Fußball

FC Bayern jetzt schon durch? "Scheißtor" blamiert Bayer, VfL Bochum explodiert

Koji Miyoshi ließ Bochum beben.

Koji Miyoshi ließ Bochum beben.

(Foto: dpa)

Der VfL Bochum legt in der Fußball-Bundesliga den schlechtesten Saisonstart aller Zeiten hin. Als Tabellenletzter schwindet früh alle Hoffnung. Doch dann kommt unter der Woche mit Dieter Hecking ein neuer Trainer. Und der lässt es direkt krachen.

Am späten Samstagnachmittag, gegen 17.15 Uhr, bebte Bochum. So laut und so kräftig, wie man es lange nicht gesehen, gehört, gespürt hatte. Vergleichbar war die Eruption mit jener aus der Nacht des 27. Mai, als der VfL bei Fortuna Düsseldorf das Relegationswunder noch perfekt gemacht hatte. Seither war ja vieles passiert beim Traditionsklub "vonne Castroper". Fast nur Schlechtes. Umso heftiger entlud sich nun also das Glücksgefühl, das sie so lange vermisst haben. Koji Miyoshi schob in der 89. Minute den Ball an Bayer Leverkusens Torwart Lukas Hradecky vorbei, es stand 1:1. Alles bebte und bebte. Und es hörte einfach nicht mehr auf.

In diesen Moment waren die Fans im Stadion zu allem bereit. Die ersten forderten bereits eine Statue für den neuen König. Sein Name: Dieter I. (Hecking). Ein sonderlich adelig klingender Name ist das freilich nicht. Aber uninteressant. Denn der Dieter ist von hier, die Straße am Stadion einfach bis zum Ende laufen, dann links und immer geradeaus. Irgendwann kommt Castrop-Rauxel, die Geburtsstadt des neuen Hoffnungsträgers. Des inzwischen schon fünften Trainers der Bochumer in diesem Jahr. Das sind die Dimensionen, in denen es selbst Schalke 04, die Trainerfressermaschine schlechthin, schwindelig wird. Der Dieter löst den Peter (Zeidler) ab, dessen Zeit auf dem Thron von reichlich Nebengeräuschen geprägt war - und nur einem mickrigen Pünktchen (2:2 gegen Kiel). Das war der historisch schlechteste Saisonstart, den eine Mannschaft in der Bundesliga je hingelegt hatte.

König Dieter hatte Spaß.

König Dieter hatte Spaß.

(Foto: REUTERS)

Und nun ist an diesem 10. Spieltag eben ein zweiter hinzugekommen. Gemessen am Zahlenwerk ist das kein Grund, komplett zu eskalieren. Doch Fußball ist ebenso viel mehr als Zahlen. Fußball ist Gefühl. Und in Bochum haben sie seit diesem Samstagabend wieder das Gefühl, dass etwas möglich ist. Denn diesen Punkt gegen Leverkusen hatten sie sich nicht irgendwie ergaunert, sondern verdient. Mit ihrer besten Saisonleistung. Früh waren sie in Rückstand geraten. Florian Wirtz hatte einen sensationellen Steilpass auf Patrik Schick gespielt, der durch die Beine von Patrick Drewes vollendete (18.). Eigentlich war alles für den erwarteten Verlauf bereitet. Der Favorit, der haushohe, führte. Was sollte da noch schiefgehen?

"Du glaubst ihm einfach alles"

Aber die Bochumer hielten dagegen, mit der größtmöglichen Leidenschaft. Das ist der größte Verdient des neuen Trainers. Denn zuletzt war die Mannschaft in Frankfurt auseinandergebrochen und 2:7 vermöbelt worden. Davor gab es eine 0:5-Abreibung gegen den FC Bayern, der der große Gewinner ist. Denn nach diesem Spieltag gehen dem Rekordmeister die Konkurrenten im Titelkampf flöten. Bayer blamiert sich nach dem Remis gegen Kiel nun abermals gegen einen Abstiegskandidaten, der BVB untermauert seinen Status als große Auswärtskatastrophe (1:3 beim FSV Mainz) und RB Leipzig kämpft gegen Borussia Mönchengladbach mit einem "Furz im Kopf" und verschenkt wichtige Punkte (0:0). Diese Saison droht an der Spitze früh langweilig zu werden.

Und auch im Keller schien es bis zu diesem Samstag so, als würden die Absteiger schon feststehen. Holstein Kiel wehrt sich tapfer, ist aber (noch) zu leicht für die Bundesliga. Und der VfL, nun ja, der ebenfalls bislang kaum zu ertragen schlecht gewesen war, von einer sehr guten Halbzeit gegen den BVB mal abgesehen. Doch jetzt ist Hecking da. Und gibt dem Klub den Glauben zurück. Mit einfachen Grundideen: stabil bleiben, konzentriert verteidigen, pfeilschnell angreifen. "Ich habe gespürt, dass sie eine Struktur wollen und die habe ich ihnen gegeben", sagte König Dieter, der Hec-KING. "Gerade nach den letzten Spielen hat er versucht, uns kompakt aufzustellen. Das haben wir gut hinbekommen. Wir haben immer wieder Nadelstiche gesetzt, hatten gute Situationen in der ersten Hälfte. Wir mussten verteidigen wie Weltmeister", sagte Stürmer Philipp Hofmann.

