Gruppe B unter der n-tv.de-Lupe Plitschplatsch-Pöhler und Brexit-Verweigerer

Zwei Hipster für Wales: Gareth Bale und Aaron Ramsey führen die "Dragons" an.

Zwei Hipster für Wales: Gareth Bale und Aaron Ramsey führen die "Dragons" an.

(Foto: AP)

Brexit? Nicht in Gruppe B! Während die Insel derzeit über das Verlassen der EU nachdenkt, haben die Fußballer aus England und Wales ihre Liebe für den europäischen Wettbewerb entdeckt. Und die Slowakei? Träumt vom Titel!

Gestatten, England

Was so ein Abend in Berlin nicht alles verändern kann: je nach Auswahl des Etablissements das Wesen, mindestens aber die Stimmung. Die positive Wirkweise der deutschen Hauptstadt haben sich die englischen Nationalspieler rund um Ostern zu Nutze gemacht, als ihnen im Olympiastadion beim 3:2-Testspielsieg gegen die deutschen Weltmeister eine rauschhafte Aufholjagd gelang. Und plötzlich taugt die Nationalelf des ewigen Scheiterns zum Muntermacher für national-lethargische Pub-Nörgler. "England hat seinen Stolz zurück", schrieb der "Daily Mirror" nach dem Abend des 26. März fast ehrfürchtig, und auch der "Guardian" war mächtig fasziniert: "Wenn England zu solchen Leistungen in der Lage ist, ist es schwer, nicht eine plötzliche Welle des Optimismus für die EM zu spüren."

Spielplan der Gruppe B

Samstag, 11. Juni:
18 Uhr, Bordeaux: Wales – Slowakei
21 Uhr, Marseille: England – Russland

Mittwoch, 15. Juni:
15 Uhr, Lille: Russland – Slowakei

Donnerstag, 16. Juni:
15 Uhr, Lens: England – Wales

Montag, 20. Juni
21 Uhr, St. Etienne: Slowakei – England
21 Uhr, Toulouse: Russland - Wales

Was für eine Kehrtwende im Mutterland des Fußballs! Denn noch nach erfolgreicher Turnier-Qualifikation mit der maximal möglichen Zahl von zehn Siegen in zehn Spielen hatte der "Mirror" gelästert. In der "Group of Death" mit der Schweiz, Slowenien, Estland, Litauen und San Marino sei es schließlich nur gegen "Eskimos, Teletubbies und Hosenscheißer" gegangen. Doch dann kam der vorösterliche Samstag - und mit ihm der für ganz Europa sichtbare Nachweis, dass die neue Generation der "Three lions" um Jamie Vardy (Leicester City), Harry Kane, Eric Dier und Dele Alli (alle Tottenham Hotspur) in der Lage ist, titelreifen Fußball zu spielen - was seit 50 Jahren nicht mehr gelang. So erklärte Kane noch in Berlin: "Wir haben gezeigt, dass wir jeden schlagen können." Nach einem frühen EM-Brexit klingt das nicht.

Nützliches Wissen für Ahnungslose: Englands Nationaltrainer Roy Hodgson hätte vor 18 Jahren um ein Haar die deutsche Elf übernommen. Sein Engagement verhinderte Franz Beckenbauer in letzter Minute. "Es wäre ein schlimmes Zeichen von Inkompetenz, wenn Deutschland keinen deutschen Trainer finden würde", soll die Lichtgestalt damals gesagt haben. Nachfolger des zurückgetretenen Berti Vogts wurde Erich Ribbeck - eine, formulieren wir es freundlich - nicht so gute Idee.

Gestatten, Wales

Den Titel im Blick, Herr Bale?

Den Titel im Blick, Herr Bale?

