Die Lehren des 20. Spieltags FC Bayern macht Angst - der BVB ist durch
04.02.2019, 11:28 Uhr
Wie war das noch gleich mit der Tabellensituation, Herr Hoeneß?
(Foto: imago/DeFodi)
Gute Nachricht für seine Fans: Der FC Bayern verbreitet wieder Schrecken. Aber: Die Konkurrenz schreckt er nicht, auch nicht den Lieblingsgegner. Der BVB hadert, setzt sich ab und kopiert Klopp. Hannovers Doll zeigt: Es bringt nichts, den Trainer zu wechseln.
1. Das wird noch richtig spannend - und zwar dreifach
Beginnen wir ganz unkonventionell mit der Mönchengladbacher Borussia. Die hat an diesem 20. Spieltag mit 2:0 (0:0) beim FC Schalke 04 gewonnen und sich dank der besseren Tordifferenz am FC Bayern, der mit 1:3 (1:0) in Leverkusen verlor, vorbei auf Platz zwei der Tabelle der Bundesliga gejokert. Beide Mannschaften stehen sieben Punkte hinter der Dortmunder Borussia, für die es bei der Frankfurter Eintracht zu einem 1:1 (1:1) reichte. 14 Spiele stehen noch aus, und spätestens jetzt lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass aus dem Zweikampf um die deutsche Fußballmeisterschaft ein Dreikampf geworden ist.
Nach sechs Jahren ermüdender Dominanz, nach Liga-Zerstörungsvorwürfen Richtung München, geht es in der höchsten Spielklasse so spannend zu wie lange nicht mehr, zumindest theoretisch (siehe Punkt 3). Uli Hoeneß, Präsident und oberster Fan der Bayern, hatte zwar schon in der Hinrunde in einem skurrilen Anflug von Realitätsverlust behauptet, die Tordifferenz interessiere ihn nicht, da es ja immer noch um Punkte gehe, und davon hätten die Gladbacher schließlich nicht mehr. Gesagt hatte er das vor dem Topspiel in Dortmund am elften Spieltag, das seine Münchner mit 2:3 verloren. Aber außer ihm wird kaum einer leugnen, dass die Borussia vom Niederrhein und ihr Trainer Dieter Hecking nicht nur im Oktober mit 3:0 in München gewonnen haben, sondern mittlerweile absolut auf Augenhöhe agieren.
Beide Teams kommen auf 13 Siege, drei Unentschieden und vier Niederlagen. Nach der Pleite im Leverkusen fiel Hoeneß zum Thema Meisterschaft übrigens nicht mehr viel ein. Zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzenden, verließ er wortlos das Stadion. Ansonsten hätte sich Rummenigge womöglich selbst zitiert, mit den weisen Worten: "Manchmal muss man nicht nur kleinere Brötchen backen, sondern auch essen."
2. Der FC Bayern verbreitet Schrecken
Dass die Münchner einen Vorsprung nicht über die Zeit bringen, wann hat es das vor dem 1:3 in Leverkusen am Samstagnachmittag zuletzt gegeben? Moment, so lange ist das noch gar nicht her: am zwölften Spieltag beim 3:3 gegen Düsseldorf, am elften bei besagtem 2:3 in Dortmund, am zehnten beim 1:1 gegen Freiburg und am fünften beim 1:1 gegen Augsburg. Der FC Bayern fällt also in alte Muster zurück. Die Antwort auf die Frage "Wer hat Angst vorm FC Bayern?" lautet - von aufmüpfigen Ausnahmen abgesehen - nicht mehr schlicht "Na, der Rest der Liga!". Sondern: Niko Kovac. Denn der Trainer der Münchner leidet. Nach der vierten Saisonniederlage - so viele standen nach der gesamten vorangegangen Spielzeit zu Buche - wirkte er ernsthaft sauer und warf seinen Spielern vor, den Sieg oder zumindest ein Remis fahrlässig aus der Hand gegeben zu haben. "Du kannst hier nicht drei Tore kassieren, wenn Du hier gewinnen willst. Das schaffen die Spieler selbst im Training nicht", monierte Kovac. "Nach vorne haben wir große Qualität, aber wir müssen den Laden hinten dicht machen. Dort werden bekanntlich die Meisterschaften gewonnen."
Dabei hatten die Münchner doch zur Aufholjagd geblasen und zuvor sieben Spiele hintereinander gewonnen. Besonders ernüchternd muss es für die Bayern gewesen sein, dass die Leverkusener unter ihrem neuen Trainer Peter Bosz gar nicht unverhältnismäßig groß aufspielen mussten, um das Spiel zu gewinnen. Nach der Pause waren sie einfach schneller und effizienter. Von vier Torchancen nutzen sie drei, während die Münchner eklatante Fehler in der Rückwärtsbewegung offenbarten. Das ist deshalb interessant, weil der überübernächste Gegner der Bayern nach der Hertha am Mittwoch im Achtelfinale des DFB-Pokals sowie Schalke und Augsburg in der Liga der FC Liverpool ist, im Champions-Leauge-Achtelfinale. Sagen wir es so: Wenn die Münchner schon gegen das Leverkusener Angriffspressing so große Probleme haben, dann werden das zwei amüsante Spiele gegen die Mannschaft von Jürgen Klopp. Vielleicht ahnt Kovac das bereits und war deshalb so angefressen. Aber warten wir es ab.
