
Was kommt nach Haas?
(Foto: IMAGO/HochZwei)
Bei Haas ist Schluss für Mick Schumacher. Der Umgang des US-Rennstalls mit dem 23-jährigen Deutschen wirft Fragen auf, die sich so mancher in der Formel 1 stellt. Schumacher selbst blickt schon in die Zukunft - die einen vielversprechenden Wechsel bereitzuhalten scheint.
Einzig Logan Sargeant könnte Mick Schumachers vorläufiges Formel-1-Aus wohl noch verhindern. Patzt der US-Amerikaner beim Saisonfinale der Formel 2 und verpasst deshalb im letzten Moment noch die notwendigen Superlizenz-Punkte, müsste der Williams-Rennstall kurzfristig einen neuen Fahrer für die Saison 2023 verpflichten. Theoretisch und rechnerisch möglich, praktisch aber deutet alles darauf hin, dass Schumacher die Königsklasse des Motorsports im kommenden Jahr vorrangig als Zuschauer verfolgen muss. Dass Haas seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern würde, hatte sich seit Monaten angedeutet. Die Gewissheit über den Abschied vom US-Rennstall ist für den 23-Jährigen kurzfristig ein herber Rückschlag - angesichts der Umstände aber sieht er von außen auch aus wie eine Erlösung.
Immer wieder hatte Teamchef Günther Steiner seinem jungen Piloten öffentlich Vorhaltungen gemacht. Zu präsent waren die kostspieligen Abflüge in Saudi-Arabien und Monaco, als Schumacher seinen Boliden schwer beschädigte. In Miami kostete ein Zusammenstoß mit Sebastian Vettel die sicher geglaubten ersten Punkte, in Imola drehte sich der 23-Jährige während einer Safety-Car-Phase, in Suzuka verpasste er eine komplette Trainingssession, weil er den Haas auf dem Weg zurück in die Box folgenschwer in die Reifenstapel setzte. Zu viele Fehler in einem Team, das anders als Alpha Tauri (ehemals Toro Rosso) oder Alfa Romeo (ehemals Sauber) außerdem nicht dafür bekannt ist, jungen Fahrer eine entwicklungsfördernde Umgebung zu bieten.
Ralf Schumacher kritisierte derweil den Umgang von Haas und Steiner mit seinem Neffen harsch. "Personalführung kann man das nicht nennen", so der langjährige Formel-1-Fahrer, der Motivation und Unterstützung vermisste. Stattdessen habe Mick nur wiederholt lesen und hören müssen, es mangele ihm an Konstanz. Dabei habe er gezeigt, dass er Potenzial habe - nur nie das Gefühl, irgendwie die Ansprüche und Vorgaben von Haas erfüllen zu können. Dabei waren es immer wieder auch Defekte und taktische Fehler, die Schumacher um bessere Resultate brachten. "Ich hätte mich gefreut, wenn Günther Steiner sich gefragt hätte, ob sie als Team denn eigentlich auch gut genug sind", so Ralf Schumacher: "Wie viele Fehler haben sie gemacht? Wie oft haben sie bei den Strategien ihre Fahrer hängen lassen?"
Kritisch äußerte sich auch Timo Glock. "Die Art und Weise, wie Haas mit diesem Thema in den vergangenen Wochen und Monaten umgegangen ist, ist für mich wenig nachvollziehbar", schrieb der 91-fache Grand-Prix-Starter jüngst in seiner Kolumne für Sky und sprach damit aus, was nicht wenige dachten. Das regelmäßige Vor-Sich-Her-Schieben (der öffentlichen Bekanntmachung) der Entscheidung, wer 2023 neben Kevin Magnussen das zweite Auto pilotiert, die wechselnden Vorgaben Günther Steiners, Schumacher müsse nun unbedingt punkten, ehe es kurz darauf wieder hieß, es komme vor allem auf die fahrerische Performance an, die auch ohne Zählbares ein Erfolg sein könne - rückblickend allesamt Zeichen einer Entfremdung zwischen Fahrer und Team.
"Zeichen der Zeit nicht erkannt"
"Die Frage ist, wieso Haas Mick so lange hinhält?", rätselte Glock daher durchaus vorwurfsvoll. Und "wieso man ihn unter Druck gesetzt hat" und warum nicht frühzeitig für Klarheit gesorgt worden sei, "damit man Mick auch noch die Chance gegeben hätte, sich noch anderweitig umzuschauen". Jetzt, wenige Stunden vor dem ersten Training am letzten Rennwochenende der Saison, sind nämlich alle anderen Cockpits längst vergeben: Oscar Piastri geht zu McLaren, Alonso übernimmt bei Aston Martin, Pierre Gasly bei Alpine, Alpha Tauri holt Nyck de Vries und Haas eben Nico Hülkenberg. Sargeant hat die Zusage von Williams, beim Erreichen der Superlizenz-Punkte als Stammfahrer eingesetzt zu werden.