(Foto: REUTERS)

Gareth Bale - sonst nix. Dieser Satz könnte von Bald-ManCity-Coach Josep Guardiola kommen. Er sagt solche Sätze angeblich ja sehr gerne. Aber der Satz kommt nicht von Guardiola. Schließlich will er Gareth Bale nicht verpflichten (zumindest ist das nicht bekannt). Der Satz kommt von vielen jener Experten, die sich regelmäßig vor Fußball-Großereignissen äußern, ob nun angebracht oder auch nicht. Aber wie sie irren! Wales ist viel mehr als ihr königlicher Chef-Hipster. Der 100-Millionen-Mann von Real Madrid ist lediglich prominentester und sportlich herausragendster Vertreter der kumpelhaften Knaben-Gemeinschaft, die mit Arsenals unermüdlichem Antreiber Aaron Ramsey und Liverpools Strategen Joe Allen zwei weitere Top-Akteure in ihren Reihen weiß. "Andere mögen zwar bessere Einzelspieler haben, aber unsere tolle Gemeinschaft gibt den Ausschlag. Wir werden in Frankreich nur schwer zu schlagen sein", beschwört Ramsey bereits jetzt innigste pfadfindersche Zusammenhaltsgefühle.

Eine weitere wichtige Personalie für ein erfolgreiches Abschneiden - was bei Wales das Überleben der Vorrunde bedeuten würde (ebenfalls kein Brexit) - ist Trainer Chris Coleman. Der ehemalige Nationalspieler gilt, so schreiben Menschen, die dem walisischen Fußball viel Zeit und Aufmerksamkeit widmen, als ein Mann, der seine Mannschaft taktisch hervorragend vorbereiten kann. Sein Problem allerdings: In der Hektik des Spiels verliert er mitunter den Plan und dirigiert seine Jungs verzweifelt-planlos.

Nützliches Wissen für Ahnungslose: Zehn Spiele hatte Wales auf dem Weg zur erfolgreichen EM-Qualifikation zu absolvieren. Nur eines davon ging verloren - und ausgerechnet diese Niederlage (0:2 gegen Bosnien-Herzegowina) brachte die Teilnahmeberechtigung für Frankreich mit sich. Weil nämlich die Konkurrenz aus Israel gegen Zypern (1:2) patzte.

Gestatten, Russland

Immer noch dabei: Wassili Wladimirowitsch Beresuzki.

Immer noch dabei: Wassili Wladimirowitsch Beresuzki.

Puh, die russische Fußball-Nationalmannschaft. Wie lange ist es eigentlich her, dass die Männer aus dem Osten Europas eine wirklich gute Rolle bei einer kontinentalen Meisterschaft gespielt haben? 10 Jahre, 20, 30? Falsch! Acht. Verrückt eigentlich, verortet man die großen Zeiten der "Sbornaja" richtigerweise in den 1960er- und 70er-Jahren. Acht Jahre also. Bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz erreichte die von Guus Hiddink gecoachte Mannschaft das Halbfinale. Dort gab es dann aber eine saftige Einordnung der europäischen Machtverhältnisse durch die spanische Auswahl (0:3). Ordentlich durchgetickitackert diskutierten Fans und Medien im Land damals heftig über ihre schwachen Innenverteidiger Sergei Nikolajewitsch Ignaschewitsch und Wassili Wladimirowitsch Beresuzki - mit folgendem Ergebnis: Auch im Sommer 2016 heißt der zentrale russische Abwehrschirm Ignaschewitsch/Beresuzki.

Reden will darüber zwischen St. Petersburg und Wladiwostok aber niemand mehr. Lieber spricht man über Coach Leonid Sluzki und seine Doppelrolle als Trainer des Nationalteams und von ZSKA Moskau. Und die ist heftig umstritten, nur bei Sluzki selbst nicht. Der beklagt vielmehr, dass alle Welt vergessen habe, wem die Nationalelf die Qualifikation für die EM zu verdanken habe - nämlich ihm. Und ganz falsch ist das nicht. Als er im August 2015 den glücklosen Fabio Capello ablöste, feierte die wachgeküsste "Sbornaja" vier Siege in vier Spielen. Ein gewaltiger Kraftakt, der die Teilnahme in Frankreich erst möglich machte. So - und jetzt kommt ihr!

