Ancelotti zeigt den Mittelfinger Der FC Bayern lacht, die Hertha ist bedient
19.02.2017, 11:35 Uhr
Geht doch: Robert Lewandowski und Kollegen.
(Foto: imago/Matthias Koch)
Pal Dardai ergeht sich in Verschwörungstheorien, Berlins Torhüter drischt Xabi Alonso den Ball in den Rücken - und selbst der Trainer des FC Bayern verliert die Contenance. Beim turbulenten Remis im Olympiastadion wird viel geboten.
Die Anzeigetafeln im Olympiastadion logen. Das Fußballspiel zwischen der Berliner Hertha und dem FC Bayern war längst vorbei, aber immer noch leuchtete das Ergebnis zwischen den Wappen der beiden Bundesligisten Weiß auf Blau - 1:0. Unten auf dem Rasen waren sie alle ganz aufgeregt. Aber nicht wegen der Tafeln, sondern weil es an diesem Samstagnachmittag den Münchnern gelungen war, in letzter Sekunde ein Tor zu erzielen. Wieder einmal. Vor einer Woche beim 2:0 in Ingolstadt hatten sie in der 90. und 91. Minute getroffen, beim 2:1-Sieg in Freiburg zu Beginn des Jahres hatte Robert Lewandowski ebenfalls in der 91. Minute zugeschlagen. Und nun in Berlin in der sechsten Minute der Nachspielzeit. Irgendwann wurde dann auch das richtige Ergebnis angezeigt - 1:1. Doch damit war es nicht getan.
Während am Ende wieder die Bayern lachten, waren die Berliner sauer - hatten sie doch prima gespielt und nach der Führung durch Vedad Ibisevic in der 21. Minuten vor den 74.667 Zuschauern alles ihnen Mögliche getan, um diesen Vorsprung zu verteidigen. Sie rannten, kämpften und verteidigten so klug, dass sich der Branchenprimus sehr schwer tat und sich kaum einmal eine Gelegenheit erspielte, ein Tor zu erzielen. Die Fans in der Ostkurve sangen das Lied von den Bayern, denen die Lederhosen auszuziehen seien, sie tanzten und sie bejubelten, je länger das Spiel dauerte, immer lauter jede auch nur halbwegs gelungene Abwehraktion. Sie waren bereit für die Sensation, für den ersten Sieg der Hertha gegen den FC Bayern seit acht Jahren. Nur einmal hatten die Münchner in dieser Saison zur Pause zurückgelegen. Das war am elften Spieltag in Dortmund. Am Ende verloren sie mit 0:1 - die immer noch einzige Niederlage in dieser Spielzeit.
"Ich glaube, das ist Bayern-Bonus"
Und die Anhänger der Hertha schienen geahnt zu haben, dass es gerade gegen die Münchner nicht vorbei ist, bis es vorbei ist. Als der vierte Offizielle anzeigte, dass die Nachspielzeit fünf Minuten beträgt, pfiffen sie laut und andauernd. Sie fürchteten das Schlimmste. Und so kam es dann auch. Denn dieser Lewandowski, der die erste Stunde auf der Bank gesessen hatte, traf dann nach exakt 95 Minuten und 56 Sekunden doch noch. Herthas Torhüter Rune Jarstein war darüber so erzürnt, dass er sich den Ball schnappte und ihn Xabi Alonso in den Rücken drosch. Sofort gingen mehrere Spieler des FC Bayern auf Jarstein los, sie rangelten und schubsten ihn. Der deutsche Nationaltorhüter Manuel Neuer sagte hinterher in der ARD: "Das gehört sich einfach nicht. Das hat mit Fairness nichts zu tun. Wenn man einen Spieler absichtlich mit dem Ball abschießt, dann ist man kein gutes Vorbild."
Auch Berlins Trainer Pal Dardai war bedient. Direkt nach dem Abpfiff schimpfte er beim Bezahlsender Sky: "Leider gab es sehr viel Nachspielzeit. Ich glaube, das ist Bayern-Bonus. Sorry, da kann jeder beleidigt sein, aber nach fünf Minuten muss das Spiel beendet sein. Das ist kein Pokalspiel, wir spielen keine 120 Minuten." Vielleicht Dardai gelangte selbst zu der Erkenntnis, dass solche Verschwörungstheorien fehl am Platze sind, vielleicht hat es ihm irgendjemand gesagt. In der anschließenden Pressekonferenz jedenfalls gab er sich ungleich zahmer und räumte ein, dass es im Ermessen des Schiedsrichters Patrick Ittrich liegt, ob er der Empfehlung von fünf Minuten Nachspielzeit folgt - zumal der Trainer nach der 90. Minute noch zwei Spieler ausgewechselt hatte.
Schließlich rang Dardai sich noch einen Satz ab, der es einst, weil Dragoslav Stepanovic ihn sprach, zu bundesligaweiter Berühmtheit gebracht hatte: "Das Leben geht weiter." Sein Kollege Carlo Ancelotti hingegen, der während der Partie meist wie festgefroren am rechten Eck seiner Coachingzone stand, hatte ein "für beide Seiten gerechtes Remis" gesehen - und nach dem Abpfiff ebenfalls ein wenig die Contenance verloren. Er hatte, das zeigen Fernsehbilder des ZDF, wütenden Fans der Hertha den deutlich ausgestreckten Mittelfinger gezeigt, als er vom Spielfeld zu den Kabinen ging. "Ja, ich habe diese Geste gemacht, weil ich vorher angespuckt wurde", sagte Ancelotti der ARD. Ob der DFB ihn nun bestraft, ist noch nicht geklärt. Was aber zählte, war das Ergebnis - 1:1. Wie sagte es Lewandowski: "Das war ein wichtiger Punkt. Wir kämpfen immer bis zum Ende."
Quelle: ntv.de