Nach "Tuchel-Hammer" in München Dem FC Bayern bleibt nur - ja, wer eigentlich?
25.03.2018, 15:59 UhrEwig klammert sich der FC Bayern ans unwahrscheinliche "Ich mach's doch" von Jupp Heynckes – und verprellt so Nachfolger. Die Absage von Top-Kandidat Thomas Tuchel stürzt die Münchner jetzt ins Dilemma. Denn Alternativen gibt's kaum.
Am vergangenen Donnerstag hat es im deutschen Fußball gewaltig gebebt, ausgeschlagen hat der Seismograf schließlich am Samstagabend. Dann, als die überraschende Absage von Thomas Tuchel an den FC Bayern auch öffentlich bekannt wurde. Der Ex-BVB-Coach habe den Münchnern mitgeteilt, dass er für das in München ab der kommenden Saison vakante Traineramt nicht mehr in Frage kommt. Er stehe, so zitiert ihn die "Bild", bei einem anderen Klub im Wort. Ob das nun wie vom "Kicker" vermeldet der FC Arsenal ist oder doch eher das Scheich-Experiment Paris St. Germain, wie die "Bild" schreibt, dürfte den Münchener egal sein. So oder so ist Tuchels Entscheidung gegen den FC Bayern eine krachende Watsch'n, die auch durch eine eiligst einberufene Charmeoffensive der FCB-Alphazauderer Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Hasan Salihamidzic nicht getilgt werden konnte.
Nachdem die Vereinsoberen das Thema "Trainer" monatelang verschleppt und Tuchel hingehalten hatten, wollten sie den Coach am Freitag nun via eilig einberufener Telefonkonferenz doch noch nach München schwatzen - und fanden kein Gehör mehr. Der Ex-BVB-Trainer entscheidet sich lieber für das drohende Riesenknatsch-Comeback mit dem von ihm einst radikal entmachteten Ex-BVB-Chefscout Sven Mislintat beim kriselnden FC Arsenal oder für den Millionen-Poker mit dem Pariser Gönner Nasser Ghanim Al-Khelaif, in dem er nur mit dem Champions-League-Titel stechen kann. Auch der FC Chelsea wird noch gehandelt.
Einig sind die Spekulanten nur: Der FC Bayern wird es nicht. Thomas Tuchel hat den Münchnern aber keinen Korb gegeben, weil er den erfolgreichsten deutschen Fußballklub für unattraktiv hält. Ebensowenig will Jupp Heynckes seinen Freundschafts-Notdienst im Sommer wegen sportlicher Reizlosigkeit beenden. Der 72-jährige Heynckes will endlich Ruhe, der 44-jährige Tuchel wollte endlich Klarheit. Beides haben die Bosse in München nicht verstanden, sie haben sich grandios verzockt. Mit ihrer übertriebenen Charmeoffensive gegenüber Heynckes haben sie sich überschätzt, weil sie die Geduld des durchaus interessierten Tuchel dabei unterschätzt haben. Den internen Machtkampf um den Wunschkandidaten abseits des "Konsens-Jupp" stellten die Bayern-Bosse über die Perspektive des Klubs. Und nun? Pressiert's gewaltig. Denn der Kreis der verfügbaren Anwärter ist überschaubar, einen Plan B scheint es in München nicht zu geben - und so könnte am Ende vielleicht doch wieder nur Heynckes übrig bleiben. Die Kandidaten im Überblick:
Lucien Favre, der Verrückte
Das Schweizer "Superhirnli" hat in der Bundesliga trotz seiner Flucht von Borussia Mönchengladbach immer noch einen ausgezeichneten Namen - nicht nur in Dortmund, auch in München. Mit Bayern-Boss Rummenigge teilte sich Favre in der 1980ern Jahren ein Zimmer, als beide bei Servette Genf spielten. Rummenigge erinnert sich an diese Zeit so: „Er ist ein Fußball-Verrückter im Positiven.“ Der 60-Jährige gilt als ausgeklügelter Taktiker, der Spieler entwickeln, sie besser machen kann. Beim OGC Nizza schaffte es Favre sogar, Sturmdiva Mario Balotelli wieder in die Spur zu bringen. Anders als im Sommer 2017, als Favre zum BVB wollte und nicht durfte, soll er für diesen Sommer über eine Ausstiegsklausel verfügen. Weiterer Pluspunkt: Favre spricht sehr gut Deutsch, für die Bayern-Bosse nach dem missglückten Ancelotti-Experiment ein wichtiges Kriterium. Möglicher Knackpunkt: Der interne Machtkampf der Bayern-Alphatiere, der auch zum Tuchel-Fiasko beitrug. Hoeneß könnte Favre als “Rummenigge-Trainer” betrachten - und ihn deshalb blockieren.
