Fußball

Eine kaum zu fassende CL-Nacht FC Bayern, Real und City rauben Europa den Verstand

Thomas Tuchel ist einer der ganz großen Gewinner dieses großartigen Fußballabends.

Thomas Tuchel ist einer der ganz großen Gewinner dieses großartigen Fußballabends.

(Foto: IMAGO/Eibner)

Mehr können zwei Mannschaften kaum bieten, darin waren sich praktisch alle einig nach dem mitreißenden Vorweg-Finale zwischen Real Madrid und Manchester City. Und auch der FC Bayern sorgt an einem magischen Fußballabend für große, gute Schlagzeilen.

Nicht immer sind Fußballabende in der Champions League ein Hochgenuss. In der Vorrunde gibt es oft zähe oder extrem einseitige Spiele, in den K.-o.-Runden dann bisweilen Duelle, die sich das Label "taktisch hochinteressant" verdienen. Was im Umkehrschluss heißt, dass solche Partien für den lustvollen Zuschauer kaum zu ertragen sind. Doch dann gibt es eben auch solche Abende wie jenen am Dienstag. Zwei Spiele, zehn Tore. Die Auferstehung des FC Bayern. Die Meisterleistung von Thomas Tuchel. Ein "Kinderfehler", der die Gemüter erhitzt. Ein Real Madrid, das sich einfach nicht geschlagen gibt. Und ein Manchester City, das Donnerschläge in Tore münzt.

Wer hätte vor den ersten prominenten Duellen im Viertelfinale gedacht, dass der FC Bayern als großer Sieger hervorgeht? Nein, natürlich haben die Münchner nicht gewonnen (Sie haben nichts verpasst, liebe Lesenden). Und nein, es gab auch im Nachgang des Spiels beim FC Arsenal keine neue Bewertung der letzten Szene, als Stürmer Bukayo Saka über das Bein von Manuel Neuer im Münchner Strafraum gesegelt war und die Londoner sehr gerne einen Elfmeter bekommen hätten.

Aber trotz des 2:2-Remis fühlt sich der Klub, der seit Monaten in einer tiefen Sinn- und Ergebniskrise steckt (gemessen am eigenen Anspruch), als Gewinner. Und das nicht ohne Grund. Gegen die vermutlich formstärkste Mannschaft in Europa, den Tabellenführer der starken Premier League, hatte sich der FC Bayern vom schon herbeigeschriebenen Totenbett erhoben und zu einer der besten Leistungen der Saison aufgeschwungen. Da war es wieder, das Spitzenteam, das sich zuletzt so oft außer Dienst gestellt hatte.

"Was soll ich sagen? Totgesagte leben länger"

Mit der Musketier-Mentalität stemmten sich Tuchel und seine Spieler gegen den nächsten Absturz. Als perfekt funktionierende Einheit. Die letzte Titelchance der gemeinsamen Zeit, die im Sommer endet, soll nicht achtlos weggeworfen werden. Nicht wie eine Führung beim 1. FC Heidenheim, die den Verein wieder einmal in die pure Ratlosigkeit katapultiert hatte. In London stimmte alles, die Leidenschaft, die Intensität und der Plan des Trainers. Der hatte gar nicht erst versucht, die Sehnsucht nach dem dominanten "Mia san mia" taktisch zu stillen. Das wäre wahrscheinlich ein Sturm ins Verderben gewesen. Tuchel zog sein Team weit zurück, ließ es auch nicht aggressiv pressen. Räume verdichten, Gegner doppeln, voll gegenhalten, das war das Konzept aus dem sich die Überfälle auf das Tor des FC Arsenal generierten. Dem oft ratlosen und verzweifelten Trainer war es noch einmal gelungen, seine Mannschaft zu einem beeindruckenden Auftritt zu bewegen, der ihr so nicht mehr zugetraut worden war.

Immer wieder stand dabei Leroy Sané im Fokus, der zuletzt so verzweifelt auf Formsuche wirkte und das unter anderem an einer Trinkflasche ausließ. Sané sprintete wie der Teufel über den Rasen des Emirates Stadium. Und hatte stets eine gute Idee. Das 1:1 durch Serge Gnabry leitete er exzellent ein. Vor dem 2:1, einem Elfmeter durch Harry Kane, war sein großes Solo nur regelwidrig zu stoppen gewesen. Aber es waren eben nicht nur die Bayern, die den Abend beim FC Arsenal zu einem großen machten. Auch der pfeilschnelle und trickreiche Saka hatte immer wieder Momente zum Genießen. Und wie Joker Gabriel Jesus den Ausgleich auf dem Bierdeckel herbeidribbelte (vollendet vom auch eingewechselten Leandro Trossard), das war ebenfalls feinste Fußballkunst. ""Was soll ich sagen? Totgesagte leben länger. Das ist das wahre Gesicht des FC Bayern!", rief der euphorische Bayern-Boss Jan-Christian Dreesen seinen Spielern und der europäischen Konkurrenz zu. "Das wollen wir von euch, liebe Mannschaft, noch viel, viel öfter sehen!"

