Die DFB-Elf in Zeiten der Not Hauptsache, die Vorbilder haben Spaß
13.11.2015, 09:41 Uhr
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Der DFB ist in der größten Krise seines Bestehens. Und was machen seine Protagonisten? Sie stehen zusammen wie elf Freunde, bedauern "den Wolfgang" und wollen am liebsten nur Fußball spielen - wie heute in Paris. Geht’s noch?
Der Profifußball ist eine Parallelwelt, in der eigene Regeln gelten, in der es um sehr viel Geld und große Träume geht. Eine Welt, in der die Männer noch weitgehend unter sich sind. Man kennt sich, man vertraut sich, man zieht sich gegenseitig über den Tisch - und trinkt dann doch ein Bier zusammen. Eine Welt, die mit dem richtigen Leben bisweilen nur noch sehr wenig zu tun hat. Doch auch diese Welt ist in der Wahrnehmung des Publikums gespalten. Auf der einen Seite, ganz vorne auf der großen Bühne, auf dem Rasen, der die Welt bedeutet, sind die, die für den Sport und das Spektakel sorgen. Die Zuschauer wollen die Spieler spielen und die Mannschaften gewinnen sehen. Ihnen jubeln sie zu, mit ihnen feiern sie die Erfolge und trauern gemeinsam in der Stunde der Niederlage. Das verbindet.

Mit den Spielern hat Löw „in aller Kürze gesprochen, um eine kleine Aufklärung eben auch mal zu machen“.
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Thomas Müller, der Weltmeister, der mit der deutschen Nationalmannschaft heute (ab 21 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) in Paris gegen Frankreich antritt, hat das in dieser Woche so beschrieben: "Letzten Endes sind wir als Fußballer Unterhalter. Wir sind da, um die Leute glücklich zu machen." Und auf der andern Seite, hinter dem Vorhang? Dort stehen die - stets mehr im Hintergrund, als es ihnen lieb sein mag -, die das Ganze organisieren; die Funktionäre der Fifa, der Uefa und, natürlich, des Deutsche Fußball-Bundes. Diese Männer beklatscht keiner. Schon gar nicht in diesen Tagen. Der DFB wird gerade von der wohl größten Krise in seiner 115 Jahre währenden Geschichte erschüttert. Seit das Magazin "Der Spiegel" vor vier Wochen mit der These für Furore sorgte, der Verband habe sich die Weltmeisterschaft 2006 mit Geld aus schwarzen Kassen erkauft, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue, meist schmutzige Details ans Licht kommen.
Wolfgang Niersbach, der Weltmeisterpräsident, ist am Montag zurückgetreten. Danach präsentierte der DFB ein Dokument, das sehr nahe legt, dass Franz Beckenbauer der große Strippenzieher in Sachen Bestechung war. Und die "Süddeutsche Zeitung" enthüllte gestern, dass Niersbach sehr wohl und sehr viel früher, als er stets beteuert hatte ("Die WM war nicht gekauft."), von den illegalen Machenschaften des Organisationskomitees für die WM 2006 unter dem Vorsitz Beckenbauers wusste - dem er ja auch selbst angehörte. Ach ja, Steuern sollen sie auch noch hinterzogen haben. Aber interessiert das jemanden? Den Bundestrainer zum Beispiel? Beschäftigt ihn das?
"Ich werde den Teufel tun"
"Das beeinflusst mich vor allen Dingen als Mensch", sagte Joachim Löw am Donnerstag in Paris. "Weil den Wolfgang habe ich wahnsinnig geschätzt." Stets habe Niersbach "ein offenes Ohr und viel Verständnis gehabt. Von daher hatten wir über viele Jahre hinweg ein sehr gutes, enges und vertrautes Verhältnis. In meiner Arbeit belastet mich das natürlich nicht." Mit den Spielern hätten er und Manager Oliver Bierhoff "über die ganzen Dinge, die vorgefallen sind in aller Kürze gesprochen, um eine kleine Aufklärung eben auch mal zu machen". Ansonsten "wünsche ich mir - wie alle anderen auch - eine möglichst klare, schnelle und umfangreiche Aufklärung dieser ganzen Geschichte".
