"Unfassbar traurig, ein Scheiß-Ende" Hummels' Abschied endet mit Misstönen
22.05.2016, 12:15 Uhr
Wie zuvor schon BVB-Rekordtrainer Jürgen Klopp erlebt auch Mats Hummels im Pokalfinale ein Abschiedsspiel zum Vergessen. Erst muss Dortmunds Abwehrchef vorzeitig raus, dann sieht er eine bittere Niederlage im Elfmeterschießen, und anschließend knirscht es mit seinem Coach.
Kurz drehte sich Mats Hummels zur Dortmunder Bank, er schien einfach gehen zu wollen. Dann trottete er doch aufs Spielfeld, um ein letztes Mal seine Rolle als BVB-Kapitän auszufüllen. Erst tröstete er Marco Reus, dann all die anderen Borussen, die irgendwo im und um den Mittelkreis des Berliner Olympiastadions versprengt lagen, standen, kauerten. Zusammengesackt und schockgefroren in dem Moment, als der Elfmeter von Douglas Costa im BVB-Tor eingeschlagen war und den FC Bayern zum großen Gewinner im Pokalendspiel 2016 gemacht hatte.
Und vielleicht holte sich Hummels in diesem Moment selbst ein wenig Trost, denn mit Costas Treffer war auch sein Traum geplatzt: Sich nach achteinhalb Jahren mit einem Titel aus Dortmund nach München zu verabschieden, daraus wurde nichts. Wie BVB-Rekordtrainer Jürgen Klopp im Vorjahr blieb auch Hummels in Berlin die ultimative Dosis Fußballkitsch, ein goldener Abschied von der Borussia verwehrt. Statt vom Pokalsieger zum FC Bayern zu wechseln, kommt er nun vom besten Verlierer aller Zeiten zum Double-Gewinner. Und das nach einer 120-minütigen Pokalschlacht plus Elfmeterschießen, die für Hummels wegen eines Krampfes bereits nach 78 Minuten beendet war - eine "riesengroße Enttäuschung", wie er einräumte: "Ich bin unfassbar traurig, das ist ein Scheiß-Ende. Definitiv."
Bleischwer wirkten seine Schritte, als er als letzter Borusse mit der Medaille für den Finalverlierer vom Siegerpodest trottete. Während sich sein künftiges Team wenig später zur Siegerehrung aufstellte und kurz darauf in flirrendem, rotgoldenem Konfetti und unter goldigen Girlanden verschwand, stand Hummels nur wenige Meter entfernt und haderte in Interviews. Erst vor TV-Kameras auf dem Rasen, später auch in der Mixed-Zone des Olympiastadions.
"Er kann's besser."
"Wir haben nicht unser bestes Spiel gemacht, großartig gekämpft", bilanzierte er die BVB-Leistung ohne jede Verklärung und nahm sich dabei nicht aus. "Kein perfektes Spiel, es war Durchschnitt", attestierte er sich selbst und lag damit auf einer Linie mit Noch-Coach Thomas Tuchel, der über die Leistung seines scheidenden Abwehrchefs arg unterkühlt urteilte: "Er kann's besser."
Das stimmte im Pokalendspiel vor allem für Hummels' Qualitäten im Spielaufbau, die er zu selten einbringen konnte. Da fehlte gegen die Bayern-Wucht die Ruhe und Übersicht, um die hohe Verteidigungslinie der Münchner mit einem dieser strategischen Mondbälle zu überspielen oder mit einem dieser Außenristpässe in die Bayern-Schnittstelle die schnelle BVB-Offensive um Pierre-Emerick Aubameyang und Marco Reus einzubinden. Defensiv agierte Hummels kompromisslos, konzentriert, fast fehlerlos und eine Defensivszene, eine Grätsche gegen den dribbelnden Ribery war es dann auch, die seine Dortmunder Zeit in einer großen Verkrampfung enden ließ.
Hummels konnte nicht mehr laufen, schon gar nicht schnell und fast schien es, er würde dennoch einfach weitermachen, als malades Abwehrrisiko statt als Fels in der BVB-Defensive, zu stolz um vorzeitig zu gehen. Dann siegte die Vernunft. "Jeder von uns hatte Krämpfe. Man hat gesehen, glaube ich, dass ich mit rechts keinen vernünftigen Schritt, keinen Sprint mehr anziehen konnte", erklärte er und betonte: "Ich hätte gerne bis zum Ende mitgewirkt. Ein perfekter Abschied war möglich."
Auswechslungsmissverständnis?
Aus der BVB-Fankurve war das nächste Ende einer Dortmunder Ära mit vornehmlich warmem Applaus bedacht geworden, fast emotionslos. Er habe schon im Kopf gehabt, "dass ich das letzte Mal vor unseren Fans gespielt habe. Das war ein komisches Gefühl", gestand Hummels später.
Tuchel fand immerhin vier Worte zum bitteren Abgang seines Kapitäns, er sagte nur: "Er hat darum gebeten." Ob per Zeichen des Spielers oder ob es doch Antizipation des Trainers war, darüber gingen die Meinungen vor verschiedenen Mikrofonen und Fragestellern dann auseinander. Auch davon, dass ein Krampf wirklich zu einer Auswechslung führen muss, schien Tuchel in seinem Feuerwerk der Selbstkritik nicht restlos überzeugt.
Stattdessen endete Hummels' fünftes Pokalendspiel im BVB-Trikot wie schon sein erstes im April 2008 geendet hatte: mit einer Niederlage. gegen den FC Bayern. Seinen künftigen Verein.
Quelle: ntv.de