Niko Kovac, die kleine Lösung
Als Kovac 2016 die Arbeit bei Eintracht Frankfurt aufnahm, stand der Verein vor dem Abstieg. Zwei Jahre später sind die Frankfurter nicht nur immer noch erstklassig. Aktuell stehen sie sogar auf dem mehr als erstklassigen vierten Platz, der zur Champions-League-Qualifikation berechtigen würde. Auf dem Weg dahin führte Kovac die Frankfurter nebenbei noch ins Pokalfinale, in das sie 2018 erneut einziehen könnten. Das alles hat Kovac mit brillantem Kampffußball erreicht, der ihn wie einen Trainerklon von Diego Simeone erscheinen lässt - und für den FC Bayern interessant macht. Als Münchner Ex-Profi hat der 46-Jährige auch den nötigen Bayern-Stallgeruch, als früherer kroatischer Nationaltrainer internationale Erfahrung - allerdings nicht auf Klubebene. Weiteres Manko: Gewonnen hat Kovac noch nichts, weil der DFB als Trainer des Jahres mysteriöserweise Hannes Wolf vorzog. Bei "aller Wertschätzung" wäre Kovac deshalb, schreibt die "Süddeutsche Zeit", "eine kleine Trainer-Lösung".
Ralph Hasenhüttl, der Tiefstapler

Fühlt sich selbst offenbar noch nicht reif genug für die Bayern: Ralph Hasenhüttl.
(Foto: imago/Picture Point LE)
Der 50-jährige Österreicher ist seit seiner märchenhaften Debütsaison mit RB Leipzig der Dauerbrenner in der Münchner Gerüchteküche. In dieser Saison hat er nachgewiesen, dass er auch die Dreifachbelastung moderieren kann. Neben Leipzigs begeisterndem Turbofußball empfiehlt sich Hasenhüttl mit seiner Münchner Vergangenheit, bei einem Wechsel könnte er auch gleich noch Nationalstürmer Timo Werner einpacken. Hasenhüttls Vertrag in Leipzig läuft 2019 aus, die Verhandlungen über eine Verlängerung stocken - falls überhaupt noch verhandelt wird. Kommentatoren-Legende Marcel Reif prophezeit bereits den Abschied aus Leipzig - und sieht den Österreicher als Wunschkandidaten von Bayern-Präsident Hoeneß. Und Hasenhüttl? Der stapelt tief. Im Januar kokettierte er in der "Sport Bild": "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bayern jemanden haben wollen, der so wenig Erfahrung auf internationalem Niveau hat wie ich." Von Hoeneß ist freilich der Satz überliefert: "Wenn wir irgendwann einmal einen deutschsprachigen Trainer suchen sollten, gehört er mit Sicherheit zu den drei Kandidaten, über die man nachdenken muss." Der Satz stammt aus dem Dezember 2016. Hasenhüttls internationale Erfahrung damals: null.