Immerhin, die Spieler sind jetzt aufgeklärt. Zwei Tage nach Niersbachs Flucht aus dem Amt war Müller, der sonst nicht gerade auf den Mund gefallen ist, gefragt worden, was er denn zu Niersbachs Rücktritt und dem Sumpf beim DFB sage. Und er sagte: "Ich kann als Spieler zu den Dingen, die im Hintergrund passieren, nichts sagen." Schließlich sei er nicht eingeweiht. "Und ich werde einen Teufel tun, und mich dazu äußern und dann am nächsten Tag in der Zeitung zu stehen." Lieber schnell zurück zum Fußball. Er konzentriere sich auf das Sportliche. "Wir wollen Spaß haben am Freitag." Das klang fast so, als hätten beide Welten nichts miteinander zu tun; als sei der Fußball der Funktionäre nicht auch der Fußball der Spieler - und umgekehrt natürlich. Ganz nach dem Motto: "Wir spielen und beglücken die Fans. Alles andere liegt nicht in unserer Macht." Ist das so einfach? Gibt es einen richtigen Fußball im falschen? Sieht ganz so aus. Oder ist irgendjemandem aufgefallen, dass die Stimmung in den deutschen Stadien in den vergangenen Wochen gedrückt war? Dass die Menschen sich Sorgen gemacht haben? Dabei hatte Müller, der Unterhaltungskünstler, es doch selbst gesagt: "Wenn man das richtig machen will, muss man sich bewusst sein, dass man ein Vorbild ist."
"Das erwartet man natürlich auch von Funktionären"
Aber wie sollte so ein Vorbild aussehen? Wie Lukas Podolski, der nach Niersbachs Rücktritt sagte: "Ich habe ihn als guten Präsidenten empfunden. Wir haben gut zusammengearbeitet und hatten ein gutes Verhältnis. Darum ist es schade, dass es so gekommen ist." Oder wie Ilkay Gündogan, der im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" berichtete: "Für uns als Mannschaft spielt das in diesen Tagen keine Rolle. Wir wollen die Sachen gut erledigen, die wir zu tun haben, um unseren Job zu erfüllen. Über solche Dinge Statements abzugeben ist auch nicht die Aufgabe von uns Spielern, dafür sind andere zuständig."
Immerhin, und das spricht für ihn, räumte auch er auf Nachfrage ein: "Unbestritten sind das bewegte Tage für den DFB. Wir Spieler haben eine sehr große Verantwortung gegenüber den Fans, gerade für Kinder und Jugendliche, die uns als Vorbilder nehmen und zu uns aufschauen. Deswegen ist es für uns immer enorm wichtig, dass wir uns dementsprechend präsentieren. Und das erwartet man natürlich auch von Funktionären in Führungsrollen." Das klingt zumindest nach einem Hauch von Kritik. Und es wäre ja mal was, wenn sich einer von denen, die auszogen, um die Menschen glücklich zu machen, vor die Kameras wagt und diesen Menschen einfach mal sagt, was er von der Sache hält. Dass das so nicht geht, dass man nicht Fairplay und Werte predigen und sich als Vorbild gerieren kann - und gleichzeitig dubiose Deals vorschlägt, um die WM ins Land zu holen. Dass es eben doch keinen richtigen Fußball im falschen gibt, dass sich niemand - im wirklichen Leben wie im Fußball - seinen Sinn für das Richtige abkaufen lassen darf. Und dass das für beide Seiten gilt, vor und hinter der Bühne, die eng miteinander verbunden eben beide zur Welt des Profifußballs gehören.
Ob die Menschen das dann hören wollten, würde sich zeigen. Einen Versuch wäre es allemal wert. Aber vielleicht ist die Annahme schlichtweg falsch, Fußballer seien Vorbilder. Vielleicht ist es so: Fußballer spielen Fußball und schießen Tore, mehr nicht. Und die Funktionäre hinter dem Vorhang interessieren eh keinen. Sagen Sie das Ihren Kindern.
Quelle: ntv.de