Bilanz vor dem Halbfinale Das bleibt von der Mammut-EM

Public Viewing am Eiffelturm: So ganz gelingt es der EM nicht, das krisengebeutelte Frankreich auf andere Gedanken zu bringen.

Public Viewing am Eiffelturm: So ganz gelingt es der EM nicht, das krisengebeutelte Frankreich auf andere Gedanken zu bringen.

(Foto: AP)

Viele Fragezeichen gab es vor der Mammut-EM in Frankreich. Wie funktioniert der neue Modus? Wie kann der Gastgeber für Sicherheit sorgen? Und was ist eigentlich bei der führungslosen Uefa los? Vor dem Halbfinale ist die Zeit für eine erste Bilanz gekommen.

48 von 51 Partien sind gespielt. Die größte Fußball-EM der Turniergeschichte steht vor den entscheidenden Tagen. Für die schönen Fußball-Momente waren vor allem die frechen Außenseiter aus Island, Wales und Ungarn zuständig. Gastgeber Frankreich hat eine Mammut-Aufgabe bislang sehr ordentlich erledigt, wartet aber dennoch auf die ganz große Final-Euphorie. Für die Uefa beginnen die richtig schweren Zeiten aber erst nach dem Finale am Sonntag in Saint-Denis.

Frankreich hofft auf sicheres Ende

Die Hoffnung, dass die EM das von Terror und Reformstreit geplagte Land auf andere Gedanken bringt, ist nicht erfüllt worden. Der große Fußball-Taumel blieb (noch) aus, auch wenn die Begeisterung mit dem Viertelfinalsieg gegen Island spürbar zulegte. Die Hooligan-Gewalt sorgte für neue Diskussionen, ob Frankreich sich blamiert habe.

Dennoch: Wenn die EM ohne Anschlag über die Bühne geht, wäre das für das Land ein wichtiges Signal. Und die positiven Erlebnisse vieler Besucher auf den Fanmeilen wird Paris auch als Argument anführen, wenn es um seine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024 geht.

Wirtschaftlich erhoffte das Land sich von der EM eine Spritze von knapp 1,3 Milliarden Euro durch ausländische Besucher und Uefa-Gelder. Die Händler in den EM-Städten seien bislang zufrieden, berichtete Sport-Staatssekretär Thierry Braillard. Allerdings sind solche Berechnungen umstritten - und es stehen hohe Ausgaben für die Sicherheit gegenüber. In jedem Fall bleiben die modernisierten Stadien - dort wurden 1,7 Milliarden Euro investiert.

Fußball ohne Weiterentwicklung

Das XXL-Experiment ist trotz teilweise harscher Kritik geglückt - aber brauchte man diese Mammut-EM wirklich? Fußball-Europa freut sich über hartnäckige Waliser und renitente Isländer, die dem Establishment aus England, Belgien, Portugal und Österreich großen bis sehr großen Ärger bereiteten. Das ist das Argument für 24 Teams.

Der Fußball hat sich aber taktisch und spielerisch bei diesem Turnier nicht weiterentwickelt. Das Aufeinandertreffen von großen und kleinen Teams führte zu einer Konzentration auf Defensive und Kontrolle. Überraschende oder berauschende Spielmomente gab es kaum. Immerhin: Der Toreschnitt steht mit 2,15 Treffern pro Partie mittlerweile wieder näher am Normalniveau.

Eine klare Tendenz: Der große Starkult ist vorbei. Cristiano Ronaldo und Gareth Bale schafften es nur im Kollektiv ihrer Teams ins Halbfinale. Zlatan Ibrahimovic oder Wayne Rooney waren davon weit entfernt. Fußball-Europa kann sich über junge, frische Gesichter freuen. Portugals Neu-Münchner Renato Sanches steht dafür als Musterknabe.

Uefa im Wahlkampf

Die EM war für den Kontinentalverband nur eine Atempause. Nach den Skandalwirren und dem erzwungenen Rücktritt von Präsident Michel Platini hat die UEFA das Turnier "in einem schwierigen Umfeld", wie sie selbst betont, bisher sauber über die Bühne bekommen. Jetzt treten aber die Folgen der Korruptionsanschuldigungen wieder in den Vordergrund.

Und es herrscht Wahlkampf. Am 14. September wird in Athen ein neuer Präsident gewählt. Die beiden Kandidaten lassen eine erbitterte Machtprobe wahrscheinlich werden. Der Niederländer Michael van Praag ist der Kandidat des alten Fußball-Europa. Der 69 Jahre alte Uefa-Vize gilt als absolut integer.

Der DFB will ihn unterstützen, aber es gibt eine mittlerweile starke Interessengruppe aus Nord- und vor allem Osteuropa. Die schickt den Slowenen Aleksander Ceferin ins Rennen - ein bislang weitgehend unbeschriebenes Blatt im Funktionärszirkel. Der Graben zwischen großen und kleinen Fußball-Ländern droht größer zu werden - mit Auswirkungen auf die deutsche EM-Bewerbung für 2024, für die der DFB auch Unterstützung aus dem Ceferin-Lager braucht.

Quelle: ntv.de, Arne Richter und Sebastian Kunigkeit, dpa

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