Julian Nagelsmann, der Unberechenbare
Die Karriere des 30-Jährigen kennt nur eine Richtung: nach oben. Und oben, da ist ja immer auch der FC Bayern. Ergibt also eigentlich die perfekte Symbiose - jedenfalls bis zum Beginn dieser Saison. Dann scheiterte Nagelsmann mit seinen Hoffenheimern erst in der Champions-League-Qualifikation am FC Liverpool deutlich und später in der Europa-League-Vorrunde unter anderem an Ludogorez Rasgrad und Sporting Braga kläglich. Auch in der Bundesliga läuft's mit Rang sieben eher auf "Geht so"-Niveau. Nicht ganz unbeteiligt an der sportlichen Delle des Strahlemanns ist derweil der FC Bayern. Mit den Nationalspielern Sebastian Rudy, Niklas Süle (im vergangenen Sommer) und Sandro Wagner (in der Winterpause) nahmen die Münchner Nagelsmann erst Abwehrchef, Mittelfeldhirn und Torjäger - dann auch noch die Hoffnung auf den frühen Karriere-Höhepunkt. So erfuhr das bayrische Trainer-Theater-Auditorium Ende Januar aus der "Bild": Nagelsmann ist derzeit kein Kandidat für die Heynckes-Nachfolge, zu jung, zu wenig Erfahrung, zu wenig konstant. Immerhin, falls sich doch kein anderer findet: Das lange gehypte Coaching-Talent spricht deutsch und besitzt ein Haus in München.
Mauricio Pochettino, der Gaucho
"Dass der Bayern-Trainer Deutsch sprechen soll, mag ein wichtiges Kriterium sein, aber mit Sicherheit nicht das entscheidende. (...) Sie werden versuchen, den bestmöglichen Trainer zu holen”, hat Sky-Experte Dietmar Hamann kürzlich gesagt - und dann gleich noch verraten, wer für ihn der Beste wäre: “Für mich wäre das der Trainer von Tottenham." Also Mauricio Pochettino, Argentinier, 46 Jahre alt. In seiner vierjährigen Amtszeit als Tottenham-Coach hat Pochettino den Verein als englisches Spitzenteam etabliert. Seine Champions-League-Gruppe gewann Tottenham vor Real Madrid. Neben Manchester City und Liverpool spielen die Spurs den aufregendsten Fußball der Premier League - was laut Hamann auch den Bayern-Bossen aufgefallen ist. "Ich weiß, dass die Bayern Mauricio Pochettino kontaktiert haben und er eine Option war - und möglicherweise noch ist." Oder dank Tuchel wieder werden könnte. Von ebenfalls gehandelten internationalen Namen wie Ex-Barcelona-Coach Luis Enrique, der bei Chelsea wackelnde Antiono Conte oder Donezk-Trainer Paulo Fonseca scheint Pochettino noch die wahrscheinlichste Variante.
Löw & Klopp, die Fragezeichen
Ein ganz großer Name für den großen FC Bayern, das würde den Bossen gefallen. Und größer als Weltmeistertrainer Joachim Löw und Jürgen Klopp vom FC Liverpool geht es aktuell nicht, wenn man die Suche auf deutsche Trainer beschränkt. Der große Haken an diesen ganz großen Namen: Hinter ihrer Verfügbarkeit steht ein riesengroßes Fragezeichen. Klopp bastelt in Liverpool gerade eines der aufregendsten Teams Europas zusammen und am eigenen Denkmal. Löw ist bei der DFB-Elf längst sein eigenes Denkmal und unantastbar, sein Vertrag schließt die EM 2020 mit ein. Vorzeitig vom Sockel steigen würde er wohl nur im Falle des erneuten WM-Titels oder eines blamablen Vorrunden-Aus'. Ob er nach 14 Jahren als Nationaltrainer dann direkt den schwierigsten Klubtrainerjob in Deutschland übernehmen würde, ist äußerst zweifelhaft - genau wie der Umstand, dass die Bayern den Job bis dahin freihalten.

Wer trainiert kommende Saison den FC Bayern?
Quelle: ntv.de