Fußball

Die Lehren des 27. Spieltags BVB erbt Bayern-Dusel, Löw ist Kovac-Fan

Danke, Paco Alcácer. Der Stürmer trifft doppelt zum späten Sieg gegen Wolfsburg.

Danke, Paco Alcácer. Der Stürmer trifft doppelt zum späten Sieg gegen Wolfsburg.

(Foto: imago images / Horstmüller)

Der FC Bayern und Borussia Dortmund haben in der Fußball-Bundesliga getauscht: Das Spielglück heimst der BVB ein - und die erneute Tabellenführung. Währenddessen spielen sich RB Leipzig und Eintracht Frankfurt Richtung Champions League.

1. BVB hat den Bayern-Dusel geerbt

Hatten wir uns da kurz im Spiel vertan? Kein Tor in Freiburg durch den FC Bayern in der Nachspielzeit? Nein, es hieß in der Sky-Konferenz eindeutig: "Tor in Dortmund!" Und das gleich zweimal: in der 91. Minute mit Wiederholung in der 94. Minute. Schwupps, hatte Borussia Dortmund 2:0 gegen den VfL Wolfsburg gewonnen. Dank Paco Alcácer, der seine Torjägerqualitäten wieder ausgepackt und seine Saisontore 15 und 16 zum perfekten Zeitpunkt erzielt hat. Nämlich an dem Spieltag, an dem der Konkurrent aus München eben nur 1:1 beim SC Freiburg spielte und damit die Tabellenführung wieder abgeben musste (siehe unten). Eigentlich doch eine typische Situation, in der sonst der FC Bayern jubiliert. Der vielgerühmte "Bayern-Dusel" hat sogar einen Wikipedia-Eintrag. Wir zitieren: "Der Bayern-Dusel ist ein in Deutschland verbreiteter Fußballmythos. Er bezieht sich auf den FC Bayern München, einen erfolgreichen Verein der deutschen Fußball-Bundesliga, und besagt, dass die Mannschaft in knappen Spielen häufig besonderes Glück habe." Wenn Sie nicht gerade Bayern-Fan sind, sondern einer anderen Mannschaft zugeneigt, können Sie sich sicherlich an mannigfaltige Beispiele für diesen Bayern-Dusel erinnern.

Nun profitierte an diesem 27. Spieltag aber der BVB von eben jenem - übrigens statistisch nachgewiesenem - Spielglück. Entsprechend haderte Wolfsburgs Coach Bruno Labbadia mit dem Ausgang der lange Zeit engen Partie: "Es ist eine extrem bittere Niederlage für uns, ich hatte nicht das Gefühl, dass Dortmund sehr viele Mittel gefunden hat." Alcácer entschied nämlich in der Tat ein Spiel, das nicht unbedingt einen Sieger verdient hatte. "Eine klassische Nullnummer eigentlich, doch dann kam alles anders", schrieb Kollege Felix Meininghaus in seinem Nachbericht. Dem BVB war dieses "eigentlich" natürlich völlig egal. Der Blick ging sofort voraus: Auf den deutschen Clásico, das Spiel, das in diesem Jahr die Meisterschaft entscheiden könnte, die Partie des kommenden Wochenendes (Samstag, 18.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de). Der BVB ist zu Gast beim FC Bayern. Es sei "sicher ein besseres Gefühl, als Tabellenführer nach München zu fliegen", sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc. "Ich glaube aber nicht, dass dort eine Entscheidung fällt. So oder so." Mario Götze sagte: "Das wird ein geiles Spiel, wir freuen uns drauf."

 

2a. Einstellung des FC Bayern ist nicht titelreif

Oha, wenn Uli Hoeneß schweigt, bedeutet das meist nichts Gutes. In diesem Fall nicht für seinen eigenen Klub. Der Präsident des FC Bayern verschwand nämlich nur mit einem "Wiedersehen" aus dem Schwarzwald-Stadion zu Freiburg. Das 1:1 machte ihn sprachlos, da mussten Sportdirektor Hasan Salihamidzic und Trainer Niko Kovac einspringen. "Ich glaube, dass der ein oder andere gedacht hat: 'Das wird schon.' Aber es wurde eben nicht", sagte Kovac nach dem Unentschieden. Zwar egalisierte die Mannschaft immerhin die frühe Führung der Freiburger durch Lucas Höler (3.), doch zu mehr reichte es nicht, obwohl die Kovac-Elf zahlreiche Chancen hatte. "Im Großen und Ganzen war es total enttäuschend", so Salihamidzic. Er habe nicht das Gefühl gehabt, "dass wir das unbedingt gewinnen wollen. Der Funke ist nicht übergesprungen." Auf die Frage, was das Team nun schnellstens verbessern müsse - schließlich steht am Mittwoch das DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den 1. FC Heidenheim an und am Samstag folgt der Klassiker gegen den BVB - sagte der Sportdirektor: "Vieles!"