Dass Haas künftig auf den weitaus erfahreneren Hülkenberg setzt, wurde seit Wochen immer klarer und nun zur Gewissheit. Felix Görner, ntv-Reporter und in der Formel 1 hervorragend vernetzt, warf daher die Frage auf, ob Schumacher sich zu spät um eine Alternative gekümmert hat. Der 23-Jährige habe "die Zeichen der Zeit nicht früh genug erkannt", so Görner, "wie sich das Team letztendlich von ihm distanziert hat". Harmonie strahlte das Miteinander zwischen Fahrer und Rennstall längst nicht mehr aus. Trotzdem war ein "Plan B nicht zu erkennen" - Schumacher galt zwar stets als Kandidat bei den Neubesetzungen der Konkurrenz, wirklich konkret wurde es dabei jedoch offenbar nie.
"Das Thema ist für mich alles andere als abgeschlossen", sagte Schumacher jetzt, als Haas nach monatelangem Hinhalten endlich verkündete, was alle längst geahnt hatten. Er habe sich in den zwei Jahren "stetig verbessert, viel gelernt" und wisse "jetzt sicher, dass ich einen Platz in der Formel 1 verdiene". Nach einer Debütsaison in einem hoffnungslos unterlegenen Boliden zeigte er in diesem Jahr trotz kostspieliger Fehler und anhaltender öffentlicher Kritik immer wieder seine fahrerische Klasse und bewies einmal mehr, dass seine größte Stärke die ist, sich stetig verbessern zu wollen und auch zu können.
Rät Vettel zu Mercedes?
Das wiederum könnte er bald in einem Umfeld tun, das wie kaum ein anderes in der Formel 1 für Erfolg steht. Mercedes, nach acht Konstrukteurstiteln in Serie jüngst von Red Bull Racing entthront, strebt zurück an die Spitze. Der vor allem zu Saisonbeginn gewaltige Rückstand zur Spitze ist sukzessive verringert worden, in Brasilien jüngst war der Silberpfeil erstmals in diesem Jahr das schnellste Auto. "Nach unseren Informationen", sagte Görner nun, geht es für Schumacher demnächst "als Testfahrer von Mercedes" weiter. George Russell dürfte auf Jahre gesetzt sein, Rekordweltmeister Lewis Hamilton entscheidet selbst darüber, wann er seine einzigartige Karriere beendet. Schumacher könnte sich mit guter Arbeit im Simulator und in einzelnen Einsätzen etwa in Trainings- oder bei Testfahrten für dessen Nachfolge empfehlen.
"Ich habe Zeit und werde mir die Optionen ansehen", sagte Schumacher selbst in Abu Dhabi, und er wolle sich auch mit Sebastian Vettel austauschen. Der vierfache Weltmeister tritt nach diesem Wochenende ab, dürfte als Mentor, sehr guter Freund und vor allem auch mit seiner Erfahrung aus mehr als anderthalb Jahrzehnten in der Formel 1 ein wertvoller Ratgeber sein. Auch Vettel warf Haas schlechtes Management vor, sagte, "die Teamführung bei Haas ist manchmal ein bisschen schwer zu verstehen".
Mercedes-Teamchef Toto Wolff deutete derweil schon in Brasilien an, dass er den 23-Jährigen genau im Blick habe. Er machte "kein Geheimnis daraus, dass die Familie Schumacher zu Mercedes gehört und wir Mick sehr schätzen". Nach der Übernahme des Brawn-Rennstalls zur Saison 2010 war Michael Schumacher als Fahrer zurückgekehrt und hatte elementar dazu beigetragen, dass die Silbernen über Jahre dominieren konnten.
"Mein Feuer brennt für die Formel 1", machte Schumacher unzweifelhaft klar, "und ich werde hart darum kämpfen, in die Startaufstellung zurückzukehren". Sicher, die Entscheidung habe ihn "sehr enttäuscht" - aber sie bietet mit etwas Abstand eben auch die Chance, den Rückschritt in einen Fortschritt zu verwandeln. Zumal, das zeigt seine Entwicklung als Rennfahrer, Schumacher aus dieser Erfahrung lernen wird. Und Mercedes dafür ein sehr guter Partner sein dürfte.
Quelle: ntv.de