Fußball

Teilweise irritierend Der Dortmunder Schulterschluss misslingt

Dortmunds Trainer Thomas Tuchel belasten die vereinsinternen Diskussionen um seine Person.

Dortmunds Trainer Thomas Tuchel belasten die vereinsinternen Diskussionen um seine Person.

(Foto: imago/Eibner)

Der BVB schlägt Hoffenheim und springt auf Platz drei. Doch große Freude kommt nicht auf. Durch die Aussagen von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke über Trainer Thomas Tuchel ist der Betriebsfrieden erheblich getrübt.

Thomas Tuchel hätte allen Grund gehabt, bester Laune zu sein: 2:1 gegen Hoffenheim gewonnen an diesem 32. Spieltag, am direkten Rivalen vorbeigezogen auf Platz drei der Fußball-Bundesliga, der am Saisonende die direkte Champions-League-Qualifikation bringen würde und dazu noch den beeindruckenden Heimnimbus gewahrt. All dies hätte ein Strahlen in das Gesicht des 43-Jährigen zaubern können. Mit einem Interview mit der Funke-Mediengruppe, das am Spieltag erschienen war, hatte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke die Diskussionen um Tuchels Person neu entfacht. Sie sind belastend für den BVB-Trainer.

Auf die Frage, ob bei der Bewertung der schnellen Neuansetzung der zunächst abgesagten Champions-League-Partie gegen Monaco ein "klarer Dissens" zwischen ihm und Tuchel sichtbar geworden sei, räumte Borussias Geschäftsführer ein, die heftige Kritik des Trainers am Spieltermin habe ihn "teilweise irritiert".

Ob diese Irritationen auszuräumen sind, bleibt abzuwarten, Tuchel will erst nach der Saison darüber sprechen, ob er seinen 2018 auslaufenden Vertrag in Dortmund verlängern will oder ob sich die Wege womöglich schon vor der Zeit trennen. "Wie immer bei analytischen Gesprächen" gehe es dabei "ganz allgemein gesprochen neben dem Sportlichen um Dinge wie Strategie, Kommunikation, Vertrauen", betont Watzke. Doch neben diesen weichen Faktoren spielen auch die messbaren Tatsachen eine Rolle, ob und wie es mit Thomas Tuchel in Dortmund weitergeht.

"Abschlusstabelle ist wie ein Zeugnis"

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke übt weiterhin hohen Druck auf Tuchel aus.

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke übt weiterhin hohen Druck auf Tuchel aus.

(Foto: imago/DeFodi)

Vor allem wird bei der Aufarbeitung zu bewerten sein, auf welchem Rang der BVB nach dem 34. Spieltag steht. "Eine Abschlusstabelle ist wie ein Zeugnis", sagt Watzke. "Und die Note ist sicher besser, wenn du Dritter statt Vierter wirst. Unser Saisonziel war die direkte Qualifikation zur Champions League, möglichst durch Platz zwei. Mit Platz drei kann man gut leben. Mit Platz vier hätten wir unser Saisonziel in der Bundesliga nicht erreicht."

Der Druck, den Watzke auf Tuchel ausübt, bleibt also hoch. Der 43-Jährige empfindet die Debatte als "ein zu großes Thema zu diesem Zeitpunkt. Ich verbiete mir, darüber nachzudenken und darauf einzugehen." Und weiter: "Die Losung heißt: Volle Konzentration auf das Sportliche. Für alles andere habe ich keine Energie übrig." Daraus, dass die Einlassungen Watzkes für ihn zur Unzeit kommen, macht Tuchel keinen Hehl: "Die Saison ist schon so kompliziert genug, wir müssen sie nicht noch komplizierter machen."

Emotional aufgeladenes BVB-Umfeld

Seine Zukunft beim BVB lässt Tuchel weiter offen.

Seine Zukunft beim BVB lässt Tuchel weiter offen.

(Foto: imago/Team 2)

Tuchel wird von seinem Arbeitgeber infrage gestellt, obwohl er sein Profil signifikant geschärft hat nach jenem 11. April, dem Tag, an dem er und sein Team Opfer eines Sprengstoffanschlags wurden, das bei schlimmerem Verlauf durchaus Tote hätte zurücklassen können. Seitdem ist nicht nur im Binnenklima der Mannschaft, die in der Krise enger zusammenrückte, einiges passiert, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung der Person Thomas Tuchel. Der Schwabe, der über einen fachlich untadeligen Ruf verfügt, seit er während seiner Mainzer Zeit zu einer der begehrtesten Fachkräfte reifte, die hierzulande in der Trainergilde zu finden sind, hat gezeigt, dass er auch als Persönlichkeit Potenzial hat. Wie er die Dinge angesichts der Ausnahmesituation eines Bombenanschlags im Sinne seiner Mannschaft moderierte, nötigte allen Beobachtern Respekt ab.

Tuchel stand mit Herzblut für seine Spieler ein, er kritisierte die Uefa für die seiner Meinung nach viel zu schnelle Ansetzung des Spiels gegen Monaco keine 24 Stunden nach den traumatischen Erlebnissen und prangerte an, per SMS informiert worden zu sein, anstatt in die Entscheidung einbezogen zu werden.

Dieser Trainer, so der Eindruck, ist zu sehr viel mehr Empathie fähig, als bis dato bekannt war. Tuchel kam in der öffentlichen Wahrnehmung stets ein wenig spröde und unnahbar rüber. Er ist ein Asket, der oftmals introvertiert und analytisch auftritt. Eher ein Kopf-, als ein Gemütsmensch, der mit seinen Gefühlen sorgsam haushaltet. Das macht es nicht unbedingt leicht in einem emotional aufgeladenen Umfeld wie dem in Dortmund, in dem alle Gefühle, die der Fußball hervorbringen kann, hemmungslos ausgelebt werden.

Die Klopp-Verhältnisse sind vorbei

Dass Tuchel im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem alles umarmenden Volkstribun Jürgen Klopp, weniger zugänglich sein würde, war vom ersten Tag an klar. Zwischen Klopp, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc passte selbst dann kein Blatt, als der BVB in der Saison 2014/2015 bis auf den letzten Platz abstürzte.

Eine solche Nähe ist zwischen dem Dortmunder Führungsduo und Tuchel nie entstanden. Die Protagonisten begegnen sich mit einem gewissen Abstand, der in vielen Situationen spürbar wird. Warum Tuchel auf der Zielgeraden der Saison von Watzke angezählt wird, bleibt allerdings unergründlich.

Den großen Schulterschluss haben Watzke und Tuchel noch nicht hinbekommen, vielleicht gelingt er ja gar nicht. Ob der Vertrag des Trainers in der Sommerpause verlängert wird, erscheint offener denn je. Zumindest in diesem Punkt konnten sich die Beteiligten auf eine einheitliche Sprachregelung einigen. Nämlich die, dass Tuchel erst einmal die Saison beenden will, bevor er über seine Zukunft verhandelt.

Quelle: ntv.de

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