In der Tat geht der bereits vielzitierte Bayern-Dusel den Bayern in dieser Saison ab. Den, zu dem Oliver Kahn einst sagte: "Es gibt kein Glück, man muss es erzwingen." Und erzwingen, das liegt dem Team derzeit offenbar nicht. Stellt auch Kovac fest: "Das Entscheidende war, dass wir nicht so ins Spiel reingegangen sind, wie ich mir das vorgestellt habe." Seine Spieler scheint das weniger zu tangieren. Mats Hummels etwa sagte: "Natürlich ist das ein Dämpfer, aber keiner, der nachhaltig im Kopf hängen bleibt." Das Ergebnis des Konkurrenten aus Dortmund sei nur "eine Randnotiz". Wenn diese Larifari-Einstellung den Bayern mal nicht am Saisonende auf die Füße fällt - oder eben schon am Samstag.

2b. Joachim Löw ist Bayern-Fan

Dürfte sich klammheimlich amüsiert haben: Joachim Löw.

Dürfte sich klammheimlich amüsiert haben: Joachim Löw.

(Foto: dpa)

Das 1:1-Unentschieden des FC Bayern München in Freiburg, an das man sich vielleicht mal (und mindestens bis Samstag) als den großen Wiederwendepunkt des Meisterschaftskampfes 2018/19 erinnern wird, kennt zwei große Gewinner: Borussia Dortmund und Joachim Löw. Letzerer konnte sich von der Tribüne des Schwarzwald-Stadions gemütlich ansehen, wie sich die ganze Aufregung um die Ausbootung der Bayern-Dreierkette aus Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels in Luft auflöste. Beim schnellen 1:0 der Freiburger patzte Hummels, Thomas Müller trat erst nachhaltig nach knapp einer Stunde in Erscheinung: Bei seiner Auswechslung. Abgelöst wurde er von Serge Gnabry, der ihm auch in der Nationalmannschaft den Rang abgelaufen hat - und das mit einer Dynamik, die der ehemalige, lange so gefährliche Raumdeuter noch nie im Repertoire hatte, die im Spitzenfußball des Jahres 2019 aber lebensnotwendig ist. Boatengs Dienste waren auf internationaler Ebene zuletzt auch bei Kovac nicht mehr gefragt.

Nun ist der Bundestrainer ja niemandem Rechenschaft schuldig, nicht mal der Bayern-Führung, und außerdem der Schadenfreude oder der Genugtuung unverdächtig und doch: Er dürfte sich gefreut haben, dass ganz Fußballdeutschland in angenehmer zeitlicher Nähe zum emotionalen 3:2 beim Erzrivalen Niederlande Zeuge wurde, dass die verdienten Weltmeister von 2014 sportlich zu Recht Teil der DFB-Vergangenheit sind. Das dürfte auch Uli Hoeneß registriert haben, der sein lange vorbereitetes Statement zur Löw-Entscheidung recht leise im vereinseigenen Magazin abmoderierte. Den Bayern fehlen dieser Tage schlicht die Argumente, um Attacken zu reiten. Weder gegen den BVB, noch gegen Joachim Löw - die Gewinner des Unentschiedens von Freiburg.

3. Julian Nagelsmann ist auf dem Weg ins Schlaraffenland

Julian Nagelsmann darf sich freuen: Wenn der Noch-Hoffenheim-Coach seinen Dienst beim Neu-Arbeitgeber RB Leipzig antritt, erwartet den jungen Trainer ein bestelltes Feld. Der scheidende Ralf Rangnick hinterlässt seinem Nachfolger eine junge, dynamische Mannschaft, die die kreative Last auf viele Schultern verteilen kann. Dazu hat Rangnick es schon jetzt geschafft, die offenbar hoch veranlagten Winter-Neuzugänge Tyler Adams und Amadou Haidara für die Bundesliga wettbewerbsfähig zu machen. Damit ist die Truppe schwer auszurechnen, die wieder genesenen Mittelfeldspieler Kevin Kampl und Emil Forsberg haben große Qualität zurückgebracht. Nagelsmann wird aus dem Vollen schöpfen können, wenn er seinen Dienst antritt - und sich auf große internationale Aufgaben freuen darf.

