Zittersieg in Bremen Ängstlicher FC Bayern hadert mit sich
29.01.2017, 08:03 Uhr
Überschwängliche Freude sieht anders aus: Philipp Lahm (l.) und Mats Hummels
(Foto: picture alliance / Axel Heimken/)
Carlo Ancelotti spricht von Angst, Philipp Lahm von einer Leistung, die ausbaufähig sei - und Thomas Müller spricht überhaupt nicht mehr. Die Ergebnisse des FC Bayern München stimmen zwar, nicht aber die Leistung. Das drückt auf die Stimmung.
Wenn trotz eines Sieges Krisenstimmung herrscht, kann es sich nur um den FC Bayern handeln. Das 2:1 beim SV Werder Bremen an diesem 18. Spieltag der Fußball-Bundesliga war eine echte Zitterpartie. Trainer Carlo Ancelotti sagt sogar: "Wir waren ein bisschen ängstlich." Dieses Wort existiert normalerweise nicht im Wortschatz der Münchner- schon gar nicht, wenn ein Spiel gegen den Tabellen-15. ansteht. Doch die Leistungen einiger Spieler geben tatsächlich Anlass zur Sorge.
Der Rekordmeister hat zwar die ersten beiden Ligaspiele im Jahre 2017 gewonnen, beide Siege sind allerdings der Kategorie "Dusel-Bayern" zuzuordnen. Das 2:1 gegen den SC Freiburg resultierte aus einem Last-Minute-Tor. Und in Bremen hätten sie den Sieg trotz der zwischenzeitlichen Zwei-Tore-Führung fast aus der Hand gegeben. Kapitän Philipp Lahm sagt: "Es steht außer Frage, dass wir uns verbessern müssen. Keiner sagt, dass hier alles in bester Ordnung ist."
Nicht nur die Spieler auf dem Feld, auch der Trainer schien Angst um den Sieg gehabt zu haben. Dass er in der 62. Minute den Offensivspieler Thomas Müller vom Feld nahm und dafür mit Renato Sanchez einen defensiven Mittelfeldspieler brachte, spricht Bände. Nach dem Anschlusstreffer der Bremer ging es nur noch darum, den Sieg irgendwie über die Zeit zu schaukeln. "Wir haben nach dem Gegentor die Spielidee verloren und nur noch verteidigt", gibt Ancelotti zu.
"Wir müssen ruhiger bleiben"
Die Münchner leben derzeit von Einzelaktionen: Franck Ribery legte für Arjen Robben das 1:0 perfekt auf. David Alaba gelang mit einem gezielten Freistoß der zweite Treffer. Ansonsten spielte sich die Mannschaft kaum nennenswerte Torchancen heraus. Die Abhängigkeit von den Individualisten ist groß. Ein perfektes Zusammenspiel findet derzeit nicht statt. Das bewiesen alleine schon die vielen Ballverluste im Mittelfeld, die immer wieder zu Konter einluden. Werder hatte nicht die Qualität, um daraus Kapital zu schlagen. Spätestens aber wenn es in der Champions League gegen den FC Arsenal geht, trifft man auf einen Gegner, der Kontermöglichkeiten eiskalt ausnutzt. David Alaba zeigt sich selbstkritisch: "Werder hat versucht, uns früh anzupressen. Da müssen wir ruhiger bleiben." Die Ruhe am Ball zählte eigentlich zu den größten Stärken der Bayern - Vergangenheit!
Der Ausfall von Mittelfeldspieler Thiago war in den vergangenen beiden Partien zu spüren. Der Spanier lenkt normalerweise das Spiel und sorgt für Sicherheit im Mittelfeld. Immerhin: Beim bevorstehenden Heimspiel gegen den FC Schalke 04 soll er wieder einsatzbereit sein. Schwerer abzusehen ist, wann Thomas Müller seine Formkrise überwunden hat. In Bremen lief das Spiel komplett an ihm vorbei. Nach einer knappen Stunde nahm ihn Ancelotti vom Feld. Auch in Freiburg erlebte er einen rabenschwarzen Tag. Seine Schlitzohrigkeit, seinen Torriecher, seine Lockerheit – all die Eigenschaften, die den Nationalstürmer ausmachen, sind nicht einmal ansatzweise zu erkennen. In 15 Bundesligaspielen hat er nur ein Tor erzielt.
Ancelotti hat diese Saison viel mit Müller probiert: Er brachte ihn als Rechtsaußen, als Mittelstürmer und als hängende Spitze bzw. Zehner. Bescheiden waren die Leistungen überall. Auch wenn Ancelotti Müller wegen seiner taktischen Qualitäten lobt, wenn Philipp Lahm ihn als absoluten Leistungsträger bezeichnet und David Alaba von einer "fleißigen" Leistung spricht, wissen doch alle, dass sich Thomas Müller in der größten Formkrise seiner Karriere befindet. Dabei wäre die Kaltschnäuzigkeit des 27-Jährigen gerade jetzt hilfreich. Müller stand nie für den schönsten Fußball, aber für Effektivität. Vergangene Saison zappelte jeder fünfte Schuss von ihm im Tor. Diese Saison brauchte er 31 Schüsse, um auch nur auf ein einziges Tor zu kommen.
Ausrutscher können sich die Bayern jedenfalls nicht erlauben. Auch Meisterschaftskonkurrent RB Leipzig hat die ersten beiden Spiele des Jahres gewonnen, dabei aber deutlich mehr überzeugt als die Münchner. "Natürlich schauen wir auf unseren ärgsten Verfolger", sagt Lahm. Und eins dürfte er wissen: Bei dem herrscht keine Krisenstimmung.
Quelle: ntv.de