
Die Hertha-Fans machten ihre Meinung einmal mehr deutlich.
(Foto: dpa)
Fußball nur mit Spielern vor leeren Rängen? Gab es während der Hochphase der Coronavirus-Pandemie und hat niemandem gefallen. Erst die Fans sorgen für das Massenphänomen und bringen dem Geschäft damit Milliardenumsätze. Der Ärger von Fürth-Trainer Zorniger ob der Proteste gegen die DFL zeigt, wie kurzsichtig die Denke ist.
"Ich finde es unsäglich, wenn immer wieder angedeutet wird, dass die Fans das Herz des Spiels sind. Die einzige Gruppe, ohne die du ein Spiel nicht durchführen kannst, sind die Fußballer selbst", sagt Alexander Zorniger, der Trainer von Zweitligist Greuther Fürth bei Sky. "Die Fans sind die Seele des Spiels, ohne Zweifel. Aber sie sind nicht das Herz des Spiels." Es sind Sätze mitten hinein in die - Achtung - Fan-Seele. Es sind Sätze, die eine kurzsichtige Haltung deutlich machen. Es sind Sätze, die lyrisch-poetisch sind, aber Anlass zur Diskussion bieten.
Denn ist es wirklich so, dass nur Fußballer für den Fußball nötig sind? Klar, ohne die Spieler gäbe es den Sport - den Fußball - nicht. Sie sind zwingend nötig, um das Geschäft zu starten. Um daraus ein Milliardengeschäft zu machen, sind allerdings Menschen, die sich dafür interessieren, relevant. Viele Menschen. Letztlich ist es wie überall in der Wirtschaft: Wenn sich niemand für eine Geschäftsidee interessiert, ist das Geschäft zum Scheitern verurteilt.
Bleiben wir im lyrischen Duktus von Zorniger: Wenn die Fußballer das Herz sind, muss es jemand zum Schlagen bringen. Wer dafür zuständig ist? Es sind die Fans. Sie sorgen für den Umsatz im Geschäft, ihre Aufmerksamkeit nutzen Sponsoren für sich, die viel Geld ins System pumpen. Blieben sie plötzlich alle weg, würde die Blase platzen. Fußball-Moderatorin Lena Cassel sagte unter der Woche bei Markus Lanz im ZDF: "Die Fans haben den Fußball erst zu diesem Milliardengeschäft gemacht, der er jetzt ist. Die Fans haben dafür gesorgt, dass sehr, sehr viele Leute sehr, sehr viel Geld mit diesem Fußball verdienen können."
Großer Jammer während Pandemie
Als die Zuschauer während der Hochphase der Coronavirus-Pandemie nicht in die Stadien durften, haben alle Seiten gelitten. Recht hat Zorniger mit seiner Zuschreibung, wenn er die Fans als Seele bezeichnet, sie machen den Fußball im Gesamten aus. Ihre Leidenschaft, ihr Engagement - die Faszination für den Sport speist sich zum Großteil daraus, dass es ein Massenphänomen ist. Während des Pandemie-Verbots war es den Spielern zu leise im Stadion, ohne Kulisse fehlt ein Teil der Attraktivität. Die Vereine hatten Umsatzeinbußen, auch wenn die Zuschauereinnahmen natürlich nur einen kleineren Teil des Gesamtumsatzes ausmachen. Doch der Verlust hat gereicht, sie bekamen sogar Corona-Hilfen.
Es ist erst wenige Jahre her, da haben alle gejammert, dass die Fans nicht dabei sein können. Dass ohne sie der Fußball nichts ist. Jetzt, wo sie unbequem werden, wird ihnen die Relevanz aberkannt.
Wem gehört der Fußball? Nie ist diese Debatte drastischer geführt worden als derzeit in der Ersten und Zweiten Bundesliga. Der von der Deutschen Fußball-Liga angestrebte Investoren-Deal entzweit die DFL, die Vereine und die Fans. Kaum ein Spiel vergeht ohne Protest von den Tribünen, ohne durch Tennisbälle, Schokotaler und in Köln sogar ferngesteuerte Autos erzwungene Spielunterbrechungen. Natürlich nervt der Protest - das soll er ja auch. Ohne Aufmerksamkeit für das eigene Anliegen keine Reaktion der Gegenseite. Die Fans sind nicht bereit, ihren geliebten Sport sehenden Auges ins Verderben laufen zu lassen - so zumindest ihre Meinung zum Investoren-Einstieg.
Protest ist nicht Freude am Krawall
Die Fans, sie nehmen sich ganz schön viel - zu viel - heraus, so Zornigers Meinung. Die Spielunterbrechungen, die Ungewissheit, ob es zum Abbruch kommen könnte, nerven ihn kolossal. Genauso wie die Spieler davon gestört würden, wie er weiter poetisch untermauert: "Das Herz hat gerade akute Herzrhythmusstörungen, weil du einfach nicht mehr fokussiert bist. Das kann sich ein Nicht-Profisportler nicht vorstellen, was das für Auswirkungen hat, wenn du immer wieder ansetzt und immer wieder 'runterfährst. Das geht nicht. Das kann so nicht weitergehen."
Aber was steht auf dem Spiel? Der Wohlfühlmoment der Spieler und der Trainer, ein Spielausgang oder das große Ganze? "Wir gehen nicht gerne am Wochenende ins Stadion, um irgendwelche Tennisbälle rumzuschmeißen und einen Protest zu machen, weil wir nichts zu tun haben, sondern, weil uns das Thema wichtig ist", hatte Union-Fan Lorcan von der Ultra-Vereinigung "Wuhlesyndikat" dem RBB gesagt. Es geht nicht um den Spaß am Krawall, es geht um einen Deal, der auch unter den 36 Klubs umstritten ist. Eine Lösung zu finden, die allen Parteien gefällt, ist ein wohl unmögliches Unterfangen. Ein bisschen Investor geht nicht. Doch dass der Kosmos Profifußball ohne Fans nicht existieren kann, dass es um mehr geht als die eigene kleine Welt, das sollten sich alle, die in dem Geschäft agieren - auch Alexander Zorniger - zu Herzen nehmen und für den eigenen Seelenfrieden wirken lassen.
Quelle: ntv.de