Nützliches Wissen für Ahnungslose: Um Sluzkis Vorgänger Fabio Capello rankt sich eine lustige Anekdote. Angeblich soll der Italiener mit einem Gehalt von neun Millionen Euro gelockt worden sein. Woher das Geld allerdings kommen sollte, war indes nicht so ganz klar. So musste Capello bisweilen ein halbes Jahr warten, bis er "abrechnen" konnte. Als Helfer in der Not sprang schließlich Milliardär und Arsenal-Anteilseigener Alisher Usmanov ein. Der Oligarch übernahm auch die Abfindung des Italieners - schlappe 14,8 Millionen Euro.

Gestatten, Slowakei

Meister im Plitschplatz-Pöhlen: die Slowakei.

Meister im Plitschplatz-Pöhlen: die Slowakei.

(Foto: imago/Team 2)

Eigentlich müssen wir ja gar nicht mehr viel sagen zu den Slowaken. In der Teildisziplin Plitsch-Platsch-Pöhlen sind sie kaum zu bezwingen, nicht mal vom Weltmeister. Der holte sich beim EM-Test im Augsburger Monsun eine 3:1-Lehrstunde ab - was die Euphorie in der Slowakei mächtig anfachte. Wie es sich mit den Fähigkeiten der Auswahl von Jan Kozak allerdings auf trockenem Geläuf verhält, lässt sich dagegen nicht seriös beantworten. Konzentrieren wir uns daher lieber auf belegbare Fakten: Richtig gut sind die Osteuropäer in der Abwehrarbeit. Im mittleren Block stehen mit Liverpools Martin Skrtel und Jan Durica (Lokomotive Moskau) zwei Typen, auf die du als Stürmer nur mit mulmigem Gefühl zuläufst. Weniger furchterregende Gestalten tummeln sich dagegen in der slowakischen Offensive. Dort ist Neapels "Iro-Riese" Marek Hamsik mit 17 Toren in 85 Länderspielen allerdings absoluter Alleinunterhalter. Eine ähnlich solide Quote hat nur der Ex-Bochumer Stanislav Sestak (63/13) aufzuweisen, dessen beste Zeiten liegen indes auch schon ein paar Tage zurück.

Nützliches Wissen für Ahnungslose: Slowakei, Topfavorit bei der EM? Aber ja! Nicht nur der 3:1-Erfolg gegen Deutschland untermauert diese These. Bereits in der Qualifikation sorgte die Mannschaft für kontinentales Aufsehen, als Spanien am zweiten Spieltag der Gruppe C mit 2:1 bezwungen wurde. Also, nur Mut beim Tippspiel!

Auf diesen Spieler müssen Sie achten

Marcus Rashford ist gerade einmal 18 Jahre alt, hat aber seinen Platz in der englischen Fußball-Geschichte bereits sicher. Von Ex-Trainer Louis van Gaal Ende Februar in größter sportlicher Verzweiflung ins kalte Wasser geworfen, entwickelte sich der Youngster zu einem echten Debüt-Phänomen. Bei seinem ersten Auftritt in der Premier League traf der Stürmer von Manchester United direkt. Gleiches galt für seine Premiere in der Europa League und sein erstes Vorstelligwerden in der englischen Nationalmannschaft. Das ist gerade einmal anderthalb Wochen her, beim 2:1 gegen Australien brauchte Rashford übrigens nur lässige 138 Sekunden, um seinen Ruf als Debüt-Phänomen zu unterstreichen. Ob der "Wunder-Bubi", so nennen sie ihn in England, auch bei seinem ersten EM-Spiel trifft? Vermutlich. Achten Sie drauf!

Wie geht die Gruppe aus?

  1. England
  2. Wales
  3. Slowakei
  4. Russland

Quelle: ntv.de

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