3. BVB stürmt im Klopp-Stil ins Gefühlschaos
Zu den kurioseren Anomalien dieser Saison gehört nicht nur, dass der BVB die Bundesliga aufmischt und anführt - sondern dass dies parallel zum Ex-Jürgen-Klopp-Klub auch der Jetzt-Klopp-Klub FC Liverpool in England tut. Damit aber nicht genug der Parallelen. Zur Duplizität der Ereignisse gesellte sich am 20. Spieltag die Duplizität der Emotionen. Wie zuvor die Reds (gegen Leicester City) stürmten auch die Dortmunder bei Eintracht Frankfurts Offensivmaschine ins Gefühlschaos. Weil der FC Bayern verlor, stehen noch weiter vor den Münchnern an der Tabellenspitze, patzten mit ihren 1:1 aber trotzdem. Vorsprung gewonnen oder Zähler verloren? Diese Frage nagte nach dem Remis-Spektakel an den BVB-Profis, daran konnten auch die "Meister"-Sprechchöre des Anhangs nichts ändern. Sieben Punkte Vorsprung bei noch 14 Spielen sind formidabel. Es hätten bei einem Sieg aber auch neun sein können. Der erneut bravouröse BVB-Schlussmann Roman Bürki haderte: "Ein bisschen Enttäuschung fühlen wir schon, wir hätten lieber gewonnen." Aber: "Sieben Punkte sind natürlich besser als sechs." Zumal die Statistik seit Einführung der Drei-Punkte-Regel zeigt: Platz eins am 20. Spieltag hat bisher nur in drei Fällen nicht zur Meisterschaft gereicht. Sieben Punkte Vorsprung waren immer genug. Und stand der BVB nach 20 Spieltagen vorne, dann ... Ach, schauen Sie selbst.
4. Jens Lehmann mischt wieder mit
Wie lange ist Manuel Baum noch Trainer des FC Augsburg? Nach dem 3:0 gegen den FSV Mainz 05 hat er etwas Zeit gewonnen. Ohnehin hat sich der Klub abgesichert, sagen viele ob der Personalie Jens Lehmann. Der frühere Nationaltorhüter ist als vierter (Ligarekord!) Ko-Trainer Baums verpflichtet worden und soll sich um die Defensive kümmern. Er könnte Baum allerdings bei anhaltenden Abstiegssorgen beerben, glaubt Ex-Profi Axel Kruse: "Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, wenn es weiterhin so schlecht läuft für Augsburg."
Das ist allerdings - mit Verlaub - die freundlichste Aussage des früheren Stürmers unter anderem von Hertha BSC. Im Sky-Interview wurde er gefragt, ob der 49-jährige Lehmann Menschen für sich begeistern könne: "Was ist das für eine Frage, natürlich nicht!", antwortete Kruse nach einem Lachanfall. Kruse zeigt sich aufgrund der Verpflichtung deutlich irritiert: "Er hat sicher internationale Erfahrung, aber international spielen sie (die Augsburger, Anm.d.Red.) jetzt nicht, also von daher ... Ich kann jetzt nicht beurteilen, ob er ein guter Ko-Trainer ist. Er hat bis jetzt auch nicht die Stationen gehabt, wo er nachgewiesen hat, dass er ein guter Ko-Trainer sein könnte. Aber ganz ehrlich: Das interessiert mich überhaupt nicht, ob Augsburg Jens Lehmann als Trainer holt oder als Ko-Trainer." Was steckt hinter dieser Watschn? Vielleicht eine Szene aus dem Jahr 1997: Damals prallte Kruse mit dem damaligen Schalke-Torwart zusammen. Kruse blieb bewusstlos liegen und musste ins Krankenhaus. Es war das viertletzte Spiel seiner Karriere, die er 1999 beendete. Nun ist fraglich, wie viel Einfluss Lehmann auf das Spiel gegen Mainz hatte. Die Abwehr hatte nicht viel zu tun, für die gut aufgelegte Offensive ist er ja offenbar nicht verantwortlich. Immerhin: Vor der Einwechslung von Ja-Cheol Koo klopfte er dem Koreaner auf die Schultern. Nicht überliefert ist, ob er dies auch beim Dreifach-Torschützen Alfred Finnbogason getan hatte. Vielleicht wirkt der Einfluss Lehmanns ja auch ohne Schulterklopfer.
5. Aussortierter Rode reüssiert bei der Eintracht
Es ist eine schöne Szene: Beim 1:1 zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund umarmten sich Sebastian Rode und sein ehemaliger Trainer Lucien Favre auf dem Rasen und wünschten sich alles Gute. Rode ist vom BVB ausgeliehen - er war ihnen zu oft verletzt und konnte sich gegen Axel Witsel und Thomas Delaney einfach nicht durchsetzen. Freundliches Herzen steht allerdings im Gegensatz zu dem Hass, der Rode von einigen BVB-Fans entgegengebracht wird. Mit der Aussage "Hier ist teilweise eine bessere Stimmung als im Westfalenstadion" hatte der 28-Jährige vor seinem Frankfurt-Comeback - er war schon von 2010 bis 2014 am Main - provoziert.
Nun war Rode vor dem BVB-Spiel darum bemüht, die Wogen zu glätten: "Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich niemals die Absicht habe, nachtragend zu sein. Außerdem weiß jeder Fußballfan, dass die Dortmunder und Frankfurter Anhänger zu den stimmungsvollsten Fanlagern in der Bundesliga zählen." Dass er ausgerechnet BVB-Shootingstar Jadon Sancho in der 28. Minute foulte - und dafür zu Recht Gelb sah -, half nicht, die Disharmonie zu beseitigen. Hübsch harmonisch läufts aber für Rode beim Tabellenfünften Frankfurt, dort weiß er zu überzeugen. Entsprechend mögen sei ihn bei der Eintracht, er hat sich spielerisch im Eiltempo in die Startelf befördert. Das Duell mit dem BVB war sein drittes Spiel unter Adi Hütter, und wieder ein sehr gelungenes. 12,84 Kilometer standen nach den 90 Minuten für ihn als Laufleistung zu Buche, mehr hatte keiner abgerissen. Der 28-Jährige sei "ein Gewinn für die Mannschaft", lobhudelte Sport-Vorstand Fredi Bobic. Und: "Er zeigt eine große Präsenz, ist unheimlich fleißig. Man muss ihn ja fast stoppen." Da weiß offensichtlich einer zu überzeugen.
6. Ein Doll taugt nicht als Modetrendsetter
Ein Modetrend dieser Saison ist: Trainerwechsel sind so gar nicht en vogue, trotz völlig konträrer n-tv.de-Prophezeiungen. Indiz 1: die bescheidene Anzahl an Trainerwechseln, nämlich drei. Indiz 2: der bescheidene Erfolg der Neutrainer. Alle verloren ihr Debütspiel, Stuttgarts Weinzierl auch danach oft, siehe die exklusive n-tv.de-Trainertabelle, wobei Peter Bosz in Leverkusen dank Bayern-Hilfe gerade vom fliegenden zum siegenden Holländer mutiert. Indiz 3: die klägliche Art, wie diese drei Trainerwechsel vollzogen wurden. In Stuttgart flog Tayfun Korkut trotz Treueschwur, in Leverkusen musste Heiko Herrlich nach unwürdiger Hängepartie just dann gehen, als er zwei Liga-Siege in Folge geschafft hatte. Und in Hannover flog André Breitenreiter nach einer tatsächlich noch unwürdigeren Hängepartie samt Kommunikatonsdesaster auf Kreisklassennivau.
Richtig bitter für Breitenreiter: Er wurde erst demontiert und dann durch Thomas Doll ersetzt, der sich zuvor selbst in diversen Talkrunden offeriert und zuletzt vor zehn Jahren segensreich im deutschen Profifußball gewirkt hatte - und mit H96 im ersten Spiel schnurstracks Platz 18 eroberte. Ein Besserer war offensichtlich nicht zu bekommen, baldige Besserung ist nicht in Sicht, was fußballmodentechnisch für Domenico Tedesco und Julian Nagelsmann eine ausgezeichnete Nachricht ist. Nach der vom Hannoveraner Anhang wahlweise mit Fluchtbewegungen und/oder "Und wieder keine Punkte"-Sprechchören quittierten Offenbarung gegen Leipzig fiel Doll nichts Besseres ein als den Phrasendrescher anzuschmeißen - wobei er auch phrasentechnisch im vorletzten Jahrzehnt steckengeblieben ist. So befand er: "Wir haben vergessen Fußball zu spielen." Und: "Bisschen mehr Herzblut darf schon dabei sein. Das war sehr augenscheinlich, ich stand ja ziemlich dicht am Spielfeldrand." Und: "Es kann eine mentale Sache sein. Wir müssen auch sehen, woran das noch liegt." Um dann zu folgern: "Es muss ein kalter Nordwind in die Trainingseinheiten rein." Aber: "Ich bin froh, dass ich da bin. Die Mannschaft braucht mich." Das scheint auch Hannovers Keeper Michael Esser zu finden, der über Doll sagte: "Er hat eine gute Ansprache an die Mannschaft, ist extrem ehrgeizig, will uns alle mitreißen. Aber wenn wir so spielen, sieht das natürlich doof aus." Nunja. Stimmt.
Quelle: ntv.de