Da lang geht's zum Schlaraffenland: Julian Nagelsmann zieht es nach Leipzig.

Da lang geht's zum Schlaraffenland: Julian Nagelsmann zieht es nach Leipzig.

(Foto: dpa)

Dass das RB-Ensemble Rangnick zum Abschied die Qualifikation für die Champions League schenken wird, daran besteht seit der beeindruckenden 5:0-Hertha-Demontage von Samstagabend kein Zweifel mehr. "Wie viel Spielwitz wir gehabt haben, wie wir zu den Toren gekommen sind, da muss man ehrlich sagen, das war schon Chapeau", schwärmte Emil Forsberg hernach in einer fragwürdigen Satzkonstruktion, aber ähnlich eindrücklich, wie er zuvor auf dem Feld abgeliefert hatte. Sogar eine Umarmung für den scheidenden Trainer spendierte der Schwede nach seiner Auswechslung, das sah bei der Nationalmannschaft noch ganz anders aus.

Sieben Bundesligaspiele und bis zu drei Pokalpartien hat Ralf Rangnick noch in seinem Trainerleben vor sich. Wer die begeisternden Leipziger zum Ausklang des 27. Spieltags gesehen hat, weiß: Julian Nagelsmann zieht ein ins Trainer-Schlaraffenland.

4. Eintracht spaziert Richtung Champions League

Der Frankfurter Traum von Europa wird immer verrückter. Nach dem 3:0-Sieg der Eintracht gegen den weiter taumelnden VfB Stuttgart rangiert das Team von Trainer Adi Hütter auf Tabellenplatz vier - und darf so vorsichtig mit einer Teilnahme an der Champions League liebäugeln. Auch wenn das Spiel am Sonntagabend über weite Strecken enorm zäh gewesen ist: Der Eintracht und ihren Fans kann das herzlich schnuppe sein. Denn die SGE hat ihren Sonntagsspaziergang souverän mit drei Toren und Punkten verziert und feilt so weiter an ihrem Profil als Spitzenmannschaft. "Das war in den letzten sechs Spielen das fünfte Zu-null-Spiel", jubelte Sportvorstand Fredi Bobic. Dabei schloss er die Europa-League-Partien gegen Inter Mailand mit ein - kein Wunder, versteht sich der Klub doch längst wieder als Teil der europäischen Fußballspitzenklasse.

Fredi Bobic weiß, was er an Filip Kostic und Luka Jovic hat: viel Spaß.

Fredi Bobic weiß, was er an Filip Kostic und Luka Jovic hat: viel Spaß.

(Foto: dpa)

Klar, Mann des Tages war Ex-VfB-Sorgenkind Filip Kostic mit seinen zwei Treffern. Großen Anteil am Erfolg gegen Stuttgart hatte allerdings einmal mehr Luka Jovic, der fast in jedem Angriff mitwirbelte und seine famose Leistung kurz vor Schluss auch noch mit seinem 16. Saisontor krönte. Das macht's allerdings nicht unbedingt leichter für Manager Bobic, den Toptorjäger auch in der kommenden Saison zu halten, oder? "Wenn wir die Champions League erreichen würden, wäre das natürlich ein gutes Argument für Vertragsverhandlungen", sagte er nach dem Spiel. Apropos: Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge soll die Eintracht erste Gespräche mit Gareth Bale von Real Madrid geführt haben. Wir verbuchen den Bericht als gelungenen Aprilscherz und halten es dennoch nicht für ausgeschlossen, dass der walisischen Nationalstürmer in der kommenden Saison doch auf dem Frankfurter Rasen aufläuft - als Gast mit Real.

