisch ein völliges Chaos. Ob der seit Jahresbeginn amtierende Teamchef Frédéric Vasseur es schafft, dem Team nach den Wirren der Binotto-Ära klare Strukturen und Konturen zu geben - offen. Ist Hamilton bereit, das Risiko einzugehen, nur, um einmal im Ferrari gesessen zu haben?

Auch Schumacher wurde erst mit Ferrari zur Legende

Nigel Mansell, Alain Prost, Fernando Alonso, Sebastian Vettel - alles große Namen, die auf Ferrari Rennen gewannen, Maranello letztlich aber als Gescheiterte, weil ohne WM-Titel verließen. Auch Hamilton könnte ein Flop in Rot werden - oder eben das ganz große Ding drehen. So wie Michael Schumacher. Der Deutsche ritt Anfang des Jahrhunderts auf dem springenden Pferdchen einst zu Weltruhm. Aber Schumachers Ferrari-Mission dauerte. Erst 2000, im fünften Jahr, klappe es mit der Weltmeisterschaft, es folgte eine Ära der Dominanz, die später einzig die Kombination Hamilton/Mercedes wiederholte.

Fünf Jahre Zeit hätte Hamilton bei Ferrari nicht, die Lebensuhr ist nicht bestechlich. Aber: Schumachers Werk und die Aussicht auf den ultimativen Triumph könnten letztlich den Träumer inspirieren, den risikoscheueren Realisten zurückzudrängen. Der Brite liebt Herausforderungen. Eine Weltmeisterschaft mit Ferrari - die rekordträchtige achte - und Hamilton thronte im Formel-1-Olymp einsam auf der höchsten Wolke. Sir Lewis Hamilton muss in den kommenden Wochen einige Fragen für sich beantworten.

Quelle: ntv.de

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