Schürrle blüht und beeindruckt Real BVB feiert magische Nacht mit Fehlern
28.09.2016, 09:59 Uhr
Seht her: André Schürrle.
(Foto: imago/Chai v.d. Laage)
Bei allem Elan - es klappt nicht alles bei der Dortmunder Borussia. Aber nur wenige Fußballmannschaften haben den Mut, gegen Real Madrid so dominant aufzutreten. Und Trainer Thomas Tuchel ist dort, wo er stets hinwollte.
Thomas Tuchel war bestens gelaunt: Dortmunds Trainer lächelte viel, er ruhte in sich und nahm sich Zeit, auf alle Fragen der Journalisten ausführlich Auskunft zu geben. Es war kein perfekter Abend, auch wenn ein 2:2 gegen Real Madrid alles andere als ein Debakel ist. Es war auch keine rauschende Vorstellung seiner Mannschaft, schließlich gab es in den 90 Minuten zu viele kleinere und größere Defizite zu beanstanden. Und doch war der Gesamteindruck mehr als zufriedenstellend, weil der BVB angedeutet hatte, zu was die vor der Saison für viele Millionen Euro neu zusammengestellte Mannschaft alles in der Lage sein könnte, wenn sie ihr üppig vorhandenes Potenzial eines Tages zur Gänze auf den Platz bringt.
Tore: 0:1 Ronaldo (17.), 1:1 Aubameyang (43.), 1:2 Varane (68.), 2:2 Schürrle (87.)
Borussia Dortmund: Bürki - Piszczek, Sokratis, Ginter, Schmelzer - Weigl - Götze (58. Schürrle), Castro - Dembele (73. Pulisic), Guerreiro (77. Mor) - Aubameyang
Real Madrid: Navas - Carvajal, Varane, Ramos, Danilo - Kroos - Modric, Rodriguez (69. Kovacic) - Bale, Benzema (87. Morata), Ronaldo
Schiedsrichter: Clattenburg
Zuschauer: 65.849 (ausverkauft)
Schüsse: 19:13 - Ecken: 6:6
Ballbesitz: 58:42 % - Zweikämpfe: 55:78
Der BVB hatte seinem Widersacher nach zweimaligem Rückstand noch ein Remis abgetrotzt. Darauf gilt es aufzubauen, schließlich handelte es sich nicht um irgendeinen Gegner, sondern um das große Real Madrid. Titelverteidiger, Champions-League-Rekordsieger oder - um Tuchels zu zitieren: "Der größte Name im Weltfußball." Immerhin, so viel hat der Herausforderer aus dem Ruhrgebiet also schon mal erreicht. Es sei "extrem, einem Rückstand gegen diese Qualität und diese Ballsicherheit hinterherzulaufen", weiß der Schwabe auf der Dortmunder Bank. Dass dieses Kunststück gleich zwei Mal gelang, bestätigt Tuchel im Gesamteindruck, den er von seinem Ensemble hat: "Diese Mannschaft strahlt eine sehr positive Energie aus und entwickelt dabei eine große Lust."
Leidenschaft und ungebremste Spielfreude
Dabei ist keinem Beobachter verborgen geblieben, dass es bei allem Elan auch noch einige Defizite aufzuarbeiten gibt. Zum Beispiel in der Rückwärtsbewegung, bei der die Dortmunder immer wieder taktische Schwachpunkte zeigten, wenn Real Madrid seine Angriffe mit einfachen Mitteln ins Ziel brachte. Der erste Gegentreffer fiel nach einem Einwurf, der zweite nach einem Eckball. Mithin zwei Standardsituationen, bei denen die Abwehr eigentlich gut sortiert sein sollte.

War nicht alles perfekt, gefreut haben sie sich dennoch: Pierre-Emerick Aubameyang, Emre Mor, Gonzalo Castro, Ousmane Dembele Mario Götze und Julian Weigl.
(Foto: imago/Eibner)
Verbesserungsbedarf gibt es auch in der Vorwärtsbewegung. Der BVB berannte seinen Gegner mit so viel Leidenschaft und ungebremster Spielfreude, dass er darüber immer wieder vergaß, dass es im Fußball nur ein originäres Ziel gibt. "Wir haben gesehen, wo unsere Defizite liegen", sagte der enorm starke Mittelfeldspieler Gonzalo Castro: "Zum Beispiel, wenn man seine Angriffe nicht konsequent zu Ende spielt. Das macht Real einfach besser." Tatsächlich gab es vor allem in der dominant geführten ersten Halbzeit immer wieder gute Ansätze, die durch einen Schlenker zu viel vertändelt wurden. "Oft haben wir im letzten Drittel die falschen Entscheidungen getroffen, weil wir den richtigen Laufweg nicht gefunden haben", monierte André Schürrle, der aber auch weiß: "Wir haben eine sehr junge Mannschaft, für viele von uns war es das erste Spiel auf einem solchen Niveau gegen einen solchen Gegner. Das wird uns helfen, zusammenzuwachsen."
Immerhin können die Dortmunder für sich verbuchen, ihren edlen Widersacher schon in dieser frühen Phase beeindruckt zu haben. Es wird auf diesem Globus nicht viele Mannschaften geben, die den Mut haben, gegen Real Madrid so dominant aufzutreten. Normalerweise richtet sich der Gegner nach den Galaktischen, der BVB fühlte sich stark genug, das Heft in die Hand zu nehmen. Tuchel war "weit davon entfernt, das nicht wertschätzen zu können", weiß aber auch, "dass wir vieles hätten besser machen können."
"Jeden Tag mit einem Lächeln zum Training"
Solch eine Aussage nach einem Remis, "das hinterlässt bei uns ein gutes Gefühl". Dass es mit der Punkteteilung noch geklappt hatte, war in erster Linie André Schürrle zu verdanken. Der Nationalspieler war in der letzten halben Stunde für den entkräfteten Mario Götze ins Spiel gekommen und hatte kurz vor Schluss mit einem krachenden Linksschuss in den Winkel für einen fulminanten Schlussakkord gesorgt.
Genau für solch geniale Momente haben die Dortmunder mehr als 30 Millionen Euro nach Wolfsburg überwiesen. Offenbar blüht Schürrle im Ruhrgebiet richtig auf, immer wieder betont der 25-Jährige, wie wohl er sich im neuen Umfeld fühlt: "Ich fahre jeden Tag mit einem Lächeln zum Training, weil ich weiß, was für eine tolle Mannschaft wir haben, und was für ein Geist in dieser Truppe herrscht."
Sein Mentor Tuchel wird ähnlich empfinden, weil er weiß, wie wenig begrenzt die Möglichkeiten seines Kaders an Hochbegabten ist, wenn sie sich nur eines Tages zur Gänze entfalten. Der 43-Jährige hatte gesagt, er wolle das Erlebnis Champions-League-Heimspiel gegen Real mit seinem Trainerteam unbedingt genießen. Nach dem Abpfiff der Premiere gab er Einblicke in sein Seelenleben. "Wenn du als Jugendtrainer deine Passion gefunden hast, träumst du nicht einmal davon, auf dieser Bühne zu landen." Dass es nun so weit sei, empfinde er "als großes Geschenk". Nach Lage der Dinge wird Thomas Tuchel, der europaweit zu den angesagtesten Trainern gehört, noch viele von diesen magischen Abenden erleben.
Quelle: ntv.de