Mindestens nächste Woche, wenn sich beide Teams in München wiedersehen. Zwei Topleistungen, hatte Tuchel angemahnt, brauche es, um den FC Arsenal zu besiegen. An eine kann er einen Haken setzen. Ob die zweite folgt? Es ist die große Frage, die das rätselhaft schwankende Ensemble des FC Bayern seit Monaten begleitet. Sollte das tatsächlich gelingen und der Titeltraum über den nächsten Mittwoch hinaus am Leben bleiben, wartet direkt das nächste Spektakel-Duell. Es ist bereits klar, dass der nächste Gegner zwischen Manchester City und Real Madrid ermittelt wird. Einen Favoriten gibt es nach diesem Dienstagabend aber nicht. Zu intensiv, zu wild, zu atemlos und mitreißend war das Duell der beiden Giganten. Das mit einem spektakulären 3:3 endete.

"Real stirbt nie"

Manchester City ließ den Ball laufen, die Pässe rasten von Fuß zu Fuß. Mit einer phänomenalen Präzision. Madrid zog sich zurück, immer bereit, zuzustechen. In Raketengeschwindigkeiten flogen die Königlichen auf das von Stefan Ortega gehütete City-Tor zu, wann immer sich der kleinste Raum auftat. Vinicius Junior und Rodrygo hieß das fulminante Überfallkommando. Antonio Rüdiger dirigierte seine Abwehr, City-Star Erling Haaland sah kaum Land. Dreimal ließen es die Gäste aus der Distanz krachen. Aber keiner schöner als Phil Foden, der sich den Ball mit dem ersten Kontakt so perfekt in den Fuß legte, dass er danach einen Donnerschlag von Schuss abfeuern konnte. Die individuelle Qualität der Spieler im Bernabeu raubte den Zuschauern den Atem. Aus Begeisterung, wenn Vinicius Junior antrat und lossprintete. Aus Sorge, wenn etwa ein Foden was plante.

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"Un partido canon", schrieb etwa die spanische Sportzeitung "AS" in größtmöglicher Erregung. Ein Spiel wie eine donnernde Kanonenkugel. Der Sportinformationsdienst sah ein "Hochamt des Fußballs, in dem Störfaktoren wie Erschöpfung oder technische Unzulänglichkeiten beinahe außer Kraft gesetzt schienen. Es war auf Perfektion getunter Netflix-Fußball, mehr Las Vegas als Madrid, mehr Entertainment als Gefühl." Und so wollte auch Josep Guardiola nicht lange darüber sprechen, wie er sich mit diesem Ergebnis fühle. "Es ist gut, es ist gut", sagte er auf die Nachfrage eines englischen Journalisten: "Es ist das Bernabéu, mein Freund. Sie sind aus England, Sie wissen nicht, was es bedeutet, im Bernabéu zu spielen."

Nach dieser magischen Nacht dürfte sich indes noch weiter herumsprechen, was es bedeutet, dort zu bestehen. Welche gigantische Anziehung, welche Kraft, welchen Zauber dieses Stadion entfachen kann. "Real stirbt nie", schrieb etwa die Sportzeitung "Marca", nachdem die Gastgeber zweimal einen Rückstand aufgeholt hatten, selbst aber auch einmal geführt hatten. Den Schlusspunkt setzte Fede Valverde mit einem weiteren Traumtor, eine Flanke von der linken Seite hämmerte er volley aus rund zwölf Metern ins lange Eck. Der starke Ortega, der im hohen Alter von 31 Jahren seine überraschende Karriere-Krönung nach Jahren als Nummer eins von Arminia Bielefeld erlebte, war wieder machtlos. "Es war ein Spiel um Tod und Auferstehung, um Funken und Meteoriten", philosophierte die "AS". Es war eine Nacht, in der die Champions League hielt, was sie im Wortsinn verspricht.

Quelle: ntv.de

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