"Er ist ein überragender Trainer mit Charisma und Aura, er gibt uns etwas mit und du glaubst ihm einfach alles", schwärmte etwa Überraschungsspieler Gerrit Holtmann, der eigentlich gar nicht mehr beim VfL sein sollte. Im Sommer wollte der Klub den superschnellen Außenstürmer loswerden. Gut für Hecking, dass sich kein gutes Match für den philippinischen Nationalspieler fand, der jetzt erstmals wieder in der Startelf stand.

Bayer schimpft über das "Scheißtor"

Und er machte seine Sache so gut, wie alle anderen Bochumer auch. In der Abwehr verdiente sich Tim Oermann eine Bestnote. Der deutsche U21-Spieler wurde von Hecking im Abwehrzentrum aufgeboten und hielt die starke Offensive der Gäste in Schach. Und der in dieser Saison nicht immer fehlerfreie und schon gescholtene Drewes war auf dem Posten und verhinderte zweimal mit starken Aktionen ein mögliches 0:2. Bayer machte den Sack nicht zu. Wieder einmal nicht. "Wir haben aktuell Probleme, ein Spiel zu schließen. Es ist sehr schade", haderte Startrainer Xabi Alonso. Und der übertölpelte Hradecky fluchte: "Mit dem 1:0 lassen wir die Möglichkeit offen, dass so ein Scheißtor passieren kann." Leverkusens Abwehrspieler Jonathan Tah hatte den Ball unsauber geklärt, Miyoshi kam angerannt und schob den Ball clever, fast auf der Torauslinie liegend, innen an Hradecky vorbei, der erst auf dem anderen Bein und schließlich ein bisschen blöd dastand. "Das ist das dritte Mal in Folge gegen eine Mannschaft aus der unteren Tabellenhälfte. Natürlich ist es ein herber Schlag ins Gesicht für uns."

Leverkusens DFB-Spieler Robert Andrich schimpfte: "Wir haben es wieder nicht geschafft, das 1:0 über die Linie zu bringen. Jetzt gehen wir alle wieder mit einem schlechten Gefühl in die Länderspielpause. Das wollten wir nicht. So ein 'Lucky Goal' am Ende - das geht so nicht." Zwar war die Leistung seiner Mannschaft nicht schlecht, aber abermals fehlte das, was die Mannschaft in der vergangenen Saison so stark gemacht hatte, als sie diese unfassbare Kraft entfachte, jedes Spiel noch zu drehen und sei es in der 94., 95. oder 99. Minute. "Diesen Willen, ein zweites Tor zu erzielen, den hatten wir nicht. Stattdessen haben wir den Gegner durch Kleinigkeiten im Spiel gelassen", sagte Andrich. Eben nicht zum ersten Mal in dieser Saison.

Neun Punkte liegt Bayer bereits hinter dem FC Bayern, das ist schon ein mächtiges Paket nach einem knappen Drittel der Saison. Zumal die Münchner unter Vincent Kompany wieder in der Lage sind, Spiele nicht nur furios zu gewinnen, sondern auch mal dreckig, knapp, souverän. Wie an diesem Samstag beim FC St. Pauli. Ähnlich groß ist die Hypothek des VfL auf den rettenden Platz 15, aktuell sind es sechs Zähler, die noch auf sieben anwachsen können, wenn Hoffenheim beim FC Augsburg punktet. Aber so unterschiedlich ist die Gemengelage. Bayer leidet, Bochum bebt, das Ruhrstadion flog fast auseinander.

"Wir brauchen 24-mal heute"

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"Diese Stimmung nach dem Spiel habe ich vermisst. Die Zuschauer haben uns unglaublich gepusht. Jetzt durften wir das wieder erleben. Das könnte uns einen Push für die weiteren Spiele geben", schwärmte Kapitän Anthony Losilla, der vergangene Woche in Frankfurt noch vor Enttäuschung und Wut geweint hatte. "Der Ausgleich war eine Explosion für die Mannschaft", fand Hecking, "das kann ein Wendepunkt für die Saison werden. Aber wir brauchen 24-mal heute." Aber nun erstmal Pause. Denn der neue Chef hatte nicht ohne Eigennutz eine saftige Belohnung für seine ausgezehrten Spieler parat. "Ich habe gesagt, wenn ihr ein gutes Spiel macht und wir auch noch was holen, dann gibt's zwei Tage frei."

Hecking hatte selbst noch große Pläne für den Samstagabend. "Ich will auf die Soester Kirmes zu meinen Schwestern. Das haben sie mir gegönnt, sie wussten, dass der Alte ein Bierchen trinken will." Bier! In Bochum reden sie wieder über Bier! Unter dem kauzigen Ex-Trainer Zeidler war das für die Spieler nicht erlaubt, Hecking machte das direkt mal rückgängig. Der neue König macht sich beliebt.

Quelle: ntv.de

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