5. Jedes Kruse-Tor für Werder ist ein Kruse-Tor gegen Werder

Wie heißt das Verb zu "Entspannt mit ordentlich PS (= Pokerstars) durch die Großstädte der Republik fegen und dabei mächtig Punkte kassieren"? Richtig: Krusen! Werder Bremens Stürmer Max Kruse, der einstmals 70.000 Euro, die er bei einem Pokerturnier abgestaubt hatte, im Taxi liegen ließ, ist derzeit derart überragend unterwegs, dass eine Würdigung durch ein eigenes Wort dringend angebracht scheint. Sechs Tore und vier Vorlagen aus den letzten fünf Partien schlägt in den europäischen Topligen nur ein gewisser Lionel Messi. Ob der Argentinier in der kommenden Saison neben dem Mann aus der Jugend des SC Vier- und Marschlande spielen darf? Kruses Trainer beim SV Werder Bremen, Florian Kohfeldt, sagte, er wolle seinem Stürmer "Viel Glück in Spanien!" wünschen, wenn der FC Barcelona anriefe - sonst würde er seinen wichtigsten Akteur aber gerne noch einige Zeit an der Weser behalten. Denn der 31-Jährige weckt im Norden Sehnsüchte: Kruse hat Werder im Verbund mit dem kongenialen Milot Rashica durch das 3:1 gegen den 1. FSV Mainz 05 auf einen Europapokal-Platz geschossen. Ob der Ex-Gladbacher, der immer wieder betont, noch einmal europäisch spielen zu wollen, die Früchte seiner Arbeit noch selbst ernten wird, wird mit jedem Treffer jedoch fraglicher.

Max Kruse trifft und trifft und trifft.

Max Kruse trifft und trifft und trifft.

(Foto: imago images / Jan Huebner)

"Max ist ein überragender Pokerspieler. Wenn es auf die Zielgerade geht, kommt er in absolute Topform. Es ist brutal schwer, ihn in dieser Form zu halten. Ich glaube, dass das eine oder andere gute Angebot auf den Tisch kommt", ließ Martin Harnik, seit Jugendtagen enger Kruse-Freund, durchblicken, andererseits "hat Max hier auch ein unglaubliches Standing." Die Situation ist also reichlich bizarr: Jedes Tor, dass Max Kruse für Werder Bremen erzielt, macht ihn für internationale Topklubs interessanter - Tottenham Hotspur und Inter Mailand wurden zuletzt als Interessenten gehandelt. Bei aller gegenseitigen Wertschätzung: Schießt Kruse zu wenig Tore und Werder rutscht noch aus den Europa-Rängen, dürfte es der Stürmer noch einmal woanders versuchen. Schießt Kruse Werder nach Europa, werden die Interessenten potenter. So oder so: Werder sollte das Krusen genießen, so lange es noch geht.

6. Hannover muss für 2. Liga planen

Doll war das Spiel gegen den FC Schalke 04 nicht, das Kind ist in den Brunnen gefallen und selbst ein Held(t) wird Hannover 96 nicht mehr retten können. So, alle schlechten Namenswitze sind abgefrühstückt, betonen wir den Ernst der Lage. Das Abstiegsgespenst hat es sich nämlich in Niedersachsen bequem gemacht. Die 1:0-Niederlage gegen die Schalker war die sechste Niederlage in Folge. Auf den vorerst rettenden Relegationsplatz fehlen sechs Punkte. Zwar stehen noch sieben Spiele aus und der Klassenerhalt ist damit rechnerisch noch locker möglich, aber es glaubt niemand daran. Dolls Bilanz liest sich einfach zu schrecklich: 18 Gegentore, nur sechs eigene Treffer, läppische drei Punkte aus acht Spielen.

Zu wenig selbstbewusst tritt die Mannschaft auf, zu wenig Zusammenhalt ist innerhalb des Teams zu spüren. Ex-Alleinherrscher Martin Kind schießt gegen Sportchef Horst Heldt und mäkelt auch an Doll rum, nachdem er dessen Vorgänger André Breitenreiter bereits abserviert hat. Und Doll gibt die Kritik einfach nur weiter. Anstatt sich schützend vor sein Team zu stellen, schimpft er öffentlich über seine Spieler. Er sprach von "Angsthasenfußball", von "Amateurfehlern" und schimpfte darüber, dass seine Spieler den Klub im Stich ließen. Am kommenden Samstag gegen den VfL Wolfsburg soll Doll allerdings auf der Bank sitzen, sagen Kind und Heldt. "Ich kann für mich ausschließen, dass wir einen Trainerwechsel vornehmen. Das macht für mich keinen Sinn", sagte er. Allerdings kann in der Vereinsführung niemand erwarten, dass im Niedersachsen-Derby ein Sieg herausspringt. Und damit wird Doll spätestens am Samstagabend wieder wackeln.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen