BVB bastelt am Pokal-Coup FC Bayern präpariert die schwarze Piste
26.04.2017, 16:30 Uhr
Der BVB ist zwar Außenseiter beim FC Bayern, geht das Halbfinale des DFB-Pokals aber forsch an. Trainer Tuchel sagt nach dem Anschlag auf das Leben der Dortmunder: "Ich finde es gut, wenn wir über Fußball reden."
Worum geht's?
Für die einen, für den FC Bayern, geht es darum, diese Spielzeit irgendwie noch zu retten; für die anderen, für Borussia Dortmund, darum, genau das zu verhindern. Sagt jedenfalls Trainer Thomas Tuchel, der zwar mit seiner Mannschaft bei der Bundesligapartie am 8. April in München eher chancenlos war und sie mit 1:4 verlor. Aber: "Wir haben aus der Niederlage in der Liga unsere Lehren gezogen und können ein Spielverderber sein. Bayern hat auf jeden Fall mehr zu verlieren. Wir können ihnen diese Saison ein Stück weit vermiesen." Für beide Klubs geht es heute (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) darum, das Endspiel des DFB-Pokals am 27. Mai in Berlin gegen die Eintracht aus Frankfurt zu erreichen. Und es ist durchaus so, dass sich der BVB in der mit 75.0000 Zuschauern ausverkauften Arena in Fröttmaning als Außenseiter fühlen darf. Was Marco Reus, den genesenen Offensivspieler, nicht davon abhält, zu sagen: "Die Chancen stehen bei 50 zu 50." Würden die Dortmunder tatsächlich ein kleiner Coup gelingen, wären sie die Ersten, denen zum vierten Mal hintereinander der Einzug ins Finale gelänge.
Wie ist die Ausgangslage?
FC Bayern München: Ulreich - Lahm, Boateng, Hummels, Alaba - Xabi Alonso - Robben, Thiago, Vidal, Ribéry - Lewandowski. - Trainer: Ancelotti
Borussia Dortmund: Bürki - Piszczek, Sokratis, S. Bender - Durm, Castro, Weigl, Guerreiro - Dembelé, Reus - Aubameyang. - Trainer: Tuchel
Schiedsrichter: Manuel Gräfe (Berlin)
Die Frage, die sich auch vor dieser Partie stellt, lautet: Wie geht es den Dortmunder Spielern und ihrem Trainer Thomas Tuchel zwei Wochen nach dem Sprengstoffanschlag auf ihr Leben? Sind sie tatsächlich wieder so locker, wie es bisweilen scheint? Diese Frage ist nicht zu beantworten. Aber es gibt Indizien, die hoffen lassen, dass sich die traumatisierte Elf auf dem Weg der Besserung befindet. Auch hier bildet allein der Augenschein die Grundlage der Einschätzung. Beim 3:2 in der Bundesliga in Mönchengladbach am vergangenen Samstag ist es dem BVB gelungen, sich auf das Sportliche zu konzentrieren und sehr ordentlich Fußball zu spielen. Tuchel tut gut daran, sich auch und soweit es irgendwie geht, auf den Fußball zu konzentrieren. Er berichtete hinterher: "In der Kabine herrscht große Ausgelassenheit, es läuft laute Musik, die Spieler freuen sich richtig und zeigen das auch. Es ist schön, zu sehen, dass auch das dazugehört." Die Leistung seiner Mannschaft bestehe darin, dass sie sich traue, weiter ihre Ziele zu verfolgen - "trotz der Dinge, die passiert sind. Die Spieler trauen sich, Gefühle zu zeigen und darüber zu sprechen. Das schweißt auf einer Ebene zusammen, die man sonst normalerweise nicht hat". Offenbar hilft es dabei, dass die Polizei mittlerweile den mutmaßlichen Täter gefasst hat. Torhüter Roman Bürki hatte berichtet, das sei der "erste Tag gewesen, den ich voll und ganz genießen konnte".
Wie sind die Bayern drauf?

"Wer da keine Motivation hat, hat den Beruf verfehlt": Phillip Lahm.
(Foto: imago/Cordon Press/Miguelez Sports)
Wie soll die Laune schon sein bei einer Mannschaft, die just aus der Champions League ausgeschieden ist, weil sie nach dem 1:2 gegen Real im Hinspiel auch die Partie in Madrid verlor - wenn auch bravourös und unter dramatischen Umständen? Wie soll die Laune schon sein beim FC Bayern, der zwar immer noch souverän die Tabelle der Bundesliga anführt, für den es aber in den jüngsten beiden Partien - erst am 15. April in Leverkusen und nun am Wochenende gegen Mainz - nur zu einem Remis gereicht hat? Trainer Carlo Ancelotti behauptet zwar: "Ich denke, dass das Spiel gegen Real Madrid viel Energie gekostet hat. Wir haben das Spiel aber vergessen und sind fokussiert auf Dortmund." Doch Kapitän Phillip Lahm hält es für angebracht, an seine Kollegen zu appellieren: "Jeder weiß, dass wir in jedem Wettbewerb bis zum Ende dabei sein wollen. Das heißt: am Mittwoch gewinnen und ins Finale einziehen. Wer da keine Motivation hat, hat den Beruf verfehlt." Die Bedeutung der Partie für ihn selbst mochte Lahm nicht überbewerten. Einerseits. Andererseits wäre das Endspiel seine letzte Partie als Fußballprofi und mithin ein, wie er sagte, "sehr, sehr schöner Abschluss". Es sei jetzt aber "nicht der Zeitpunkt, um sentimental zu werden, das kann ich am Ende sein oder wenn ich ein paar Wochen raus bin". Ein Weiterkommen und ein Triumph in Berlin würde auch seine Sammlung komplettieren. Mit seinem siebten Pokalsieg könnte er mit Rekordgewinner Bastian Schweinsteiger gleichziehen. Der ist mit acht Meistertiteln zudem neben Oliver Kahn und Mehmet Scholl der erfolgreichste Bundesligaprofi. Lahm steht - noch - bei sieben Meisterschaften. Aber er beteuert: "Ich habe nie Fußball gespielt wegen Rekorden."
Was macht der BVB so?
Auch wenn Tuchel - wie oben zitiert - durchaus mit Freude davon gesprochen hatte, dass seine Borussia den Bayern die Saison so richtig vermiesen könne - er hat das Ligaspiel vor gut zweieinhalb Wochen nicht vergessen: "Da hatten wir keine Chance, das müssen wir ehrlich gestehen." Der Effekt sei aber der: "Es ist wie beim Skifahren: Wenn du einmal eine schwarze Piste runtergefahren bist, machst du es hinterher besser." Schon vor zweieinhalb Wochen hatte er davon gesprochen, erst in diesem Halbfinale würden "restlos alle Karten auf den Tisch gelegt". Er warnte dennoch davor, aus der Misslaunigkeit der Bayern den Schluss zu ziehen, alleine deshalb werde es dieses Mal anders kommen. "Aber wir fühlen uns bereit." Lust hätten sie also schon. "Wir wollen ins Finale. Da hat es uns in den letzten Jahren immer gut gefallen", sagte Abwehrspieler Sven Bender. Und der Trainer stimmte ein: "Berlin ist ein Traum für uns alle." Dementsprechend wichtig sei die Partie in München: "Das hat eine große Auswirkung auf die gesamte Saison und wie wir sie anschließend bewerten werden." Darüber, wie seine Spieler sich nach dem Anschlag fühlen, wollte er am Tag vor der Partie nicht berichten. Nur so viel: Der Sieg in Mönchengladbach habe nicht nur in sportlicher Hinsicht gutgetan. "Das beschleunigt die Sache, aber wie weit das abgeschlossen ist, weiß ich nicht. Ich finde es gut, wenn wir über Fußball reden. Wir können uns freuen oder ärgern über Fußball, das ist die gute Nachricht. Wir müssen morgen alles zeigen, was wir haben."
War sonst noch was?
Als sich die Münchner und Dortmunder zum bisher letzten Mal im DFB-Pokal trafen, war es das Finale im vergangenen Jahr. Am 21. Mai 2016 fiel zwei Stunden lang kein Tor, der FC Bayern und sein Trainer Josep Guardiola siegten schließlich im Elfmeterschießen. Und Dortmunds Tuchel weinte Mats Hummels, der danach den BVB verließ und bekanntlich zum Branchenprimus wechselte, keine Träne nach. Woran sie sich in Dortmund wohl lieber erinnern, ist das Jahr 2015. Seinerzeit spielten beide Teams am 28. April ebenfalls in München ebenfalls das Halbfinale aus. Und in Erinnerung bleibt diese Partie vor allem, weil die Münchner im Elfmeterschießen eine slapstickartige Darbietung boten und gleich alle vier Strafstöße vergaben: Lahm und Xabi Alonso rutschten aus und schossen drüber, Mario Götze scheiterte am Dortmunder Torhüter Mitchell Langerak. Der Schuss von Bayerns Torhüter Manuel Neuer klatschte an die Torlatte. Thomas Müller sagte seinerzeit: "Wir haben nicht wirklich viel falsch gemacht, aber gehen als Verlierer nach Hause. Das kotzt mich an."
Lahm versuchte es nun am Montag mit einem kleinen Scherz: "Keine Sorge, ich spiele immer mit Stollen." Auf die Frage, wann er in einem Elfmeterschießen am liebsten antrete, antwortete er: "Ich fühle mich wohl zwischen sechs und elf, wenn's nach fünf entschieden ist." Auch damals platzte der Traum vom Triple. Dass sie anschließend gegen den FC Barcelona im Halbfinale der Champions League ausscheiden würden, konnten sie da noch nicht wissen. Zur Geschichte gehört allerdings auch, dass der BVB zwar das Endspiel des DFB-Pokals erreichte, dort aber verlor: Im letzten Spiel mit Trainer Jürgen Klopp gab's im Berliner Olympiastadion ein 1:3 gegen den VfL Wolfsburg.
Quelle: ntv.de