"Auschwitz ist eure Heimat" Auf den FC Bayern wartet in Rom ein Faschisten-Problem
12.02.2024, 20:11 Uhr
"Auschwitz ist eure Heimat, die Öfen euer Zuhause" teilen Lazio-Anhänger 1999 den Fans der AS Rom beim römischen Derby mit.
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Im Champions-League-Achtelfinale treffen am Mittwoch politische Welten aufeinander: Beim FC Bayern München ist mit Kurt Landauer ein jüdischer Kaufmann Ehrenpräsident. Lazio Rom dagegen huldigt auch fast 80 Jahre nach dessen Tod dem italienischen Faschisten und Hitler-Freund Mussolini.
Ein Champions-League-Achtelfinale gegen den Tabellenachten der italienischen Liga - auf dem Papier ist die Partie bei Lazio Rom am Mittwochabend (20.45 Uhr, DAZN und im ntv.de-Liveticker) für den FC Bayern eine unscheinbare Aufgabe. Allerdings könnte es abseits des Platzes unangenehm werden: Die Anhängerschaft von Lazio hat sich in Europas Fußball über Jahrzehnte hinweg einen Ruf als rechte Krawallmacher erarbeitet. Als besonders schlimm gefürchtet im Olympiastadion von Rom die Nordkurve. Dort stehen Ultras, die aus ihrer Verehrung für den Faschismus keinen Hehl machen.

2005 wurde der damalige Lazio-Kapitän Paolo di Canio zu einer Geldstrafe verdonnert, weil er sein Tor bei einem Stadtderby mit dem auch als "saluto romano" bekannten Hitlergruß feierte.
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Die "Società Sportiva" (abgekürzt S.S.) wurde 1900 gegründet. Anfangs hatte sie eine bürgerlich-konservative, später eine eindeutig faschistische Anhängerschaft. Auch Diktator Benito Mussolini (1883-1945) hatte einen Vereinsausweis. Heute ist das längst Vergangenheit, aber immer noch wird bei Spielen der rechte Arm zum "saluto romano" ("Römischer Gruß") in die Höhe gestreckt. In Deutschland ist der Hitlergruß verboten, bei Lazio hingegen gilt die Geste fast schon als Folklore.
"Auschwitz ist eure Heimat"
Aus der Nordkurve ist nach Toren auch immer wieder der Ruf nach dem "Duce" ("Führer") zu hören. Besonders bejubelt wurde bis vor einigen Monaten ein Spieler namens Romano Floriani Mussolini - ein Urenkel des Diktators. Der 21-Jährige ist inzwischen aus sportlichen Gründen an den Drittliga-Verein Delfino Pescara ausgeliehen. Rund ums Stadion finden sich auch Lazio-Schmierereien mit der Abkürzung SS in Runenschrift.
Der harte Kern der rechten Szene besteht aus einer mehrere Tausend Mann starken Truppe, die sich "Irriducibili" nennt, die "Unbeugsamen". Sie treiben seit Jahrzehnten ihr Unwesen. Besonders erbittert ist die Konkurrenz zum anderen Hauptstadtverein AS Rom, der politisch als links gilt. Beim Derby 1999 hielten rechtsextreme Lazio-Anhänger ein 18 Meter langes Transparent hoch, auf dem "Auschwitz ist eure Heimat, die Öfen euer Zuhause" stand. 2019 wurde der Anführer der "Irriducibili" in einem Park in Rom erschossen.
Affenlaute für Lukaku und Umtiti
Auch dieses Jahr war der bislang traurige Höhepunkt das römische Derby. Wieder streckten Dutzende Lazio-Fans den Arm in die Höhe. Der schwarze AS-Stürmer Romelu Lukaku wurde mit Affenlauten verunglimpft. Nach dem Spiel machten beide Lager Jagd aufeinander. Beim Überfall auf eine Kneipe mit AS-Fans wurde ein 31-Jähriger durch einen Stich in den Unterleib schwer verletzt. 16 Hooligans bekamen Stadionverbot. Lazio musste ein Ligaspiel vor halb leeren Rängen austragen.
Solche Szenen sind aber keineswegs aufs Derby begrenzt. Bei einem Auswärtsspiel gegen US Lecce wurde der französische Ex-Weltmeister Samuel Umtiti von Lazio-Anhängern kürzlich so schlimm rassistisch beleidigt, dass das Spiel vor dem Abbruch stand. Umtiti verließ den Platz unter Tränen.
Einreiseverbot in Frankreich

Starker Kontrast zu den Lazio-Anhängern: Der FC Bayern München ernannte seinen früheren Präsidenten und jüdischen Kaufmann Kurt Landauer 2013 zum Ehrenvorsitzenden.
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Auch bei Lazio-Auftritten in europäischen Wettbewerben kam es mehrfach zu bösen Szenen. In Glasgow marschierten Römer erhobenen Armes durch die Fußgängerzone. In Marseille prügelten sich Hunderte Hooligans von Lazio und Olympique. Daraufhin verbot das französische Innenministerium allen Lazio-Anhängern die Einreise zum nächsten Spiel - wegen deren bekannter Gewalt und der "Gewohnheit, faschistische Chöre anzustimmen und den Nazi-Gruß zu zeigen".
Auch Eintracht Frankfurt und Werder Bremen machten bei Aufeinandertreffen auf europäischer Ebene schon unangenehme Erfahrungen. Die Antwort von Lazio-Ultras auf die UEFA-Aktion "Zusammen gegen Rassismus" damals: der rechte Arm.
Bayern hält Landauer dagegen
Die Vereinsführung hat sich von solchem Verhalten immer wieder distanziert - bislang ohne große Wirkung. Auch die Gründung einer Fangruppe gegen rechts namens "Dissidenti" brachte nicht viel. Dennoch wehren sich einige Lazio-Fans gegen Vorverurteilungen: "Ich bin Lazio-Anhängerin. Aber ich bin weder Faschistin noch gewalttätig", sagte etwa die prominente TV-Journalistin Giovanna Botteri.
Mit Spannung wird nun auf das Spiel gegen den FC Bayern gewartet - ein Verein, der seinen langjährigen jüdischen Präsidenten Kurt Landauer (1884-1961) vor wenigen Jahren zum Ehrenvorsitzenden machte und das eigene Verhalten in den Nazi-Jahren wissenschaftlich aufarbeiten ließ. Beim jüngsten Aufeinandertreffen mit Lazio blieb alles friedlich: Die beiden Achtelfinale im Frühjahr 2021 fanden allerdings coronabedingt praktisch vor leeren Rängen statt. Am wird das Stadio Olimpico wieder gut besetzt sein - auch die Nordkurve.
Quelle: ntv.de, Christoph Sator, dpa