Die F1-Lehren von Brasilien Mit Hamilton-Ekstase kommt erbitterter Fight
15.11.2021, 06:31 Uhr
Hamilton oder Verstappen? So eng war die Formel 1 lange nicht.
(Foto: imago images/HochZwei)
Noch liegt Max Verstappen in Front, sein erster WM-Titel könnte bald Wirklichkeit werden. Doch die Formel 1 ist so spannend wie lange nicht - und Serien-Weltmeister Lewis Hamilton zeigt in Brasilien, dass mit ihm noch zu rechnen ist. Damit verstärken sich auch die Scharmützel der rivalisierenden Teams.
Hamilton plötzlich mit enormem Vorteil
Vor einer Woche in Mexiko resignierte der Rekordweltmeister angesichts der Pace von Red Bull, am Samstag nach seiner Versetzung auf den letzten Startplatz für den Sprint von São Paulo war er emotional am Boden - und am Sonntag war Hamilton der strahlende Renngewinner. 101 Formel-1-Siege hat der Brite nun errungen, den von Interlagos wird man zu den herausragenden zählen müssen. Das erste Lob kam vom Boss. "Das war sicher eine der besten Vorstellungen, die ich von ihm je gesehen habe", schwärmte Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dessen sechstem Saisonsieg. "Ich habe alles gegeben. Es war definitiv eines der besten Wochenenden, wenn nicht sogar das beste Wochenende, das ich in meiner gesamten Karriere erlebt habe", meinte der siebenmalige Weltmeister. Was eine Frage aufwirft, die sich auch das gesamte Red-Bull-Team stellt: Woher kommt Hamiltons enormer Geschwindigkeitsvorteil auf den Geraden? Und wird er in den letzten drei Rennen anhalten? "So einen Motor haben wir von Mercedes, soweit ich mich erinnern kann, in den letzten Jahr noch nicht gesehen, unglaublich", befand Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko. "Mercedes ist ein Meisterwerk gelungen, so eine Rakete in dieser entscheidenden Phase herbeizuzaubern."
Verstappen hat noch die besseren Chancen
Der Niederländer stellte diese Fragen nicht, zumindest nicht öffentlich. Verstappen nahm es sportlich, dass er die scheinbar gute Ausgangsposition nicht nutzen konnte, um eine WM-Vorentscheidung zu schaffen. 19 Plätze vor Hamilton ging er in den Sprint, acht Plätze vor dem Rivalen ins Rennen - und doch musste der WM-Spitzenreiter seinen Verfolger letztlich ziehen lassen. 14 Punkte liegt der 24-Jährige immer noch vorn, unruhig schlafen muss er also nicht. "Wir haben immer noch eine gute Führung", betonte Verstappen, der seinen ersten WM-Titel gewinnen will. "Wir haben Schadensbegrenzung betrieben. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden Rennen zurückschlagen können." Gut möglich, dass er und Hamilton in einer Woche in Katar schon wieder die Rollen tauschen. Es würde zu dieser Formel-1-Saison passen.
Die Rivalität wird erbitterter
Bis zum Rennstart am Sonntag wurden die Geschichten an diesem Wochenende im Büro des Automobil-Weltverbandes FIA gemacht. Vertreter von Mercedes und Red Bull gaben sich die Klinke in die Hand. Mal wurden sie vorgeladen, mal suchten sie den direkten Weg zu den Stewards, um Verdächtigungen vorzubringen - vornehmlich auf Red Bull trifft Letzteres zu. Es wird immer schmutziger zwischen den Spitzenvertretern der WM-Anwärter. Red Bull wittert Betrug bei Mercedes (im Frühsommer war es genau andersherum), Mercedes fühlt sich durch die FIA benachteiligt. "Wir lieben den Wettbewerb, und je mehr sich Toto aufregt, desto mehr Spaß macht es", hatte Red-Bull-Teamchef Christian Horner vor Kurzem eingeräumt. Bislang tragen diese Scharmützel zur Spannung und Unterhaltung bei, überstrapazieren sollten die Teams die Politik und das Gejammer aber nicht. Für Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist der Spaß nun vorbei: "Wir mussten an diesem Wochenende viele Schläge ins Gesicht einstecken", sagte der Österreicher. "Die Diplomatie hat geendet."
Die Deutschen sind nur dabei
Ja, die beiden Deutschen waren auch dabei in São Paulo - und erlebten jeweils ein Wochenende, das vielen in dieser Saison glich: Schumacher mühte sich redlich, hatte früh im Rennen einen leichten Kontakt, der ihn Zeit und letztlich auch den (angestammten) vorletzten Platz kostete. Vettel schnupperte an WM-Punkten, verfehlte diese aber um eine Position. Die gute Nachricht: Die Saison ist bald vorbei. 2022 werden die Karten mit neuem Reglement neu gemischt, so ist zumindest der Plan der Formel-1-Spitze. Bleibt aus Sicht von Vettel und Schumacher nur zu hoffen, dass sich ihr Blatt dann verbessert.
Quelle: ntv.de, ara/dpa/sid